Woher kommt das Giemen bei Kindern?
Rhinoviren verursachen meist Infektionen der oberen Atemwege, wie banalen Schnupfen. Allerdings werden Rhinovirus-Infektionen seit einigen Jahren auch mit schweren Lungenentzündungen bei älteren Menschen, Asthma oder Bronchiolitis – Entzündung der kleinsten, knorpellosen Bronchien – bei Kindern sowie Giemen assoziiertClin Microbiol Rev: „Human rhinoviruses“ .
Dem pädiatrischen Pulmologen W. Gerald Teague vom Kinderkrankenhaus der Universität von Virginia (USA) fiel auf, dass bei einigen seiner kleinen Patienten, die anhaltend und ausschließlich giemten, in der Tat Rhinoviren in den Lungen nachweisbar waren.
Ungewöhnlich war, dass das hartnäckige Giemen bei diesen Kindern das einzige Symptom war. Die Rhinoviren verursachten ansonsten keine Symptome und die Infektion verlief symptomatisch unauffällig, also „stumm“.
Gut zu wissen: Was versteht man unter Giemen?
Der Begriff Giemen (engl. wheezing) beschreibt ein kontinuierliches Atemnebengeräusch, das in der Literatur als trocken, pfeifend und melodisch/musikalisch beschrieben wird. Es kann polyphon, also aus mehreren Tönen bestehend, oder monophon sein.
Weiter wird zwischen akutem und wiederkehrendem sowie einseitigem und beidseitigem Giemen unterschieden, hinter denen jeweils unterschiedliche Auslöser stehen.
Die Ursache des Giemens ist in der Regel eine Verengung der unteren Atemwege – typischerweise im Rahmen eines Asthmaanfalls oder bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).
Plötzlich auftretendes starkes Giemen kann Symptom einer anaphylaktischen Reaktion mit Verengung der Atemwege sein. Auch Herzinsuffizienz oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen, beispielsweise von nichtsteroidalen Antirheumatika, können Giemen auslösen.
Kinder giemen häufiger als Erwachsene, z. B. bei akuter Bronchitis. Auch an eine Fremdkörperaspiration sollte bei Kindern gedacht werden, hier ist das Giemen oft einseitig. Die Ursache des Giemens sollte in jedem Fall ärztlich abgeklärt werden.
Am häufigsten Rhinoviren in den Lungen
Der Kinderlungenarzt hatte in seine StudieJ Allergy Clin Immunol.: „A novel syndrome of silent rhinovirus-associated bronchoalveolitis in children with recurrent wheeze“ 686 giemende Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwei bis 18 Jahren eingeschlossen und diese mittels Bronchoskopie – Untersuchung der Atemwege durch ein Endoskop – untersucht.
In dem mittels bronchoalveolärer Lavage (BAL) gewonnenen Schleim fand der Kinderpulmologe zahlreiche Erreger – am häufigsten jedoch Rhinoviren (29,7 Prozent). Deutlich seltener konnte das Ärzteteam Adeno- und humane Metapneumonieviren (je 1,7 Prozent) nachweisen.
Bei bakteriellen Erregern dominierten Moraxella catarrhalis (6,5 Prozent), Haemophilus influenzae (5,7 Prozent) und Streptococcus pneumoniae (4,7 Prozent).
Welche Kinder waren am häufigsten mit Rhinoviren infiziert?
Vor allem kleine Kinder, die noch nicht zur Schule gingen, waren Rhinovirus-positiv – als positiv galt, wer rhinovirale Nukleinsäure in sich trug. Diese Kinder, die mit Rhinoviren infiziert gewesen waren, zeigten zudem erhöhte Entzündungswerte (CRP, reaktives Protein) und hatten häufiger hoch dosierte Glucocorticoide zur Therapie erhalten als Kinder, die Rhinovirus-negativ waren.
Sind die Glucocorticoide vielleicht der Grund, warum die positiv getesteten Kinder Rhinoviren in den Lungen hatten und an einer stummen Rhinovirus-Infektion litten? Denn schließlich unterdrücken Glucocorticoide das Immunsystem und könnten die Heilung verzögern, unter anderem dadurch, dass sie körpereigene antivirale Interferone unterdrücken.
Allerdings wäre auch eine andere Erklärung des Phänomens möglich: Die Virus-positiven Kinder hatten vielleicht nur deswegen häufiger Cortison verordnet bekommen, weil sie besonders schwer giemten.
Rhinoviren als Reste einer alten Infektion?
Möglich wäre auch, dass die im bronchialen Schleim gefundenen Rhinoviren Reste einer früheren Infektion waren und keine akute stumme Infektion. Die Studienautoren halten dies jedoch für unwahrscheinlich.
Erstens spreche das Entzündungsmuster in den Lungen eher für eine akute Infektion. Zweitens seien persistierende Rhinovirus-Infektionen selten.
Einer früheren Studie an Säuglingen zufolge, die auf Rhinoviren getestet worden waren, waren 35 Prozent der Babys Rhinovirus-positiv und asymptomatisch. Bei einem weiteren Test nach zwei Wochen konnten die damaligen WissenschaftlerEur Respir J: „Serial viral infections in infants with recurrent respiratory illnesses“ nur bei 5,3 Prozent der Positivproben denselben Rhinovirus-Stamm nachweisen.
Bei giemenden Kindern: Ist Cortison die beste Therapie?
Ärzte setzen bei Kindern mit Keuchanfällen häufig auf Cortison.
Vor dem Hintergrund seiner Studie, bei der der Kinderpulmologe Teague bei nahezu jedem vierten Kind Rhinoviren als unerkannte Lungeninfektion nachweisen konnte und Entzündungsmuster, die klassischerweise nicht auf Corticoide ansprechen, hält Teague Cortison für giemende Kinder nicht für die optimale Therapie. Stattdessen plädiert er für das Antibiotikum Azithromycin – ein Antibiotikum gegen Viren. Ergibt das Sinn?
Azithromycin wirkt in Zellversuchen antiviral
Es gibt in der Tat HinweiseEuropean Respiratory Journal: „Azithromycin induces anti-viral responses in bronchial epithelial cells“ , dass Azithromycin nicht lediglich antibakteriell wirkt, sondern auch antivirale Effekte zeigt: In Zellkulturen – also in Versuchen im Labor – erhöhte Azithromycin antiviral wirkende Interferone und wirkte entzündungshemmend, durch Hemmung von Interleukinen (IL-1b und IL-2) und TNFalpha.
Allerdings fehlen derzeit große klinische Studien, die diese Wirkungen auch am Menschen nachweisen und zeigen, dass die antiviralen Effekte auch klinisch relevant sind und damit die Basis sein könnten für die wissenschaftliche Empfehlung des breiten Einsatzes des Antibiotikums bei Rhinovirus-Infektionen.
Bei giemenden Kindern unbedingt an Rhinoviren denken
Dem amerikanischen Kinderpulmologen ist es dennoch ein Anliegen, das Bewusstsein für die Ursache von anhaltendem Giemen bei Kindern zu schärfen, und dass Ärzte bei diesen Beschwerden auch an eine stumme Infektion mit Rhinoviren denken.