Flirt oder sexuelle Belästigung in der Apotheke?
Kaum ein Thema ist stärker geprägt von persönlichen Emotionen und Erfahrungen als die Interaktion zwischen Mann und Frau. Die Grenzen zwischen einem erheiternden Flirt und einer sexuellen Belästigung, sei es im Arbeitsleben oder auch im privaten Bereich, sind fließend. Sexuelle Belästigung ist eine Gewalthandlung, die in den häufigsten Fällen auf einer verbalen und emotionalen Ebene ausgeführt und deshalb nicht selten als etwas Harmloses abgetan wird.
Vertrauensmissbrauch im Arbeitsumfeld
Der Umgang mit Personen, die offensichtlich Grenzen überschreiten, z. B. durch öffentlich ausgeführte sexuelle Handlungen, Sich-nackt-Zeigen etc., ist gesellschaftlich und juristisch geregelt. Wesentlich schwieriger ist allerdings der Umgang mit implizit sexuell gefärbtem Verhalten unter vertrauten Menschen – Kunden, Kollegen, Vorgesetzten oder Auftraggebern. Geht die Belästigung von diesen Personengruppen aus, bringt dies negative Folgen für eine weitere Zusammenarbeit mit sich.
Sexuelle Belästigung kennt viele Ausdrucksformen. Sie reicht von anzüglichen Bemerkungen, obszönen Witzen, aufdringlichen Fragen, nächtlichen Anrufen im Notdienst, dem Verschicken von Bildern sexuellen Inhalts bis hin zu unerwünschten, „zufälligen“ Berührungen oder sogar eindeutigen Angeboten.
Das können Betroffene tun:
- Unangemessene Berührungen, sexuell gefärbte Handlungen oder Sprüche niemals ignorieren oder wie einen Scherz behandeln.
- Mit deutlichen Worten darauf reagieren, unabhängig davon, von wem die Belästigung ausgeht.
- Bei einer Vertrauensperson Rat einholen (Apothekenleitung, Kollegen oder andere Anlaufstellen).
- Im Team über den Vorfall reden.
- Sämtliche sexuelle Übergriffe dokumentieren.
Flirt am Arbeitsplatz: ein Tabu?
Im Berufsleben kann Austausch mit anderen Menschen sehr bereichernd sein und den Alltag angenehmer machen. Eine nette und humorvolle Unterhaltung fördert die Ausschüttung der Glückshormone und entstresst. Niveauvoller Humor und Witz sind durchaus ein Ausdruck der Kreativität und auch des Intellektes – anders ist es allerdings bei Witzen, die auf der Ebene der Sexualität angesiedelt sind. Auch wenn das Flirten im Alltag nett ist, sollte diese Art der Kommunikation am Arbeitsplatz nicht stattfinden. Denn der Grat zwischen Flirt und sexueller Belästigung ist schmal – auch wenn es klare Unterschiede zwischen diesen beiden Arten der zwischenmenschlichen Kommunikation gibt.
Der Flirt ermöglicht grundsätzlich eine gewisse Annäherung im emotionalen Sinne und beruht in der Regel auf Gegenseitigkeit. Allerdings erhöht Flirten deutlich das Risiko unerwünschter sexueller Handlungen und die Überschreitung der persönlichen Grenzen: Wer flirtet, sollte daher daran denken, dass das Verhalten Konsequenzen haben kann.
Zum einen kann Flirten am Arbeitsplatz schnell für Außenstehende belästigend und unangenehm sein, zum anderen kann das „harmlose“ Flirten falsch gedeutet werden im Sinne von ernsten Absichten oder Liebe. Und: Es ist für alle Beteiligten fairer und auch dem Arbeitgeber gegenüber loyaler den Aufbau einer Beziehung mit einem Kollegen oder einer Kollegin in die Freizeit zu verlagern.
„Es war ja nur ein Witz! – Stell Dich nicht so an!“
Anzügliches Verhalten ist kein Ausdruck von Sympathie oder vertrauter Freundschaft, sondern eine reine Befriedigung der eigenen Wünsche des Täters. Die Gründe können vielfältig sein – von der Suche nach eigener Bestätigung über eine narzisstische Persönlichkeitsstörung bis hin zu Machtausübung. Sexuelle Belästigung kann ein Zeichen der Einflussnahme sein: Menschen, die sich in einer höheren beruflichen Position befinden, oder auch Kunden nutzen nicht selten ihren Rang und Einfluss. Täter definieren gerne ihre Grenzen selbst, ohne Rücksicht auf die Intimsphäre des Gegenübers, und sehen sich nicht selten selbst als Opfer, wenn sie auf Kritik stoßen. Man spricht von Täter-Opfer-Umkehr.
Auf Einwände regieren Täter aggressiv, betrachten diese als ungerechte Anschuldigungen oder Anmaßungen und bezeichnen ihre Opfer als humorlose sowie unflexible Personen. Opfer erleiden häufig nicht nur die Belästigung am Arbeitsplatz, sondern ziehen sich auch zunehmend beruflich zurück oder vermeiden eine weitere Zusammenarbeit.
Arbeitgeber darf das Problem nicht ignorieren
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beschäftigten vor (sexuellen) Belästigungen zu schützen, und darf das Problem nicht klein reden oder gar tolerieren. Auch darf der Vorgesetzte die Betroffenen mit diesem Problem nicht allein lassen. Er muss dafür Sorge tragen, dass für Mitarbeitende in Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Ansprechpersonen zur Verfügung stehen. Als Beschäftigte haben Sie daher das Recht, eine Lösung seitens des Vorgesetzten zu erwarten. Lösungsstrategien und effektive Maßnahmen im Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gibt es zudem bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Hilfe online finden
Ortsnahe Ansprechpartner können Betroffene online in der Datenbank des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland finden: