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Kombi aus Paracetamol und Ibuprofen bald rezeptfrei: Dreifacher OTC-Switch in Planung

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt eine Schmerzmittelkombination aus Paracetamol und Ibuprofen, den Hustenstiller Quimbo und Dexibuprofen aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. | Bild: ratiopharm

Zweimal im Jahr tagt der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim BfArM. Welche Wirkstoffe sollten der Rezeptpflicht unterstellt werden und welche können bei bestimmten Erkrankungen in gewissen Dosierungen auch der Selbstmedikation zugänglich gemacht werden? In der letzten Sitzung am 13. Juli 2021 ging es um drei Wirkstoffe beziehungsweise Wirkstoffkombinationen: 

  • ein kombiniertes Schmerzmittel mit Ibuprofen und Paracetamol,
  • den Hustenstiller Levodropropizin – bekannt als Quimbo® Sirup und Tropfen – und
  • den schmerz- und entzündungshemmenden Wirkstoff Dexibuprofen.

 Wo gibt es einen OTC-Switch – was wird rezeptfrei?

Ibuprofen-Paracetamol-Kombi

Derzeit gibt es Schmerzmittelkombinationen aus Ibuprofen und Paracetamol nur mit ärztlicher Verordnung. Auf dem Markt sind drei Produkte zu finden: Paracetamol/Ibuprofen-ratiopharm 500 mg/200 mg, Paracetamol/Ibuprofen Acino 500 mg/200 mg und Duoval 500 mg/200 mg Filmtabletten von Ever Pharma GmbH. Die Anwendungsgebiete der verschreibungspflichtigen Präparate umfassen die kurzzeitige symptomatische Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen. Nun hat der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht zugestimmt, kombinierte Zubereitungen aus Ibuprofen und Paracetamol zur oralen Anwendung – mit bestimmten Beschränkungen – aus der Verschreibungspflicht zu entlassen.

Stärkere und schnellere Schmerzhemmung

Doch warum kombiniert man Ibuprofen mit Paracetamol? Beide wirken schmerzhemmend und fiebersenkend, Ibuprofen zusätzlich entzündungshemmend. Laut Informationen von Ratiopharm in der Lauer-Taxe ist die Kombination Paracetamol/Ibuprofen „speziell anwendbar für Schmerzen, die eine stärkere Analgesie erfordern als bei alleiniger Anwendung von 400 mg Ibuprofen oder 1.000 mg Paracetamol“ und, wenn eine „schnellere Schmerzlinderung als unter Ibuprofen“ gewünscht ist. Da sich die pharmakologischen Wirkungen von Paracetamol und Ibuprofen hinsichtlich ihres Wirkortes und Wirkmechanismus unterschieden, ergänzten sich die Wirkungen und führten zu einer stärkeren Schmerzhemmung als die alleinige Behandlung mit den jeweiligen Einzelwirkstoffen, so die Erklärung.

Quimbo®: Hustensaft bald ohne Rezept?

Eine positive Empfehlung sprach der Ausschuss auch für den Wirkstoff Levodropropizin in Quimbo® Sirup und Tropfen aus. Levodropropizin zählt zu den nicht-opioiden Antitussiva und hat hustenstillende Eigenschaften, die vorwiegend peripher durch Angriff an Rezeptoren der Atemwege zustandekommen. Zudem soll Levodropropizin bronchienerweiternde und krampflösende Wirkungen besitzen. 

Derzeit ist Quimbo® für Kinder ab zwei Jahren und nur mit ärztlicher Verordnung zugelassen. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht entschied sich nun einstimmig dafür, dass Levodropropizin zur oralen Anwendung auch rezeptfrei erhältlich sein kann. Auch hier gilt: mit bestimmten Beschränkungen, wie beispielsweise ab einem bestimmten Alter. Ab welchem Alter Levodropropizin rezeptfrei wird, ist bislang nicht bekannt.

Dexibuprofen – was ist anders als bei Ibuprofen?

Und noch einmal beschäftigte sich der unabhängige Ausschuss mit einem Schmerzmittel: Dexibuprofen. Derzeit ist der Wirkstoff im verschreibungspflichtigen Präparat Deltaran® 300 mg und 400 mg von Pharmore enthalten. Geht es nach der wissenschaftlichen Einschätzung der Expertengruppe, kann künftig Dexibuprofen rezeptfrei werden: Zur „oralen Anwendung mit bestimmten Beschränkungen“ stimmt der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht mehrheitlich zu, Dexibuprofen aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Welche Dosierungen das betrifft, ist aktuell jedoch noch unklar. 

Doch was ist eigentlich der Unterschied zwischen Ibuprofen und Dexibuprofen? Während Ibuprofen zu gleichen Teilen aus S- und R-Ibuprofen besteht (Racemat) – beide Wirkstoffe sind vom Aufbau identisch, nur spiegelbildlich zueinander –, ist Dexibuprofen reines S-Ibuprofen (Enantiomer). Dieses Prinzip, dass ein sogenannter enantiomerenreiner Wirkstoff neben dem Racemat vermarktet wird, findet man bei Arzneimitteln öfter: beispielsweise Cetirizin und Levocetirizin oder Omeprazol und Esomeprazol. 

Dexibuprofen ist der Teil in Ibuprofen, der hauptsächlich pharmakologisch aktiv ist. Es hemmt die COX-1 und COX-2 etwa 100-mal stärker als R-Ibuprofen. Aus diesem Grund wird Dexibuprofen auch als Arzneimittel angeboten. Die Nebenwirkungen von Ibuprofen und reinem Dexibuprofen sind vergleichbar. 

Wann kommen die neuen OTC-Präparate?

Die Empfehlungen des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht beim BfArM sind nicht rechtlich bindend. Das bedeutet: Noch bedarf es für alle drei oben genannten Präparate eines Rezepts und PTA sowie Apotheker dürfen die Wirkstoffe vorerst nicht für die Selbstmedikation abgeben. Erst wenn das BMG (Bundesgesundheitsministerium) den Empfehlungen des Ausschusses folgt und die Arzneimittelverschreibungsverordnung ändert, ist die gesetzliche Grundlage für die Verschreibungsfreiheit geschaffen. Die geänderte Arzneimittelverschreibungsverordnung soll voraussichtlich frühestens zum 1. Januar 2022 in Kraft treten.