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Leseprobe PTAheute 23/2020: Komponente Kopf – Psoriasis und Psyche

Foto: phanasitti – iStockphoto.com

Die Psoriasis ist eine chronisch-entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung, der eine Fehlsteuerung des Immunsystems zugrunde liegt. Charakteristisch sind stark begrenzte, rote, mit silbrigen Schuppen bedeckte juckende Hautstellen. Die Erneuerung der Haut läuft auf Hochtouren. Braucht eine gesunde Epidermis normalerweise vier Wochen, um sich neu zu bilden, so sind es bei Psoriasis nur drei bis vier Tage. Eine wichtige Rolle für den Ausbruch der Schuppenflechte und den weiteren Krankheitsverlauf spielen neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse. So werden zum Beispiel während einer Stressreaktion bestimmte Zellen der körpereigenen Abwehr aktiviert, das Entzündungsgeschehen in der Haut wird angefacht und die Psoriasis dadurch gefördert.

Eingeschränkte Lebensqualität?

Neben den Hauptsymptomen wie Juckreiz und Brennen belastet die Patienten vor allem, dass die schuppenden Plaques oft für jedermann sichtbar sind. Daher kann bereits eine leichte Schuppenflechte erhebliche psychische Beeinträchtigungen verursachen. Die Einschränkung der Lebensqualität korreliert also nur schwach mit dem aktuellen klinischen Schweregrad. Denn zahlreiche andere Faktoren wie Geschlecht, Alter, betroffene Körperareale, ­Beteiligung von Begleiterkrankungen (z. B. Arthri­tis) sowie die täglich benötigte Behandlungszeit können ebenso mit einem verminderten Wohlbefinden einhergehen. Doch wie lässt sich die Lebensqualität der Psoriasispatienten eigentlich genau beurteilen und messen? Die gegenwärtig am häufigsten verwendete Methode ist der sogenannte Dermatology Life Quality Index. Anhand eines Fragebogens werden die Auswirkungen der Schuppenflechte auf das Selbstbewusstsein, die Arbeit und die Freizeitgestaltung erfasst. Einbezogen wird auch der Einfluss der Krankheit auf die persönlichen Beziehungen des Erkrankten, zum Beispiel auf Partnerschaft und Sexualität. Die Auswertung dieser Fragebögen im Rahmen einer großen deutschen Studie ergab, dass rund jeder dritte Psoriasispatient eine stark eingeschränkte Lebensqualität hat.

Stress von innen und außen

Nicht nur Stresseinflüsse von außen rufen Hautschübe hervor. Auch die Schuppenflechte selbst ist für die Betroffenen ein nicht zu unterschätzender Stressfaktor. Denn viele schämen sich für die auffälligen Plaques, vor allem weil in der breiten Bevölkerung auch heute immer noch weitreichende Vorurteile und fehlende Akzeptanz gegenüber Menschen mit Schuppenflechte bestehen – trotz jahrelanger Bemühungen um allgemeine Aufklärung. Dies zeigen sowohl die jüngsten FORSA-Daten aus Deutschland als auch die Ergebnisse einer Telefonumfrage mit mehr als 4.000 Personen. So gaben rund 20 Prozent der Befragten an, dass sie nicht zusammen mit einem von Schuppenflechte Betroffenen schwimmen gehen wollten, ebenso würden sie sich nicht auf eine Beziehung mit einem Menschen mit dieser Hauterkrankung einlassen. Sechs bis neun Prozent der Befragten würden sich sogar weigern, Betroffenen die Hand zu geben oder mit ihnen im gleichen Haushalt zu leben. 

Viele Psoriasispatienten stimmen folgenden Statements zu: Die meisten Leute starren Menschen mit Hautveränderungen an, meiden es, diese zu berühren, finden Psoriasis abstoßend und machen negative Bemerkungen darüber, haben Mitleid mit den Betroffenen und glauben, dass die Psoriasis ansteckend sei. Die Betroffenen werden häufig stigmatisiert und von vielen Bereichen des alltäglichen Lebens ausgeschlossen, einschließlich der Schule und der Arbeitsstelle. Sie berichten oft über ein geringes Selbstwertgefühl, Einsamkeit, Ausgrenzung und Frustration bis hin zu Selbstmordgedanken. In mehreren Studien konnte zudem gezeigt werden, dass Stigmatisierung bei Psoria­sispatienten der stärkste Vorhersagewert für eine Depression ist und diese bei Menschen mit Schuppenflechte 1,8-mal häufiger auftritt als bei Gesunden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Psoriasis ist eine chronisch-entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung mit roten, entzündeten, schuppenden Hautstellen. 
  • Stress kann die Hautsymptome verschlechtern, die Schuppenflechte selbst ist jedoch auch ein Stressfaktor. 
  • Psoriasispatienten leiden aufgrund der oft sichtbaren Plaques häufig unter seelischen Belastungen. Es drohen Ängste bis hin zu sozialem Rückzug oder gar Depressionen. 
  • Betroffene werden in der Öffentlichkeit oft angestarrt und fühlen sich stigmatisiert. 
  • Verschiedene Kampagnen zielen darauf ab, noch immer bestehende Vorurteile und fehlende Akzeptanz gegenüber Menschen mit Schuppenflechte abzubauen.

Scham vor sich selbst

Nun ist diese erlebte öffentliche Zurückweisung schon belastend genug. Allerdings berichten Psoriasispatienten darüber hinaus häufig auch über eine Selbststigmatisierung. Aus dieser Scham vor sich selbst ziehen sich Betroffene häufig zurück und vermeiden zwischenmenschliche Kontakte weitgehend. Anderen nahe zu sein und sich zu zeigen – das ist oft mit enormen Ängsten und erheblicher Unsicherheit verbunden. Besonders stark wird eine seelische Belastung empfunden, wenn sich die befallenen Stellen nicht durch die Kleidung verdecken lassen und sich zum Beispiel im Gesicht oder an den Händen befinden. Mehr Haut zeigen als unbedingt notwendig? Gar ins Schwimmbad oder in die Sauna gehen – das alles trauen sich viele Menschen mit Psoriasis nicht. Wegen der Schuppenflechte angeschaut zu werden, ist für viele bereits äußerst unangenehm, aber noch schlimmer finden sie es, darauf auch noch angesprochen zu werden.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Sie müssen sich nicht wegen Ihrer Hauterkrankung schämen.“ 
  • „Viele Menschen wissen über Schuppenflechte nicht Bescheid, haben deshalb oft Vorurteile und gehen auf Abstand.“ 
  • „Reagieren Sie selbstbewusst und schlagfertig und erklären Sie, dass es sich nicht um eine ansteckende Erkrankung handelt, sondern nur um eine Schuppenflechte.“ 
  • „Suchen Sie den Austausch mit anderen Betroffenen und teilen Sie Ihre Erfahrungen und Ihr Wissen.“

Bewältigungsstrategien: zum Experten in eigener Sache werden

Jeder Mensch mit Schuppenflechte muss seinen persönlichen Weg mit dieser chronischen Krankheit gehen – und der kann individuell ganz unterschiedlich aussehen. Es gibt jedoch Aspekte, die entscheidend dazu beitragen, dass das Leben durch die Psoriasis nicht völlig aus dem Gleichgewicht gerät und ein selbstbestimmter Umgang mit der Krankheit möglich wird. So haben sich für einige Psoriasispatienten zum Beispiel Sport und Entspannungstechniken wie progressive Muskelrelaxation, autogenes Training, Yoga sowie Qigong, Tai-Chi oder Meditation bewährt. Darüber hinaus ist ein aktiver und offener Umgang mit der Psoriasis bedeutend. Zunächst kann eine Patientenschulung wichtige Informationen über die Erkrankung liefern und somit helfen, Ängste und Unsicherheiten abzubauen. Zudem zeigt der persönliche Austausch mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe: Niemand steht mit der Erkrankung allein da, andere Menschen machen ganz ähnliche Erfahrungen. Gemeinsam lassen sich die Alltagsprobleme und Herausforderungen, die eine Schuppenflechte immer wieder neu bereithält, leichter meistern und das Selbstbewusstsein stärken. Nicht zuletzt bieten vor allem Freunde und Familie wichtigen Rückhalt und umfangreiche Unterstützung.

Offenheit wagen

Besonders belastend für viele Psoriasispatienten sind unangemessene oder ablehnende Reaktionen ihrer Mitmenschen. Diese sind oft durch Unwissen und Missverständnisse geprägt, wie etwa durch die Annahme, es handle sich um eine ansteckende Erkrankung oder mangelnde Hygiene sei ursächlich. Zudem kommt es häufig zu neugierigen Blicken. Gerade wenn Betroffene fürchten, wegen ihrer Schuppenflechte angestarrt oder auf die Erkrankung angesprochen zu werden, sollten sie selbstbewusst reagieren. In aufklärenden Gesprächen lassen sich bestehende Vorurteile aus dem Weg räumen. Nützlich ist es, sich bereits im Vorfeld ein paar passende Antworten zurechtzulegen, zum Beispiel: „Das ist nicht ansteckend, das ist nur eine Schuppenflechte.“ 

Doch manchmal gibt es einfach Zeiten, in denen das Leben zunehmend von der Krankheit überschattet wird. Dabei können auch Ängste oder Depressionen eine Rolle spielen. Ist dies der Fall, ist professioneller Beistand gefragt. Eine psychologische Unterstützung kann neue Wege zum Umgang mit der Krankheit aufzeigen. Insgesamt gilt: Wer lernt, die Erkrankung zu akzeptieren und selbstbewusst mit ihr zu leben, kann auch auf andere selbstsicherer zugehen.

Diskriminierung stoppen

Die Öffentlichkeit über Schuppenflechte aufzuklären – dieses Ziel haben sich verschiedene Patientenorganisationen gesetzt. Hilfreiche Unterstützung und Beratung vor Ort bieten vor allem der Deutsche Psoriasis Bund e. V. sowie der Verband Psoriasis und Haut e. V. Darüber hinaus sollen auch verschiedene Kampagnen das öffentliche Bewusstsein gegenüber Schuppenflechte schärfen. So wurde zum Beispiel 2012 die Aktion „Konzentrier dich auf mich – nicht auf meine Haut“ von der kroatischen Psoriasis-Vereinigung durchgeführt und 2014 die Kampagne „Schwimmen für Psoriasis“ von der European Academy of Dermatology in Belgien. Seit 2017 gibt es zudem die Psoriasis-Kampagne „Bitte berühren“ des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen. Dieses Aktionsbündnis gegen Stigmatisierung wendet sich gegen weitverbreitete Vorurteile, informiert über moderne Therapien und stärkt so Betroffenen den Rücken. Weiterhin veranstaltet die Patientenselbsthilfe Deutscher Psoriasis Bund regelmäßig ein Gesundheits-Jugendcamp, um unter Einbeziehung von Psychologen und Hautärzten das Selbstwertgefühl der Jugendlichen in einem geschützten Umfeld zu stärken. Damit werden die Lebensqualität der Jugendlichen und deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessert.

International sichtbar werden

Auch international ist das Bewusstsein gegenüber der Erkrankung, an der weltweit schätzungsweise 125 Millionen Menschen leiden, gestiegen. In einem „Globalen Bericht zu Psoriasis“ fordert die Weltgesundheitsorganisation dazu auf, die Hauterkrankung als internationales Gesundheitsproblem anzuerkennen, die Diskriminierung der Betroffenen zu beseitigen und ihre medizinische Versorgung zu verbessern. Zwar ist die Schuppenflechte noch nicht vollständig heilbar, wird sie aber frühzeitig erkannt und fachgerecht behandelt, können Psoriasispatienten eine gute Lebensqualität erreichen.