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Psilocybin: uner­wünschte Wirkung auch als Arzneimittel

getrocknete Magic Mushrooms in einem Reagenzglas
Auch bei therapeutischem Einsatz von Psilocybin können Nebenwirkungen auftreten. | Bild: 24K-Production / AdobeStock

„Magic Mushrooms“, „Zauberpilze“, „Halluzinogene Pilze“ oder auch recht sachlich „Psilocybinhaltige Pilze“ – unter diesen Synonymen sind die berauschenden Pilze bekannt, die unter indigenen Völkern eine jahrtausendealte Tradition haben und die für die medizinisch-wissenschaftliche Welt seit Ende der 1950er-Jahre interessant wurden.

Zur Erinnerung: Was ist Psilocybin?

Psilocybin (4-Phosphoryloxy-N,N-dimethyltryptamin), das Alkaloid mehrerer Pilzarten, die insbesondere in Südamerika natürlich vorkommen, wirkt im Gehirn nach Verstoffwechselung zu Psilocin als Partialagonist von Serotonin-Rezeptoren. 

Es bewirkt einen psychedelischen Rausch mit visuellen Halluzinationen und ähnelt dabei der Wirkung von LSD (Lysergsäurediethylamid). 

Dessen Entdecker, der Schweizer Chemiker Albert Hoffmann, war auch der Erste, der Psilocybin isolierte und später auch eine Totalsynthese beschrieb.

Ab Ende der 1950er- bis Ende der 1960er-Jahre gab es etliche Studien und Versuche, die psychoaktive Substanz im Bereich der Psychiatrie therapeutisch zu nutzen. Körperliche Leichtigkeit, Energie, Freude, Euphorie und veränderte visuelle Wahrnehmung, die mit dem Konsum der Substanz einhergehen, sollten auch positive Effekte im psychischen Bereich haben. 

Bekannte Nebenwirkungen von Magic Mushrooms

Allerdings gibt es auch eine Reihe von insbesondere dosisabhängigen bekannten Nebenwirkungen der Substanz, die sich vor allem beim Konsum der Pilze zu Rauschzwecken zeigen. Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und Panikattacken gehören dazu. 

Es gibt aber auch Berichte über Todesfälle, weil etwa mit Pilzen Berauschte sich plötzlich in suizidaler Absicht von Balkonen stürzten.

Andere Berichte zeugen davon, dass insbesondere nach höheren Dosen „Horrortrips“ die Folge waren, latente Psychosen getriggert wurden oder langanhaltende Phasen mit Halluzinationen auftraten.  

Psilocybin als mögliches Therapeutikum?

Eine restriktivere Drogenpolitik nach dem Ende der 1960er-Jahre führte schließlich dazu, dass es nur noch wenig Forschung zu dem Thema gab. 

Bis Psilocybin vor wenigen Jahren als mögliches Therapeutikum gegen schwere Depressionen, Angstzustände, das post-traumatische Stresssyndrom (PTBS) oder auch Magersucht wieder entdeckt wurde. Auch andere Anwendungen, unter anderem zur Rauchentwöhnung oder in der Palliativmedizin, werden aktuell in klinischen Studien erforscht. 

Psilocybin: unerwünschte Wirkungen während Therapie

Nicht im Fokus der Forschung stehen dabei unerwünschte Wirkungen der psychoaktiven Substanz, die aus der „nichtmedizinischen“ Anwendung bereits bekannt sind. Eine Meta-Studie von Forschenden der University of Georgia (Georgia, USA) sowie der Larkin University (Miami, Florida) und der Palm Beach Atlantic University, West Palm Beach (Florida) kam nun zu dem Schluss, dass es auch bei der therapeutischen Anwendung von Psilocybin signifikant zu unerwünschten Wirkungen kommen kann.

Sie werteten systematisch randomisierte doppelblinde klinische Studien aus, in denen Teilnehmende Psilocybin zur Behandlung einer schweren depressiven Störung oder einer Depression in Verbindung mit anderen verwandten Störungen erhielten beziehungsweise ein Placebo als Vergleich. Dabei fokussierten sich die US-Forschenden aber nicht auf die positiven therapeutischen Wirkungen, sondern auf die unerwünschten Nebeneffekte.

Nebenwirkungen von Psilocybin wie bei Drogenkonsum

Aus sechs gefundenen Studien mit 528 Patienten konnten die Wissenschaftler herausfiltern, dass es zu insgesamt sieben berichteten unerwünschten Wirkungen kam, fünf davon statistisch signifikant:

  • Kopfschmerzen (relatives Risiko [RR], 1,99; 95 % KI 1,06–3,74)
  • Übelkeit (RR, 8,85; 95 % KI, 5,68–13,79)
  • Angstzustände (RR, 2,27; 95 % KI, 1,11–4,64)
  • Schwindel (RR, 5,81; 95 % KI, 1,02–33,03)
  • erhöhter Blutdruck (RR, 2,29; 95 % KI, 1,15–4,53)

Keine Signifikanz fanden die Forschenden für die ebenfalls berichteten Wirkungen Paranoia und vorübergehende Denkstörungen. Alle diese Effekte seien bei den therapeutischen Dosen allerdings in der Regel nach spätestens zwei Tagen abgeklungen.

Die berichteten unerwünschten Wirkungen decken sich damit im Wesentlichen mit den bekannten aus dem Missbrauch der Substanz. Allerdings sind die relativen Risiken, unter einer therapeutischen Anwendung einen solchen Effekt zu erleiden, nur jeweils gering. 

Weitere Forschung für Psilocybin nötig

Die Forschenden schließen daraus, dass „therapeutische Dosen von Psilocybin tolerierbare akute unerwünschte Wirkungen hervorrufen, die in der Regel innerhalb von 24 bis 48 Stunden abklangen. Weniger häufige unerwünschte Wirkungen, wie Paranoia und anhaltende visuelle Wahrnehmungseffekte, verdienen jedoch Aufmerksamkeit.“  

Einschränkend sagen die Wissenschaftler, dass die Zahl der gefundenen Studien, die berücksichtigt werden konnten, nur klein sei und es deutlich größerer Analysen bedürfe, „um diese unerwünschten Wirkungen vollständig zu bewerten, insbesondere in Bevölkerungsgruppen mit komorbiden Gesundheitszuständen“. 

Die Forschenden schreiben weiter, dass Empfehlungen für erhobene akute unerwünschte Wirkungen „mindestens Kopfschmerzen, Übelkeit, Angstzustände, Schwindel, Paranoia, Blutdruck- und/oder Herzfrequenzveränderungen, visuelle Wahrnehmungseffekte, körperliches Unwohlsein und Stimmungsschwankungen“ umfassen sollten.  

Und obwohl selten, „sollte die Möglichkeit von Suizidalität, anhaltender Paranoia und anhaltenden visuellen Wahrnehmungseffekten langfristig überwacht werden“. Quellen:
• N.N.; Halluzinogene Pilze: Drogenprofil; European Monitoring Center for Drugs an Drug Addiction; ohne Datum, zuletzt abgerufen 29.Mai 2024; https://www.emcdda.europa.eu/publications/drug-profiles/hallucinogenic-mushrooms_de
• N.N.; Was bei einem Trip auf Pilzen passieren kann; Drugcom.de; Oktober 2020; https://www.drugcom.de/newsuebersicht/topthemen/was-bei-einem-trip-auf-pilzen-passieren-kann/
• Vollenweider FX, Vollenweider-Scherpenhuyzen MF, Bäbler A, Vogel H, Hell D. Psilocybin induces schizophrenia-like psychosis in humans via a serotonin-2 agonist action. Neuroreport. 1998 Dec 1;9(17):3897-902. doi: 10.1097/00001756-199812010-00024. PMID: 9875725.
• Espiard ML, Lecardeur L, Abadie P, Halbecq I, Dollfus S. Hallucinogen persisting perception disorder after psilocybin consumption: a case study. Eur Psychiatry. 2005 Aug;20(5-6):458-60. doi: 10.1016/j.eurpsy.2005.04.008. PMID: 15963699.
• Gründer G et al. (2023): Efficacy and Safety of Psilocybin in Treatment-Resistant Major Depression: EPIsoDE. (Laufende deutsche Studie) https://episode-study.de/
• Goodwin GM et al. (2022): Single-Dose Psilocybin for a Treatment-Resistant Episode of Major Depression. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2206443.
• Knatz Peck S et al. (2023): Psilocybin therapy for females with anorexia nervosa: a phase 1, open-label feasibility study. Nature Medicine. DOI: 10.1038/s41591-023-02455-9.
• Crowe, M., Manuel, J., Carlyle, D. & Lacey, C. (2023) Experiences of psilocybin treatment for clinical conditions: A qualitative meta-synthesis. International Journal of Mental Health Nursing, 32, 1025–1037. Available from: https://doi.org/10.1111/inm.13127
• Yerubandi A, Thomas JE, Bhuiya NMMA, Harrington C, Villa Zapata L, Caballero J. Acute Adverse Effects of Therapeutic Doses of Psilocybin: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Netw Open. 2024;7(4):e245960. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.5960