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Reizdarmsyndrom: Ernäh­rungstherapie kann helfen

Frau steht in der Küche, Lebensmittel liegen vor ihr auf dem Tisch
Mit einer entsprechenden Ernährungsumstellung können die Beschwerden beim Reizdarmsyndrom gelindert werden. | Bild: Nomad_Soul / AdobeStock

Die Behandlung des Reizdarmsyndroms, kurz RDS, ist sehr individuell und umfasst Bereiche der Arzneimittel- und Psychotherapie sowie eine Ernährungsumstellung. Aufgrund des facettenreichen Beschwerdebildes sind geradlinige Empfehlungen nur schwer zu finden.

In einer aktuellen StudieThe Lancet Gastroenterology and Hepatology: "A low FODMAP diet plus traditional dietary advice versus a low-carbohydrate diet versus pharmacological treatment in irritable bowel syndrome (CARIBS): a single-centre, single-blind, randomised controlled trial"  hat ein Forscherteam der Universität Göteborg aus Schweden die therapeutischen Effekte verschiedener Ernährungsempfehlungen mit denen einer medikamentösen Therapie verglichen. 

Dabei konnten die Probanden unter einer Ernährungsumstellung ihre individuellen Symptome stärker verbessern als diejenigen mit einer optimierten medikamentösen Behandlung.

Studie: Ernährungsumstellung versus medikamentöse Therapie

Im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten Einfachblindstudie, welche sich zwischen 2017 und 2021 über einen Zeitraum von vier Wochen erstreckte, wurden Personen mit einem mittelschweren bis schweren RDS in drei verschiedene Untersuchungsgruppen eingeteilt:

  • Gruppe 1: Low-FODMAP-Diät in Kombination mit Empfehlungen des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) bezüglich Zeitraum und Regelmäßigkeit der Nahrungsaufnahme sowie der Einschränkung von Kaffee, Alkohol, kohlensäurehaltigen Getränken und Tee.
  • Gruppe 2: Kohlenhydrat-arme Ernährung mit viel Eiweiß, Fett und Ballaststoffen aus Gemüse und Obst. Die Teilnehmenden konsumierten u. a. Gemüse, zuckerarmes Obst wie Beeren, tierische Produkte wie Fisch, Milch, Eier, Schweine- und Rindfleisch.
  • Gruppe 3: Optimierte medikamentöse Therapie des RDS, die sich nach dem jeweiligen Hauptsymptom des Probanden richtet (Verstopfung, Durchfall, Schmerzen, Blähungen).

Zur Erinnerung: Was ist die Low-FODMAP-Diät?

  • Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole, die im Darm nicht resorbiert werden, sondern unverdaut in den Dickdarm gelangen. 
  • Deren Verstoffwechselung kann bei einigen Menschen Blähungen und Bauchkrämpfe auslösen.
  • Der Verzicht auf derartige Lebensmittel kann Symptome des RDS lindern.
  • FODMAP-reichhaltige Lebensmittel sind beispielsweise Weizen, Blumenkohl, Roggen, Milch, Zuckeraustauschstoffe und Hülsenfrüchte.
  • FODMAP-arme Lebensmittel sind z. B. Kartoffeln, Salat, Eier, Hafer, Fleisch, Nüsse.

Die knapp 300 Studienteilnehmenden bewerteten ihre RDS-Symptome anhand des Irritable Bowel Syndrome Severity Scoring Systems (IBS-SSS). Dabei handelt es sich um ein Punktesystem, mit welchem die Schwere der Symptome festgestellt werden kann – je höher die Zahl, desto größer der Leidensdruck. Dieser Score ist der am häufigsten verwendete Score innerhalb derartiger Studien.

Ziel war es, den individuellen Score um mindestens 50 Punkte zu verringern. Bewertet wurden die Bereiche 

  • Schmerzintensität und -häufigkeit,
  • Intensität der Blähungen,
  • Darmfehlfunktion sowie
  • Wohlbefinden inklusive Lebensqualität.

RDS-Diäten zeigen starke Reduktion der Symptome

Nach vier Wochen wurden die Teilnehmenden erneut zum Schweregrad ihrer Symptome befragt. Dabei wurde deutlich, dass in den Gruppen 1 und 2 signifikant bessere Ergebnisse erzielt wurden als in Gruppe 3: In Gruppe 1 und 2 kam es bei 76 % bzw. 71 % der Personen zu einem Rückgang der Symptomatik um mindestens 50 Score-Punkte (durchschnittlich sogar 149 bzw. 128). In Gruppe 3 konnte bei 58 % der Probanden ein entsprechender Rückgang festgestellt werden, im Schnitt um 76 Score-Punkte.

Außerdem hatte sich die Stuhlkonsistenz in Gruppe 1 und 2 deutlich verbessert. Bei Befragungen zur Lebensqualität anhand des Hospital Anxiety and Depression Scores haben die Teilnehmenden in allen Gruppen besonders gute Ergebnisse erzielt.

Nach Ende der Studie haben die Forschenden eine Empfehlung zur Weiterführung der Ernährungsumstellung ausgesprochen. Auch den Teilnehmenden aus Gruppe 3 wurde empfohlen, eine derartige Ernährung in den Alltag zu integrieren. 

Nach weiteren sechs Monaten wurden die Probanden ein letztes Mal befragt. Die Effekte der Umstellung in den Gruppen 1 und 2 konnten über den verlängerten Zeitraum gehalten werden.

Ernährungstherapie bei Reizdarm in den Fokus rücken

Die Forschenden sind sich einig, dass eine gezielte Ernährungstherapie in die Behandlung eines RDS mit einbezogen werden muss. Im Optimalfall in direkter Kombination mit einer passenden medikamentösen Therapie. 

Dabei müssen jedoch einige Faktoren wie Machbarkeit, Therapietreue, Wissensstand, Kosten und Aufwand berücksichtigt werden. Auch eine standardmäßige Ernährungsberatung sollte Teil des Behandlungskonzeptes darstellen.

Um evidenzbasierte Empfehlungen auszusprechen, sollten weitere Untersuchungen folgen, bei denen beispielsweise ein längerer Studienzeitraum angestrebt wird. Außerdem spielen Informationen über Ernährungsgewohnheiten vor bzw. während der Studie eine wichtige Rolle, insbesondere in Gruppe 3. 

Zudem erschweren die vielen Gesichter einer Reizdarm-Erkrankung eine ganz gezielte Ernährungstherapie.

Empfehlungen zu Diät bereits in aktueller Leitlinie

In der aktuellen Reizdarm-Leitlinie von 2021 werden bereits einige Diätempfehlungen ausgesprochen. Dazu gehören ein erhöhter Verzehr von Ballaststoffen (optimalerweise in löslicher Form) bei den Hauptsymptomen Durchfall und Verstopfung sowie eine Low-FODMAP-Diät bei kombinierten Beschwerden aus Schmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung. Quellen:
- https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Reizdarmsyndrom-Diaeten-wirksamer-als-Medikamente-450286.html
- https://www.thelancet.com/journals/langas/article/PIIS2468-1253(24)00045-1/abstract
- https://www.ptaheute.de/wissen-am-hv/wissen-am-hv-magen-darm-beschwerden/was-hilft-bei-blaehungen
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/021-016l_S3_Definition-Pathophysiologie-Diagnostik-Therapie-Reizdarmsyndroms_2022-02.pdf