Zum Welt-Aids-Tag 2022: HIV: Ungleichheiten beenden und Prävention erleichtern
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen und Aids-bedingter Todesfälle steigt in einigen Teilen der Welt an. In Deutschland lag die Zahl der Neuinfektionen im Jahr 2021 wie im Vorjahr bei 1.800 Fällen, dies veröffentlichte das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Epidemiologischen Bulletin. Demnach wissen zudem rund 8.600 Menschen nicht, dass sie mit HIV leben.
Das UN-Programm für die Bekämpfung von Aids (UNAIDS) erklärt in einer Analyse anlässlich des Welt-Aids-Tags, dass Ungleichheiten der Hauptgrund für die mangelnden Fortschritte seien. Dabei gehe es vor allem um geschlechtsspezifische Ungleichheiten, Ungleichheiten bei Schlüsselgruppen wie Homosexuellen und Ungleichheiten zwischen Kindern und Erwachsenen.
Welt-Aids-Tag 2022
Jährlich findet am 1. Dezember der Welt-Aids-Tag statt. Mit dem diesjährigen Motto „Equalize“ („Ungleichheiten beenden“) soll daran erinnert werden, dass soziale Ungleichheiten die HIV-Epidemie verstärken und die Menschen somit einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind.
Anlässlich des Aktionstags startet unter anderem die Deutsche Aidshilfe (DAH) eine Kampagne und sucht HIV-positive Menschen, die von sich und ihrem Leben mit HIV erzählen möchten. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der DAH.
Angesichts des derzeitigen Trends könnten die vereinbarten globalen Ziele nicht erreicht werden, hieß es von UNAIDS. Bis 2030 hatte man erreichen wollen, dass 95 Prozent der infizierten Menschen ihren HIV-Status kennen. Davon sollten 95 Prozent eine Therapie erhalten und wiederum 95 Prozent davon sollten unter antiviraler Therapie einen Abfall der Viruslast unter die Nachweisgrenze erreichen – was eine Übertragung des Virus viel unwahrscheinlicher macht.
Gewalt durch Intimpartner erhöht HIV-Risiko um 50%
In bestimmten Regionen, in denen HIV weit verbreitet sei, hätten Frauen etwa aufgrund von Gewalt durch Intimpartner eine bis zu 50 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren. In 33 Ländern weltweit konnten demnach zwischen 2015 und 2021 nur 41 Prozent aller verheirateten Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren eigene Entscheidungen über ihre sexuelle Gesundheit treffen.
Ansteckungen bei Frauen in Afrika südlich der Sahara machten im Jahr 2021 rund 63 Prozent aller HIV-Neuinfektionen weltweit aus. Mädchen und junge Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren infizierten sich dreimal häufiger mit HIV als Jungen und junge Männer dieser Altersgruppe.
Anstieg bei Drogenkonsumenten
Seit 2010 steigt auch die Zahl der HIV-Neuinfektionen bei Konsumenten intravenöser Drogen. Im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 320 Neuinfektionen. Auch die Zahl der Menschen ohne Diagnose ist in dieser Gruppe gestiegen.
Die erhöhte Zahl fällt mit einem Rückgang der verteilten sterilen Spritzen vor Ort zusammen. In der Konsumutensilien-Erhebung des RKI von 2021 gaben mehr als ein Drittel der Drogenhilfe-Einrichtungen an, dass ihr Budget nicht für eine angemessene Versorgung ausgereicht habe. Hintergrund ist ein Rückgang der Finanzierung von Drogen- und Aidshilfeeinrichtungen, da Kostensteigerungen seit Jahren nicht ausgeglichen werden. Diese Anlaufstellen sind häufig auch für HIV-Testangebote zuständig.
Winfried Holz, Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH), erklärt, dass sich die „Vernachlässigung der Drogenhilfe in den Ländern und Kommunen in den nächsten Jahren in weiter steigenden Infektionszahlen niederschlagen wird und wieder mehr infizierte Menschen ohne Diagnose bleiben“. „Unbehandelte Infektionen führen zu schweren Erkrankungen und weiteren Infektionen. Wir brauchen dringend eine solide Finanzierung“, erklärt Holz weiter.
Diskriminierung als weitere Hürde
Eine weitere Hürde zur Beendigung von Aids sei Diskriminierung, hieß es von dem UN-Programm weiter. Bei den Neuinfektionen unter homosexuellen Männern gebe es vor allem in Afrika südlich der Sahara keinen signifikanten Rückgang. Weltweit kriminalisierten nach Angaben von UNAIDS noch immer fast 70 Länder gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen. Sexarbeiter in Ländern, in denen ihre Arbeit kriminalisiert sei, hätten aufgrund von Diskriminierung eine siebenmal höhere Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren, als in Ländern, in denen Sexarbeit legal oder teilweise legalisiert sei.
Kinder haben nur geringen Zugang zu Arzneimitteln
UNAIDS mahnt auch, dass Kinder zu wenig Zugang zu lebensrettenden Medikamenten hätten. Während weltweit mehr als drei Viertel der HIV-infizierten Erwachsenen eine antiretrovirale Therapie erhielten, werde nur gut die Hälfte aller HIV-infizierten Kinder dementsprechend behandelt. Folglich sei der Prozentsatz Aids-bedingter Todesfälle bei Kindern vergleichsweise hoch.
Testangebote ausbauen und mehr finanzielle Mittel
In Deutschland wird immer noch ein Drittel der HIV-Diagnosen (etwa 800 von 2.400) erst gestellt, wenn bereits Aids oder ein fortgeschrittener Immundefekt aufgetreten ist. Wichtig sind vor allem maßgeschneiderte Testangebote, etwa in den Checkpoints der Aidshilfen. Eine frühe Diagnose ermöglicht einen frühen Therapiebeginn und so werden auch weitere HIV-Übertragungen verhindert. „Leicht erreichbare, diskriminierungsfreie Testangebote mit Anbindung an die Lebenswelten der besonders stark betroffenen Gruppen müssen dringend weiter ausgebaut werden – insbesondere für intravenös Drogen konsumierende Menschen“, betont auch DAH-Medizinreferent Schmidt.
Auch finanzielle Engpässe machten es bislang schwer, Ungleichheiten anzugehen, so UNAIDS. Im Vorjahr hätten in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen acht Milliarden Dollar (7,7 Milliarden Euro) für HIV-Programme gefehlt. In dem Jahr starben demnach rund 650.000 Menschen an Aids, etwa 1,5 Millionen Menschen infizierten sich mit HIV. Quelle: Pressemitteilung Deutsche Aidshilfe, dpa / vs