Pandemie Fakten-Check: Teil 3: Wurden saisonale Grippefälle zu COVID-19?
Zum Ende des Winters konnte in sozialen Netzwerken immer wieder die Behauptung gelesen werden, dass die Grippe jetzt einfach COVID-19 hieße und die ganzen Schutzmaßnahmen sowie Warnungen vor einer Überlastung des Gesundheitssystems übertrieben seien.
Bei der hohen Anzahl an Coronafällen in den Wintermonaten handelte es sich in Wirklichkeit um Grippefälle. Die Corona-Pandemie ist einfach nur die saisonale Grippewelle unter einem anderen Namen.“
Grundlage dieser Aussagen war meist eine Grafik mit englischer Beschriftung, die die Anzahl an weltweiten laborbestätigten Grippefällen der vergangenen Jahre miteinander vergleicht. Jedes Jahr ist dort eine deutliche Zunahme an Grippeerkrankten in den Wintermonaten zu sehen, nur zwischen 2020 und 2021 sind praktisch keine Fälle zu erkennen. Als Quelle für die Daten wird unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) genannt. Zahlreiche Corona-Leugner waren sich daraufhin einig, dass es den Erreger SARS-CoV-2 in Wirklichkeit gar nicht gibt. Vielmehr würden die in den Wintermonaten normalerweise auftretenden Grippefälle in diesem Jahr angeblich dazu benutzt, die Corona-Pandemie auszurufen und damit die Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.
Unterschiedliche Erkrankungen
Zunächst einmal handelt es sich bei COVID-19 und Influenza um zwei unterschiedliche Krankheiten, die durch unterschiedliche Viren ausgelöst werden. Beide Erreger können beim Patienten Atemwegserkrankungen auslösen, jedoch unterscheiden sie sich in Symptomen und Krankheitsverlauf. Während die Influenza meist auf die Lunge beschränkt bleibt, können bei COVID-19 zahlreiche andere Organe im Körper befallen werden. Die Komplikations- und Sterberate liegt bei COVID-19 deutlich höher. Die Patienten erkranken häufiger an einem akuten Nierenversagen, sie erleiden eher einen schweren septischen Schock und es kommt deutlich häufiger zu Lungenembolien. Auch das Robert Koch-Institut hat sich bereits im Herbst 2020 dazu geäußert und weist in seinem Epidemiologischen Bulletin auf die höhere Letalität und lange Beatmungsdauer bei COVID-19-Patienten im Vergleich zu Influenza-Fällen hin.
Deutlich weniger Influenza
Richtig ist, dass es im vergangenen Winter deutlich weniger Influenzafälle gab als in den Jahren zuvor. Normalerweise nimmt die Zahl diagnostizierter Grippefälle in den Wintermonaten stark zu und geht meist ab April wieder zurück. Dies liegt unter anderem daran, dass Influenzaviren bei niedrigen Temperaturen und in trockener Luft am stabilsten sind. Hinzu kommt, dass auch die Schleimhäute der oberen Atemwege bei trockener Luft anfälliger für Infektionen sind und sich im Winter mehr Menschen in beheizten, ungelüfteten Räumen aufhalten.
Lockdown-Maßnahmen als Ursache
Tatsache ist auch, dass die Influenzafälle im Winter 2020/21 in Deutschland auf historisch niedrigem Niveau lagen, komplett verschwunden ist die Grippe allerdings nicht. Es gab in dieser Grippesaison nur 519 im Labor bestätigte Influenzafälle, ähnlich sah es in den anderen Ländern der Nordhalbkugel aus. Diese äußerst niedrigen Zahlen gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Maßnahmen zur Kontaktreduzierung und weitere Infektionsschutzmaßnahmen zurück. Mindestabstände, Hygiene, Schutzmasken, Lüften von Innenräumen, Regelungen zum Homeoffice und zeitweise Schulschließungen konnten die Grippewelle also fast völlig verhindern. Hinzu kommt sicherlich auch, dass das Interesse an einer Influenza-Schutzimpfung im Herbst letzten Jahres deutlich größer als normalerweise war. Aufgrund der Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind im Übrigen auch virusbedingte Magen-Darm-Erkrankungen ausgelöst durch Rota- oder Noroviren deutlich zurückgegangen.
Fazit
Grippefälle wurden selbstverständlich nicht dazu benutzt, um die Corona-Pandemie auszurufen. Influenza und COVID-19 werden durch unterschiedliche Viren ausgelöst, die durch die gängigen Testverfahren zuverlässig voneinander unterschieden werden können. Tatsächlich traten in diesem Winter sowohl in Deutschland als auch weltweit äußerst wenig Influenzafälle auf. Dieser positive Effekt wurde durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ausgelöst.