Neues Tierarzneimittelgesetz (TAMG) : Humanarzneimittel für Tiere nur noch auf Rezept
Das neue TAMG, das vergangenen Freitag (28.01.20222) in Kraft trat, ist für ein so umfangreiches Werk in erstaunlich kurzer Zeit entstanden. Der erste Entwurf stammt vom Januar 2021. Doch die Zeit drängte, weil seit Ende Januar die Verordnung (EU) 2019/6 gilt, an die das nationale Recht angepasst werden musste.
Daraufhin werden die tierarzneimittelrechtlichen Vorschriften aus dem Arzneimittelgesetz (AMG) entfernt. Für Tierarzneimittel müssen nun das TAMG und die EU-Verordnung zusammen betrachtet werden, weil das Gesetz vielfach auf die EU-Verordnung verweist.
Bei den teilweise hitzigen Diskussionen über die Formulierung des TAMG ging es besonders um die kontroversen Themen Antibiotikaeinsatz und Versand von Tierarzneimitteln.
Humanarzneimittel nur noch auf Rezept
Dabei sind andere Aspekte etwas aus dem Blickfeld geraten und erlangen erst jetzt Aufmerksamkeit. Einer davon dürfte im Apothekenalltag zu einer neuen problematischen Hürde werden.
Dabei geht es um § 50 Abs. 2 TAMG, dessen Folgen bisher noch kaum thematisiert wurden. Die Vorschrift lautet:
§ 50 Abs. 2 TAMG
„Tierhalterinnen und Tierhalter sowie andere Personen, die nicht Tierärztinnen oder Tierärzte sind, dürfen verschreibungspflichtige Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte sowie Arzneimittel nach § 2 Absatz 1, 2 und 3a des Arzneimittelgesetzes bei Tieren nur anwenden, soweit
- diese von einer Tierärztin oder einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden sind, bei der oder dem sich die Tiere in Behandlung befinden,
und - die Anwendung gemäß einer tierärztlichen Behandlungsanweisung, die die Tierärztin oder der Tierarzt für den betreffenden Fall ausgehändigt hat, erfolgt.“
Humanarzneimittel sind Arzneimittel nach § 2 Abs. 1, 2 oder 3a AMG. Damit dürfen Tierhalter auch nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel nur noch dann beispielsweise bei Hunden oder Katzen anwenden, wenn sie vom Tierarzt für dieses Tier verordnet wurden.
Apotheken müssen Kunden auf Vorschrift hinweisen
Apotheken werden nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich angesprochen. Doch wenn Kunden beim Kauf eines Arzneimittels über die Absicht einer rechtlich unzulässigen Nutzung sprechen, ist das stets ein Abgabehindernis. Eine Beratung zu einem unzulässigen Zweck scheidet ebenfalls aus. Stattdessen wird dann eine tierärztliche Verordnung nötig, die bei allen Beteiligten den bürokratischen Aufwand erhöht.
Strengere Handhabung bei Arzneimittelzulassungen
Hintergrund dieser Regelung ist offenbar der insgesamt strengere Umgang mit den Inhalten der Zulassungen von Arzneimitteln im neuen europäischen Tierarzneimittelrecht, das auch das TAMG prägt.
Daraufhin wird der Einsatz von Arzneimitteln, die nicht für Tiere zugelassen sind, strenger geregelt. Auch den Tierärzten werden Abweichungen von den Zulassungen nun erheblich erschwert. Beispielsweise dürfen sie individuelle Dosierungen, die von den Packungsbeilagen der Tierarzneimittel abweichen, nicht mehr verordnen.
Umwidmungsregel ebenfalls neu
Nach der bisherigen Rechtslage ergaben sich die Regelungen zur Anwendung von Arzneimitteln bei Tierarten, die in der Zulassung nicht erfasst sind, aus der Umwidmungskaskade gemäß § 56a Abs. 2 AMG.
Diese Vorschrift adressierte jedoch nur Tierärzte und nicht Apotheker oder Tierhalter. Die Umwidmung durch Tierärzte wird durch das neue Recht ebenfalls neu geregelt. Zusätzlich gibt es nun jedoch den § 50 Abs. 2 TAMG, der sich ausdrücklich an Tierhalter wendet, aber auch alle anderen Personen außer Tierärzten adressiert.
Tierheilpraktiker klagen
Die neue Regelung trifft damit beispielsweise auch Tierheilpraktiker, die bisher vielfach homöopathische Arzneimittel eingesetzt haben, die zur Anwendung am Menschen bestimmt sind.
Doch nun dürfen Tierheilpraktiker und Tierhalter solche Humanhomöopathika nicht mehr anwenden oder verordnen. Daraufhin haben einige Tierheilpraktiker bereits Verfassungsbeschwerde wegen der Einschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit eingelegt, berichtet der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der nach eigenen Angaben vom Bundesverfassungsgericht um eine Stellungnahme dazu gebeten wurde.
Insbesondere solle beantwortet werden, ob empirische Erkenntnisse über Gefahren für Menschen, Tiere oder die Umwelt durch den Einsatz nicht verschreibungspflichtiger, registrierter Humanhomöopathika bei Nicht-Lebensmittel-Tieren vorliegen. Außerdem solle beantwortet werden, welche Vorteile eine gesetzlich auf Tierärzte beschränkte Anwendung dieser Arzneimittel bei Nicht-Lebensmittel-Tieren habe.
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt
Es wurde auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Dem erteilten die Karlsruher Richter jedoch eine Absage, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet.
Die angeführten Gründe seien nach Angaben des Karlsruher Gerichts nicht schwerwiegend genug, um den Vollzug des Gesetzes zu stoppen. Die Argumente würden im regulären Verfassungsbeschwerdeverfahren überprüft (Az. 1 BvR 2380/21 u.a.). Wann das Gericht in der Hauptsache entscheidet, ist laut dpa noch offen.
Was regelt das TAMG außerdem neu?
Als weitere Folge des neuen europäischen Tierarzneimittelrechts muss das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft noch einige Vorschriften erlassen bzw. anpassen.
Ein Referentenentwurf dazu liegt bereits vor. Er enthält jedoch noch nicht die wohl mit größerer Spannung erwartete Verordnung gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 11 TAMG. Mit einer solchen Verordnung können Ausnahmen vom Versandverbot für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel zugelassen werden, soweit es um den inländischen Versand und die Behandlung bestimmter Tierarten geht. Bisher existiert eine solche Verordnung jedoch nicht.
Damit ist der Versand von verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln in Deutschland nun verboten. Außerdem ist der grenzüberschreitende Versand nach dem neuen EU-Tierarzneimittelrecht untersagt – und dazu ist keine Ausnahmemöglichkeit vorgesehen.