Initiative des Bundesgesundheitsministeriums: Mehr Unterstützung für Long-COVID-Betroffene
Für Menschen mit langwierigen Beeinträchtigungen nach Corona-Infektionen sollen mehr Unterstützungsangebote in Sicht kommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellte am Mittwoch ein Long-COVID-Programm vor, das unter anderem ein Informationsportal und 40 Millionen Euro als Forschungsförderung vorsieht. „Für Menschen mit Long COVID ist die Pandemie leider noch nicht beendet“, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Sie litten unter den Folgen, warteten auf Forschungsergebnisse, Therapien und gute Versorgung. Die Initiative soll auch einen Anstoß geben, dass sich mehr Ärztinnen und Ärzte engagieren – denn Anlaufstellen sind rar und Wartezeiten oft lang. Dabei sei davon auszugehen, dass zwischen 6 und 15 Prozent der Infizierten an Long COVID erkranken. Darunter versteht man teils schwere Beschwerden, die nach einer akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen oder dann neu auftreten. Post-COVID beschreibt das Krankheitsbild mehr als zwölf Wochen nach einer Corona-Infektion.
Drei Elemente der Long-COVID-Initiative
- Information: Auf dem neuen Internetportal (www.bmg-longCOVID.de) sollen Empfehlungen zur Behandlung und Erkenntnisse zum Stand der Wissenschaft abrufbar sein – sowie auch Angaben, wo man Angebote in Kliniken und Praxen finden kann. Informationen gibt es demnach jeweils für Erkrankte, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch für Ärztinnen und Ärzte. Denn Spezialsprechstunden für Menschen mit Long COVID gibt es bisher zu wenig, wie Lauterbach erläuterte.
- Forschung: Für die Förderung von Modellprojekten zu Versorgungs- und Behandlungskonzepten sollen 21 Millionen Euro aus dem Bundesetat 2024 bereitgestellt werden. Weitere 20 Millionen Euro sollen über einen Fonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen mobilisiert werden. Angepeilt waren einst 100 Millionen Euro, wie Lauterbach selbst einräumte. In der prekären Haushaltslage seien die insgesamt 40 Millionen Euro aber „eine große Initiative“.
- Vernetzung: Am 12. September plant Lauterbach einen „Runden Tisch“ mit verschiedenen Akteuren – etwa Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen, Pharmabranche und Selbsthilfe-Organisationen. Weitere Runden sollen folgen. Es gehe darum, Experten und Betroffene zusammenzubringen, um Ideen für eine bessere Versorgung zu entwickeln, sagte der Minister.
335.000 Menschen mit Long COVID in Behandlung
Der Bedarf an Forschung, neuen Medikamenten und besserer Betreuung ist groß, wie Fachleute seit längerem mahnen. Krankheitsbilder nach Infektionen habe es schon vor der Pandemie gegeben – nun sei es aber eine neue Dimension, sagte die Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité, Carmen Scheibenbogen. Momentan sei nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer von 30 Europäern an Long COVID erkrankt, auf Deutschland umgerechnet seien das 2,5 Millionen Menschen. Mit Post-COVID waren Ende vergangenen Jahres knapp 335.000 Menschen in Arztpraxen in Behandlung, teilte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) nach Abrechnungsdaten mit.
Die Krankheitssymptome sind uneinheitlich: von anhaltender Schwäche und Erschöpfung, teils verstärkt schon bei leichten Belastungen, über Probleme beim Atmen bis zu Herz-Kreislauf-Beschwerden. Manche Betroffene können auch nicht mehr berufstätig sein. Dabei gibt es noch kein flächendeckendes Netz von Anlaufstellen. Scheibenbogen appellierte an Ärzte, sich fortzubilden und Betroffenen zumindest eine Grundversorgung zukommen zu lassen. Mit dem Behandeln von Schmerzen oder Schlafstörungen könne vielen schon geholfen werden.
Die Ursachen von Post-COVID mit Corona-Spürhunden aufklären
Einen Forschungsansatz im Kampf gegen Long COVID verfolgt derzeit beispielsweise ein Team aus Human- und Tiermedizin in dem Projekt „Dogolomics“. Sie wollen den Ursachen von Post-COVID auf die Spur kommen, indem sie herausfinden, welche Stoffe die Hunde riechen. Damit möchten sie die Grundlage für eine verbesserte Diagnostik für diese schwer diagnostizierbare Erkrankung legen.
Die Ursachen für das Post-COVID-Syndrom sind bisher nicht geklärt. Da ausgebildete Corona-Spürhunde in der Lage sind, Proben von Post-COVID-Betroffenen von denen gesunder Menschen zu unterscheiden, wird ein Team aus Forschenden der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der TU Braunschweig untersuchen, welche Stoffe die Hunde riechen.
Es ist das Ziel der Forschenden zu klären, ob virale Überreste oder veränderte Stoffwechselprozesse an der Entstehung von Post-COVID beteiligt sind. Das Projekt „Detektion und Entschlüsselung von Post COVID mit Hunden, Metabolomik und Machine Learning (COVID Dogolomics)“ ist Teil der aktuellen Förderrunde des COVID-19-Forschungsnetzwerks Niedersachsen (COFONI): Mit mehr als sieben Millionen Euro fördert COFONI ab dem 1. Juli 2023 vierzehn interdisziplinäre niedersächsische Kooperationsprojekte, um die medizinischen und die gesellschaftlichen Langzeitfolgen der SARS-CoV-2-Pandemie zu erforschen. Die Fördermittel stellt das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) für die Forschungsvorhaben zur Verfügung.
Hunde erkannten Proben von Post-COVID-Patienten
Ein Team aus der Klinik für Kleintiere der TiHo veröffentlichte bereits vor einem Jahr eine Studie, die zeigte, dass Hunde Proben von Post-COVID-19-Patienten erkennen können. Die Hunde waren zuvor mit Proben von SARS-CoV-2-infizierten Personen trainiert worden und zeigten diese Proben mit hoher Genauigkeit an. Die Tiere riechen vermutlich nicht die Viren selbst, sondern flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC), die durch die Stoffwechselvorgänge während einer Virusinfektion entstehen. „Auch, wenn wir noch nicht entschlüsselt haben, wie Hunde Corona so präzise erschnüffeln können, sind wir uns sicher, dass Sie uns helfen werden, das Post-COVID-Syndrom weiter zu erklären und damit die zukünftige Diagnostik zu verbessern.“
„Dogolomics wird stark von unserem Projekt DEFEAT Corona profitieren, über das wir schon viele Menschen mit Post-COVID erreichen und untersuchen konnten“, sagt Professorin Dr. Alexandra Dopfer-Jablonka aus der MHH-Klinik für Rheumatologie und Immunologie. „Wir sind stolz und hoch motiviert, Teil eines großartigen niedersächsischen Teams zu sein, in dem wir alle unsere Erfahrung und unser Können vereinen. Gemeinsam wollen wir versuchen, das schwierige Thema Post-COVID in einem wirklich einzigartigen Ansatz zu entschlüsseln“, fügt ihr Kollege Professor Dr. Georg Behrens hinzu.
Unterscheidung von Post-COVID-, Sjögren- und Chronischem Fatigue-Syndrom
Das Forschungsteam will prüfen, ob Corona-Spürhunde Proben der drei Erkrankungen untereinander und von denen gesunder Kontrollpersonen unterscheiden können. Das interdisziplinäre Forschungsteam wird aufgrund bereits laufender Forschungsprojekte auf gut definierte Post-COVID-, Sjögren- und CF-Syndrom-Patientenkohorten zurückgreifen können.
Das Ziel ist es, die von den Hunden erkannte zentrale Geruchsstruktur von Post-COVID zu entschlüsseln. Dafür werden die Forschenden sämtliche Stoffwechselprodukte isolieren und untersuchen (Metabolomik). Sie werden die Hunde in der Folge einzelne Moleküle oder Kombinationen in Vergleich zu echten biologischen Proben erschnüffeln lassen.
Ist bekannt, welche Moleküle involviert sind, wäre es möglich, umprogrammierte Stoffwechselwege bei Post-COVID-Betroffenen zu identifizieren. Das könnte den Grundstein für eine schnelle und zuverlässige Diagnose legen. Quellen: dpa, LifePR