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Kreatin bei Schlafmangel? Experten warnen

Mann schüttet sich mehrere Kapseln Kreatin in die Hand
Hohe Dosen Kreatin sollten nicht im Selbstversuch eingenommen werden. | Bild: georgerudy / AdobeStock

Eine hohe Dosis Kreatin verbessert einer Studie zufolge kurzfristig die Hirnleistung bei Schlafentzug. In dem Versuch schnitten 15 Erwachsene bei Tests während einer durchwachten Nacht deutlich besser ab, wenn sie zuvor Kreatin bekommen hatten. Studienleiter Ali Gordjinejad vom Forschungszentrum Jülich warnt jedoch zugleich davor, das nun selbst auszuprobieren. 

Zur Erinnerung: Was ist Kreatin?

Der Körper kann bis zu einem gewissen Maß Kreatin selbst herstellen. Dazu benötigt er die Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin in ausreichender Menge. Außerdem kann Kreatin über die Nahrung (Fleisch und tierische Produkte) aufgenommen werden. Je höher die externe Zufuhr ausfällt, desto geringer ist die körpereigene Synthese. 

In Verbindung mit Phosphat bildet Kreatin einen wichtigen Energiespeicher im Muskel und dient zur schnellen Regenerierung von ATP (Adenosintriphosphat). /mia

Kreatin zeigt positiven Effekt auf Gedächtnis

In der Studie wurden acht Frauen und sieben Männer von 20 bis 28 Jahren über Nacht wachgehalten und mussten kleine Aufgaben lösen, sich etwa Wortpaare merken oder rechnen. Alle bekamen vor einer Nacht Kreatin, vor einer anderen ein Scheinmedikament.  

Ergebnis: Schon ab der dritten Stunde nach Einnahme des Kreatins zeigte sich ein positiver Effekt auf den Hirnstoffwechsel und die kognitive Leistung. Er dauerte bis zu neun Stunden an, dem Studienende. Insbesondere die Verarbeitungsleistung und das Kurzzeitgedächtnis hätten sich verbessert, schreibt das Team im Journal „Scientific Reports“.

Die Forscher beobachteten mithilfe einer speziellen Magnetresonanzspektroskopie, wie der Schlafentzug und Kreatin den Hirnstoffwechsel änderten. Schlafmangel habe die Menge einer für die Energieversorgung wichtigen Kreatin-Verbindung (Kreatinphosphat) im Hirn reduziert, sagt Gordjinejad. Mit der Gabe einer hohen Dosis Kreatin sei diese Abnahme verhindert worden. 

Weitere Studien nötig

In verschiedenen Studien wurde Gordjinejad zufolge bereits von einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit nach längerer Kreatin-Gabe berichtet, etwa bei älteren Menschen oder Vegetariern, die beide oft Kreatinmangel hätten. Neu sei, dass auch gesunde Menschen in gestresstem Zustand – wie etwa bei Schlafentzug – hinsichtlich ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit kurzzeitig profitieren können.  

„Am besten ist es natürlich, wenn man genug schläft“, sagt Gordjinejad. Kreatin könnte aber vielleicht einmal interessant werden für Menschen, die unerwartet Aufgaben bekommen und dann bis zum Morgen arbeiten müssen, wie etwa Feuerwehrleute. 

Hohe Dosen Kreatin schaden den Nieren

Dazu müsse es aber erst weitere Studien geben, die auch in geringeren Dosen von höchstens vier bis fünf Gramm eine Wirkung nachweisen. 

Bis auf Weiteres warnt er vor der Einnahme einer hohen Dosis, da hohe Kreatindosen die Nieren stark belasten und andere gesundheitliche Probleme hervorrufen können. 

„Sollten jedoch zukünftige Studien eine kognitive Leistungssteigerung auch bei geringeren Dosen nachweisen, könnte Kreatin in langen Arbeitsnächten ein ernsthafter Konkurrent von Kaffee werden.“ 

In der Studie wurden 0,35 Gramm Kreatin pro Kilo Körpergewicht gegeben  – das wären bei einem 80 Kilogramm wiegenden Menschen 28 Gramm.

Kreatin-Gabe: Nebenwirkungen und Langzeitfolgen noch unklar

Die Studie sei methodisch gut gemacht und die Effekte seien vielversprechend, kommentiert Ulrich Ettinger von der Universität Bonn die Analyse. „Sollten sich die Befunde bestätigen, wäre der einmalige oder vielleicht gelegentliche Griff zu Kreatin bei akutem Schlafentzug indiziert.“ Die Ergebnisse müssten aber erst mit mehr Probanden und geringeren Dosen repliziert werden. 

In einer Hirnleistungsstudie seines Teams seien negative Nebenwirkungen von Kreatin selbst bei wesentlich geringerer Dosis aufgetreten, die jedoch über eine längere Zeit gegeben wurde. „Insgesamt ist es trotz dieser spannenden Ergebnisse noch fraglich, ob die Nutzung von Kreatin für die Hirnleistung einmal uneingeschränkt empfohlen werden kann.“ 

Schlafentzug schadet Herz und Hirn

Dies sei eine sehr gute, weiterführende Studie, die eine prinzipielle Wirkweise von Kreatin belege, kommentiert auch Peter Young, Schlafexperte der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, aber für eine Anwendung sei es noch viel zu früh.

Beim Schlafentzug gehe es auch nicht nur um Hirnleistungen, er führe auch zu körperlich relevanten Schädigungen. Das Herz-Kreislauf-System bleibe unter Dauerstress, was das Risiko für Erkrankungen wie Schlaganfall, Bluthochdruck und Herzinfarkt erhöhen könne. 

Zudem habe die Studie nur kurzfristige Wirkungen und nicht den langfristigen Lernerfolg überprüft, etwa ob man Lateinvokabeln auch am nächsten Tag noch reproduzieren kann. „Man braucht Schlaf, um Lerninhalte zu konsolidieren“, betont Young. Quelle: dpa / mia