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Was ist eigentlich das Meulengracht-Syndrom?

Mann mit gelben Augen von Gelbsucht
An einer Gelbfärbung der Augäpfel und Lederhaut ist eine Gelbsucht schnell erkennbar. | Bild:  Pixel-Shot / AdobeStock

Viele Menschen verbinden eine Gelbsucht mit einer Lebererkrankung. Doch die erhöhten Bilirubinwerte, die eine Gelbsucht hervorrufen, können auch durch eine Stoffwechselstörung entstehen: dem Meulengracht-Syndrom.

Charakteristisch für dieses Syndrom, welches auch als Gilbert-Syndrom bekannt ist, sind erhöhte Bilirubinwerte im Blutserum, während andere Leberwerte im Normbereich liegen. 

Gut zu wissen: Was ist Bilirubin?

Bilirubin ist ein braun-gelbliches Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin.

Der Gesamtbilirubinwert im Blut sollte kleiner als 1,1 Milligramm pro Deziliter sein, bei Personen mit Morbus Meulengracht liegt er zwischen 2 bis etwa 5 mg/dl.

Die Stoffwechselstörung beruht auf einer genetisch bedingten Unterfunktion von Enzymen aus der Familie der UDP-Glucuronosyltransferasen und wird häufig als Zufallsbefund im Rahmen der Labordiagnostik festgestellt. Eine Diagnose kann durch einen spezifischen PCR-Test abgesichert werden.  

Welche Symptome treten bei Morbus Meulengracht auf?

Die meisten Betroffenen mit dem Meulengracht-Syndrom haben, bis auf eine schubartig auftretende Gelbfärbung (Ikterus) der Haut und der Augäpfel, wenige oder bis gar keine körperlichen Beschwerden. Manchmal treten parallel zum Ikterus auch Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit, Müdigkeit und Antriebslosigkeit auf.

Mögliche Symptome wie das Auftreten eines leichten Ikterus können insbesondere durch Fasten, Stress, Schlafmangel oder Infektionen gefördert werden. Auch das Rauchen und ein übermäßiger Alkoholkonsum sollten gemieden werden, da auch sie im Verdacht stehen, den Anstieg des Bilirubins und somit die Gelbfärbung der Haut und der Augen zu begünstigen.  

Wer ist vom Meulengracht-Syndrom betroffen?

Das Meulengracht-Syndrom betrifft 3 bis 13 Prozent der Bevölkerung und ist in Europa am häufigsten anzutreffen. 

Dabei sind Männer von dieser autosomal-rezessiv vererbten Störung bis zu 7-mal häufiger betroffen als Frauen. Meist tritt das Syndrom zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr in Erscheinung.

Wie wird das Meulengracht-Syndrom behandelt?

Beim Morbus Meulengracht ist die Leber nicht geschädigt und ihre Funktion ist nicht pathologisch beeinträchtigt. Eine Therapieindikation liegt daher nicht vor, denn medizinisch betrachtet scheint eine Behandlung oder eine Normalisierung des Bilirubinwertes nicht notwendig.  

Die abnormen Bilirubinwerte zeigen eher einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Betroffenen, wie Forscher herausgefunden haben. So sind Personen mit dem Meulengracht-Syndrom schlanker, haben einen geringeren BMI (Body-Mass-Index), weniger Körperfett und bessere Fettstoffwechsel- sowie Blutzuckerwerte.

Ernährungswissenschaftler der Universität Wien fanden zudem heraus, dass ein leicht erhöhter Bilirubinspiegel im Blut das Risiko für Dickdarmkrebs sowie auch das Risiko für Lungenkrebs reduziert.

Das Meulengracht-Syndrom als Kontraindikation

Für die meisten Arzneimittel stellt das Meulengracht-Syndrom keine Gegenanzeige dar. Auch ist die Einnahme von Paracetamol in therapeutischer Dosierung beim Meulengracht-Syndrom unproblematisch, auch wenn im Beipackzettel des freiverkäuflichen Schmerzmittels ein entsprechender Warnhinweis zu lesen ist.

Dennoch gibt es Wirkstoffe aus dem Bereich der Krebsbehandlung und HIV-Therapie, die bei Personen mit einem Meulengracht-Syndrom langsamer abgebaut werden. Hierdurch können hohe Medikamentenspiegel entstehen, welche möglicherweise zu verstärkten Nebenwirkungen der betroffenen Wirkstoffe führen. Quellen:
https://www.metabolismjournal.com/article/S0026-0495(21)00213-4/fulltext
https://rudolphina.univie.ac.at/bilirubin-genetisch-im-vorteil-1
https://www.akdae.de/arzneimitteltherapie/arzneiverordnung-in-der-praxis/ausgaben-archiv/ausgaben-ab-2015/ausgabe/artikel?tx_lnsissuearchive_articleshow%5Baction%5D=show&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Barticle%5D=4716&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Bcontroller%5D=Article&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Bissue%5D=23&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Byear%5D=2020&cHash=0722c672d4353e685e6a36d8e83e8a96
 

Das Meulengracht-Syndrom in Kürze:

  • Stoffwechselstörung aufgrund einer genetisch bedingten Unterfunktion von Enzymen aus der Familie der UDP-Glucuronosyltransferasen
  • Symptome: chronisch erhöhte Bilirubinwerte im Serum, bei ansonsten unauffälligen Leberwerten, leichter Ikterus möglich
  • Verschlimmerung u. a. durch Stress, Fasten, Schlafmangel und Infektionen
  • Therapie der Stoffwechselstörung ist nicht notwendig.
  • Die Stoffwechselstörung kann den Abbau von einigen Arzneistoffen verlangsamen.