Niedriges Impfniveau: FSME: Zu wenig lassen sich impfen
Nach wie vor treten die meisten Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) in den südlichen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern auf. Hier liegen die meisten FSME-Risikogebiete. Weitere Risikogebiete befinden sich unter anderem im südlichen Hessen und im südöstlichen Thüringen und in Sachsen.
Das heißt aber nicht, dass anderswo kein FSME-Risiko besteht. Es bedeutet nur, dass in anderen Regionen Deutschlands die Zahl der gemeldeten Fälle deutlich niedriger liegt.
Ganz Deutschland ein FSME-Endemiegebiet
Auch in Bundesländern ohne FSME-Risikogebiete wurden im vergangenen Jahr vereinzelt FSME-Erkrankungen beobachtet. „Wir können für keine Region in Deutschland Entwarnung geben“, konstatiert die Zecken-Forscherin Prof. Dr. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. Ganz Deutschland müsse inzwischen als Endemiegebiet gelten, betont die Expertin.
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat im Epidemiologischen Bulletin 9/2024 (Stand: Januar 2024) zwei neue Land- bzw. Stadtkreise zu Risikogebieten erklärt: den Landkreis Altenburger Land in Thüringen sowie den Stadtkreis Frankfurt (Oder) in Brandenburg. Damit sind nun insgesamt 180 Kreise in Deutschland als FSME-Risikogebiete ausgewiesen.
Klimawandel begünstigt Ausbreitung von Zecken und FSME
Die Zecke (der Gemeine Holzbock, Ixodes ricinus) überträgt durch ihren Stich das FSME-Virus. Seit einigen Jahren zeigen die Spinnentierchen eine zunehmende Aktivität.
Mutmaßlich aufgrund des Klimawandels sind die kleinen Blutsauger immer früher im Jahr anzutreffen oder sind sogar ganzjährig aktiv. „Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch einmal wochenlang andauern“, erklärt Professorin Mackenstedt. Ein paar Tage Frost im Winter reichen nicht.
Zecken sind aber nicht nur jahreszeitlich, sondern auch räumlich gesehen aktiver geworden. So erobern sie inzwischen Regionen, die früher als zeckenfrei galten. Das betrifft vor allem Bergregionen bis 1.200 Meter. Hier kommen heute stabile Zeckenpopulationen vor.
FSME-Erkrankung nicht unterschätzen
Die Anzahl der jährlich gemeldeten FSME-Fälle ist schwankend und bewegt sich zwischen circa 200 und 700. Seit einigen Jahren zeigt sich eine steigende Tendenz. Im vergangenen Jahr erkrankten laut RKI-Meldedaten 475 Menschen an FSME. Für dieses Jahr wurden bislang (Stand: 18. November 2024) 624 FSME-Fälle deutschlandweit gemeldet.
Die Schwankungen werden laut RKI durch klimatische und ökologische Faktoren beeinflusst, die die Aktivität und den Lebenszyklus der Zecken sowie die Populationen der Wirtstiere bestimmen. Auch das Freizeitverhalten der Menschen kann das Infektionsrisiko erhöhen.
Die FSME sollte als Erkrankung nicht unterschätzt werden, warnt Prof. Dr. Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr. Sogar bei Kindern könne sie einen schweren Verlauf nehmen.
Bei ihnen werde häufig von einem uncharakteristischen Krankheitsbeginn berichtet, beispielsweise mit Symptomen wie bei einer Sommergrippe oder gar mit Darmsymptomen. Das führe immer wieder zu verspäteten Diagnosen.
Gut zu wissen: FSME-Erkrankung
Ein Großteil der FSME-Infektionen verläuft symptomlos oder mild. Kommt es jedoch zur Erkrankung, macht sich diese nach einer Inkubationszeit von circa sieben bis 14 Tagen bemerkbar. Dann treten meist grippeähnliche Symptome auf. Wenn diese abklingen, kann die Infektion überstanden sein. Doch bei etwa zehn Prozent der Infizierten kommt es im Anschluss zu neurologischen Komplikationen wie
- Hirnhaut- oder Gehirnentzündung mit hohem Fieber,
- starken Kopfschmerzen,
- Nackensteifigkeit und
- Bewusstseinsstörungen.
Diese Symptome können monatelang anhalten. Etwa ein Prozent der Fälle endet tödlich.
Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt eine FSME-Impfung für Personen, die in FSME-Risikogebieten zeckenexponiert sind. Auch in den Risikogebieten bewegen sich die Impfquoten auf niedrigem Niveau – insbesondere bei den über 60-Jährigen. Gerade diese Altersklasse hat ein deutlich erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung.
Fast alle Erkrankten ohne Impfschutz
Laut RKI waren 99 Prozent der 2023 gemeldeten FSME-Erkrankten gar nicht oder unzureichend geimpft. Ein hoher Anteil der auftretenden FSME-Erkrankungen könnte nach Expertenmeinung wahrscheinlich durch höhere Impfquoten – insbesondere in FSME-Risikogebieten – verhindert werden. Vor allem dort sollte die Bevölkerung verstärkt über den Nutzen einer FSME-Impfung aufgeklärt werden.
Niedrige Impfzahlen in Risikogebieten
Auch Krankenkassen warnen vor der steigenden Zahl an FSME-Erkrankungen bei gleichzeitig niedrigem Impfniveau. So meldet etwa die BKK VBU einen Anstieg der FSME-Diagnosen ihrer Versicherten um fast ein Viertel vom Jahr 2019 bis zum Jahr 2022.
Dennoch seien die bundesweiten Impfzahlen auf niedrigem Niveau. 2020 lag die Impfquote bei etwa 19 Prozent. In den Risikogebieten schwankte sie jedoch sehr stark (zwischen 7,5 und 39,1 Prozent bei Erwachsenen und zwischen 14,1 und 52,4 Prozent bei Kindern).
Eine vollständige Auswertung der nachfolgenden Jahre ist seitens des RKI für Ende 2024 geplant.
Voller Impfschutz nach drei Impfstoffdosen
Für den vollen FSME-Impfschutz sind drei Impfungen erforderlich. Nach der ersten erfolgt die zweite Impfung ein bis drei Monate später, die dritte Impfung fünf bis zwölf Monate danach.
Durch Impfung nach einem Schnellschema kann ein Impfschutz auch kurzfristig erreicht werden, zum Beispiel vor einer Reise in ein Risikogebiet. Eine Auffrischimpfung wird je nach Alter nach drei bzw. fünf Jahren empfohlen, bei einer Schnellimmunisierung bereits früher. Quellen:
Universität Hohenheim; Robert Koch-Institut (RKI); BKK VBU
Gut zu wissen: Anstieg der Borreliose-Fälle
Neben FSME übertragen Zecken auch die von Bakterien verursachte Lyme-Borreliose. Borreliose kommt in ganz Deutschland vor, es gibt aber keine bundesweite Meldepflicht.
Auch bei Borreliose verzeichnete das RKI in diesem Jahr mehr Fälle: Bislang wurden 9.730 Fälle gemeldet, im Vorjahr waren es insgesamt 9601.
Unbehandelt kann Borreliose zu Entzündungen der Gelenke, des Herzmuskels und des Nervensystems führen. Bisher gibt es keine Schutzimpfung. Quelle: dpa / mia