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PFAS in Geschirr aus Papier und Bambus

Bunte Papierstrohhalme in Papierbecher
Weichen Halme aus Papier auf, können sich gesundheitsbedenkliche Chemikalien lösen. | Bild: byallasaa / AdobeStock

Seit dem 3. Juli 2021 ist der Verkauf von Trinkhalmen aus Plastik in der EU verboten. Stattdessen gibt es in vielen Restaurants inzwischen Exemplare aus Papier. Diese können allerdings für Umwelt und Gesundheit ebenfalls schädlich sein, warnt ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift „Food Additives & Contaminants: Part A“. Denn viele vermeintlich umweltfreundliche Trinkhalme aus Papier oder Bambus enthalten demnach langlebige und potenziell giftige Chemikalien, sogenannte PFAS.

Gut zu wissen: Was sind PFAS?

PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sind menschengemachte Chemikalien, die in vielen Bereichen Anwendung finden. Sie machen Textilien atmungsaktiv und wasserabweisend, Papier schmutz-, fett- sowie wasserabweisend und verbessern die Ausbreitungseigenschaften von Feuerlöschschaum. Auch bei Lebensmittelverpackungen werden teilweise PFAS eingesetzt.

Weil zahlreiche PFAS sehr beständig und kaum abbaubar sind, werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt. In der Umwelt reichern sie sich immer mehr an. 

PFAS werden mit verschiedenen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter geringeres Geburtsgewicht von Säuglingen, erhöhte Cholesterinwerte, Schilddrüsenerkrankungen, Leberschäden sowie Nieren- und Hodenkrebs.

Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. „Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern“, heißt es von der Europäischen Umweltagentur (EEA). 

Von den allermeisten PFAS weiß man noch gar nicht, wie sie auf Mensch und Umwelt wirken. Viele Fachleute gehen davon aus, dass zumindest ein Teil negative Eigenschaften hat.

Einweggeschirr zu über 75 Prozent schadstoffbelastet

Die Gruppe um Thimo Groffen von der Universität Antwerpen hatte Trinkhalme von 39 in Belgien erhältlichen Marken untersucht. In 18 von 20 getesteten Papier-Halmen wurden PFAS nachgewiesen. 

Auch in vier von fünf Bambus-Halmen, drei von vier Plastik-Halmen und sogar in zwei von fünf Glas-Trinkhalmen wiesen die Wissenschaftler solche Substanzen in unterschiedlicher Menge nach. Lediglich in Halmen aus Edelstahl waren keine PFAS zu finden.

Die Forscher fanden mittels eines speziellen Massenspektrometrie-Verfahrens unter anderem Trifluoressigsäure und Trifluormethansulfonsäure. „Beide Chemikalien sind gut wasserlöslich, sodass die Gefahr besteht, dass sie vom Strohhalm in das Getränk übergehen“, erläutern die Forscher. 

Ob und in welchem Umfang diese und andere PFAS aus den Trinkhalmen vom Menschen aufgenommen werden, müsse nun genauer untersucht werden.

Edelstahl nachhaltiger als Papier oder Bambus

PFAS werden unter anderem verwendet, um Papierhalme vor Durchnässung zu schützen. Die Studienautoren heben hervor, dass die potenziell gefährlichen Substanzen aber nicht unbedingt bewusst im Herstellungsprozess zugesetzt worden sein müssen. Sie könnten auch durch verunreinigtes Ausgangsmaterial oder Prozesswasser ins Produkt gelangen.

„Strohhalme aus pflanzlichen Materialien wie Papier und Bambus werden oft als nachhaltiger und umweltfreundlicher beworben als solche aus Kunststoff“, sagt Groffen. „Das Vorhandensein von PFAS in diesen Strohhalmen bedeutet jedoch, dass das nicht unbedingt stimmt.“ 

Geringe Mengen PFAS seien an sich zwar nicht schädlich, könnten aber die bereits im Körper vorhandene chemische Belastung erhöhen. „Die nachhaltigste Alternative scheinen Strohhalme aus Edelstahl zu sein, die wiederverwendet werden können, keine PFAS enthalten und vollständig recycelt werden können“, lautet die Schlussfolgerung des Teams.

Gut zu wissen: Bambusgeschirr nicht für Heißgetränke

Bereits im Jahr 2019 wies das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) darauf hin, dass die meisten Produkte aus Bambus wie Becher und Geschirr auch Kunststoffe wie Melamin-Formaldehyd-Harze (MFH) enthalten

Bei höheren Temperaturen (wie bei heißem Kaffee) können gesundheitlich bedenkliche Mengen an Melamin und Formaldehyd aus dem Geschirr ins Lebensmittel übergehen. Das BfR empfahl daher, keine heißen Speisen oder Getränke aus Bambusware zu sich zu nehmen. Dies gelte ebenso für herkömmliches MFH-Geschirr.

Wasser löst Chemikalien aus Papier

Mit Papierbechern als Ersatz für Einweg-Plastikbecher hat sich ein Forschungsteam der Universität Göteborg beschäftigt. Da Papier weder fett- noch wasserbeständig ist, muss es bei Verwendung als Verpackungsmaterial für Lebensmittel mit einer Oberflächenbeschichtung versehen werden. Oft besteht diese Kunststofffolie aus Polylactid (PLA), einer Art Biokunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais.

Das Team um Bethanie Carney Almroth setzte bei der im Fachjournal „Environmental Pollution“ vorgestellten Studie Mückenlarven der Art Chironomus riparius Wasser und Sediment aus, in dem ein bis vier Wochen lang Teile von Bechern sowie Deckeln dafür aus Polypropylen oder Polystyrol sowie Polylactid und Papier gelegen hatten. 

Chironomus riparius ist demnach eine Modellart für toxikologische Studien und repräsentiert eine wichtige Gruppe von Wasserorganismen, die für Ökosysteme von entscheidender Bedeutung sind. „Alle Becher wirkten sich negativ auf das Wachstum der Mückenlarven aus“, sagt Carney Almroth.

Für die Gesundheit: Von Einweg zu Mehrweg

Aus dem Material gelangen demnach verschiedene schädliche Substanzen in die Umgebung. „Lebensmittelverpackungen auf Papierbasis können hohe Mengen an per- und polyfluorierten Alkylverbindungen enthalten“, heißt es in der Studie unter anderem. 

Der Effekt war umso größer, je länger das Material im Wasser oder Sediment gelegen hatte. „Biokunststoffe enthalten mindestens genauso viele Chemikalien wie herkömmliche Kunststoffe“, sagt Carney Almroth. Zudem bauten sich Biokunststoffe nicht effektiv ab, daraus resultierendes Mikroplastik werde von Lebewesen aufgenommen wie bei anderen Kunststoffen auch.

„Auch Papierverpackungen stellen im Vergleich zu anderen Materialien ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar, und sie werden immer häufiger verwendet“, betont die Wissenschaftlerin. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Wegwerfprodukte auf den Markt gekommen und in großen Kampagnen beworben worden – von diesem falschen Weg müsse die Menschheit nun wieder weg. Es gelte, sich vom Wegwerf-Lebensstil zu verabschieden – für die Umwelt und für die eigene Gesundheit. Quelle: dpa / mia