Anti-Wurmmittel Ivermectin: Experten warnen vor Wurmmittel gegen Corona
„Sie sind kein Pferd. Sie sind keine Kuh“, twittert im Spätsommer die US-Arzneimittelbehörde FDA. Seinerzeit wächst das Interesse an einem Arzneistoff namens Ivermectin zur COVID-19-Behandlung beim Menschen. Der Hype hält in bestimmten Foren und Kanälen bis heute an. Genutzt wird das Arzneimittel gegen den Befall mit Parasiten und Würmern. In Europa ist es vor allem aus der Krätze-Behandlung bekannt.
Seit gut einem Jahr wird Ivermectin aber auch als „Wundermittel“ zur Vorbeugung und Therapie von COVID-19 gehandelt. Dabei warnt das Robert Koch-Institut ausdrücklich vor der Einnahme von Ivermectin, da es zu schweren Vergiftungen führen kann.
Gut zu wissen: Wofür wird Ivermectin verwendet?
Bei Tieren wird Ivermectin in Form von Injektionen oder Pasten zur Behandlung bei Parasitenbefall verwendet. Für große und schwere Lebewesen wie Kühe oder Pferde in hohen Dosen. Bei Menschen wird Ivermectin gegen bestimmte Fadenwürmer und Krätzemilben eingesetzt.
Laut Packungsbeilage kann die Verwendung des Medikaments zu Lebererkrankungen, Blut im Urin, Übelkeit, Erbrechen, Zittern, Atembeschwerden, Gleichgewichtsstörungen oder Krampfanfällen führen.
Gegen COVID-19 ist das Medikament weder zugelassen noch sehen Experten eindeutige Effekte gegen COVID-19. Bei falscher Dosierung kann Ivermectin hochgiftig sein und zu Koma oder Tod führen.
RKI: kein Hinweis auf Wirksamkeit gegen COVID-19
Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht bisher keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit von Ivermectin gegen COVID-19 in Bezug auf die Notwendigkeit künstlicher Sauerstoffzufuhr oder die Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion. Dazu verweist die Behörde auf eine übergreifende Analyse von 14 klinischen Studien von Juli 2021.
In dieser schreiben Forscher und Wissenschaftler, die von ihnen betrachteten Studien seien klein und nur teilweise von hoher Qualität. „Wir sind unsicher in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin bei der Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19.“ Insgesamt sprächen die verfügbaren zuverlässigen Erkenntnisse nicht für die Verwendung zur COVID-19-Behandlung.
EMA ist gegen den Einsatz in der Pandemie
Genauso empfiehlt die europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine Ivermectin-Anwendung nur im Rahmen klinischer Untersuchungen. Sie schreibt im März über uneinheitliche Studien-Ergebnisse: Einige hätten keinen Nutzen gezeigt, andere einen möglichen. „Die meisten von der EMA geprüften Studien waren klein und wiesen zusätzliche Einschränkungen auf, darunter unterschiedliche Dosierungen und die Verwendung von Begleitmedikamenten“, begründet die EU-Behörde ihre Entscheidung gegen einen Einsatz in der Pandemie.
WHO: Auswirkungen von Ivermectin ungewiss
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält ihre Einschätzung vom März weiter aufrecht: „Die Auswirkungen von Ivermectin auf Sterblichkeit, künstliche Beatmung, Hospitalisierung, Dauer des Klinikaufenthalts und Virusbeseitigung bleiben ungewiss, da die Beweise für jedes dieser Ergebnisse sehr unsicher sind“, heißt es im September.
Die 16 untersuchten Studien mit insgesamt rund 2.400 Teilnehmern zeigten „ein hohes Risiko für Verzerrungen und eine hohe Ungenauigkeit“.
Steigende Nachfrage in US-Apotheken
Ende August wiesen Experten der US-Gesundheitsbehörde CDC auf immer mehr Anrufe bei Giftnotrufzentralen nach der Einnahme von Ivermectin hin. Der Behörde zufolge gibt es Daten, wonach die Zahl der Verschreibungen in US-Einzelhandelsapotheken von im Schnitt 3.900 pro Woche vor Beginn der Pandemie auf knapp 90.000 Mitte August anstieg.
Kein Wundermittel gegen Corona
Es gibt einzelne Erhebungen, die einen angeblichen Nutzen zeigen, allerdings muss man dabei die Untersuchungen genauer betrachten:
Im Juni heißt es von der Universität Oxford, Ivermectin habe in kleinen Laborstudien vielversprechende Ergebnisse erzielt. Eine frühe Verabreichung reduziere die Viruslast und die Dauer der Symptome bei einigen Patienten mit leichter Erkrankung, so die damalige Annahme. Doch seinerzeit wurde bereits eingeschränkt: Da es nur wenige Belege aus kontrollierten Studien gebe, solle Ivermectin in eine großangelegte Erhebung einbezogen werden, um Aussagekraft zu erhalten.
Im April 2020 wies wiederum eine australische Laborstudie darauf hin, dass Ivermectin in Zellkulturen die SARS-CoV-2-Vermehrung hemmen könnte. Doch Forscher etwa der Donau-Universität im österreichischen Krems ordneten die Ergebnisse folgendermaßen ein: „Die dabei verwendete Dosis lag jedoch weit über jener, die für Menschen als unbedenklich gilt.“
Der Virologe Christoph Steininger von der Medizinischen Universität Wien rät „dringend“ von einer COVID-19-Behandlung mit Ivermectin ab: „Zusätzlich zur fehlenden Zulassung und Wirkung ist die Möglichkeit schwerer Nebenwirkungen zu bedenken.“
Meta-Analysen legen keinen erkennbaren Nutzen dar
Gerade wegen solch diffuser Lagen gibt es sogenannte Meta-Analysen, die Einzeluntersuchungen zusammenfassen. Bisher kommt keine dieser zuverlässigen Übersichtsstudien zu der Erkenntnis, dass bei Ivermectin ein Nutzen gegen COVID-19 erkennbar ist. Und darauf beziehen sich die Festlegungen unter anderem von RKI, WHO und EMA. Quelle: dpa / vs