EMA empfiehlt Zulassung von Vierfach-Meningokokkenschutz
Der Humanarzneimittelausschuss der EMA gab am 17. September 2020 grünes Licht für einen neuen Impfstoff gegen Meningokokken. Er schützt vor vier der insgesamt zwölf Serogruppen – A, C, W und Y. Hersteller Sanofi Pasteur will seinen neuen Impfstoff – so die Europäische Kommission die Zulassung erteilt – unter dem Handelsnamen MenQuadfi vermarkten, ein Name, der bereits auf den vierfachen Meningokokkenschutz hinweist. Den Markt der Meningokokken-Vierfachimpfstoffe teilt sich Sanofi sodann mit GSK (Menveo®) und Pfizer (Nimenrix®).
Meningokokken-Impfstoffe: verschiedene Impfalter
MenQuadfi darf bei Kindern ab dem Alter von zwölf Monaten eingesetzt werden. Nimenrix® kann bereits bei sechs Wochen alten Säuglingen geimpft werden, Menveo® hingegen hat die Zulassung zum Meningokokkenschutz erst für Kinder ab zwei Jahren. Alle Impfstoffe sind zur Prophylaxe von invasiven Meningokokken-Erkrankungen zugelassen, von diesen sind vor allem Säuglinge und Kleinkinder betroffen. Die höchsten Inzidenzen von invasiven Meningokokken-Erkrankungen treten dem Robert Koch-Institut zufolge in den ersten Lebensjahren auf, vor allem bei Säuglingen und Einjährigen.
Zur Erinnerung: Was sind Meningokokken?
Meningokokken (Neisseria meningitidis) sind gramnegative intrazelluläre Bakterien. Sie treten als Diplokokken (Kugelbakterien, die als Pärchen gelagert sind) auf. Der einzige Wirt ist der Mensch. Bei etwa 10 Prozent der europäischen Bevölkerung ist der Nasen-Rachen-Raum mit Meningokokken besiedelt, ohne dass sich Krankheitszeichen äußern. Laut RKI existieren zwölf Serogruppen – A, B, C, E, H, I, K, L, W-135, X, Y, Z –, die sich in der Zusammensetzung ihrer Kapselpolysaccharide unterscheiden.
Übertragen werden Meningokokken via Tröpfcheninfektion durch zum Beispiel Husten, Niesen oder Küssen. Mittels Fortsätzen können sie sich an die Schleimhäute des Nasen-Rachen-Raumes anheften. Dort verbleiben sie oder durchdringen die Schleimhäute und führen zu invasiven Erkrankungen. Das RKI spricht von einer invasiven Meningokokken-Erkrankung, „wenn aus Blut, Liquor, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen klinischen Materialien direkt oder indirekt Meningokokken nachgewiesen werden”. Invasive Meningokokken-Erkrankungen verlaufen bei zwei Drittel der Patienten als Meningitis (Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute), ein Drittel der Patienten entwickeln eine Sepsis („Blutvergiftung”).
Impfstoff enthält Kapselbestandteile von Meningokokken
MenQuadfi wird als Injektionslösung zur Verfügung stehen. Der Wirkstoff von MenQuadfi enthält die Kapselpolysaccharide der Meningokokken-Serogruppen A, C, W und Y, die an ein Trägerprotein, Tetanustoxoid, konjugiert sind. Tetanustoxoid ist die inaktivierte Form des Tetanustoxins. Letzteres wird vom Tetanus-Erreger (Clostridium tetani) produziert und zeichnet für die Tetanus-typischen Krankheitssymptome verantwortlich. Auch Nimenrix® enthält an Tetanustoxoid konjugierte Kapselpolysaccharide, bei Menveo® sind die Kapselpolysaccharide hingegen an Corynebacterium diphtheriae konjugiert.
Durch die Meningokokken-Impfung wird das Immunsystem des Geimpften zur Bildung von Antikörpern gegen die enthaltenen Kapselbestandteile der Meningokokken-Serogruppen A, C, W und Y angeregt und soll dadurch den Körper auf Infektionen schützend vorbereiten.
Die häufigsten Nebenwirkungen von MenQuadfi sind laut CHMP Reaktionen an der Injektionsstelle wie Erythem, Schwellung und Schmerz.
Meistens Meningokokken B
Die Höhe der Sterblichkeit einer invasiven Meningokokken-Erkrankung beschreibt das RKI mit 5 bis 10 Prozent. Laut dem „Infektionsepidemiologischen Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018“ wurden 2018 insgesamt 295 Fälle invasiver Meningokokken-Erkrankungen an das RKI übermittelt, bei 80 Prozent (237) lag die Meningokokken-Serogruppe vor: Der größte Teil invasiver Meningokokken-Erkrankungen wurde demzufolge von Meningokokken B verursacht (59 Prozent, 139 Fälle), gefolgt von Serogruppe Y mit 14 Prozent (34 Fälle) und Serogruppe C mit 13 Prozent (31 Fälle). Serogruppe W lag bei ebenfalls 13 Prozent der Infektionen vor (30 Fälle). Bei je einem Fall wurden Meningokokken der Serogruppe A und Z nachgewiesen.
STIKO rät standardmäßig nur zum Meningokokken-C-Schutz
Derzeit empfiehlt die Ständige Impfkommsission (STIKO) beim RKI eine standardmäßige Meningokokken-Impfung lediglich gegen Meningokokken der Serogruppe. Kleinkinder im zweiten Lebensjahr sollten vor MenC geschützt werden, eine Nachholimpfung ist im Alter zwischen zwei und 17 Jahren vorgesehen. Diese Empfehlung gilt seit 2006. Hierfür stehen in Deutschland die Einzelimpfstoffe NeisVac (Pfizer) und Menjugate® (GSK) zur Verfügung.
Impfungen gegen andere Serogruppen, wie die tetravalenten Impfungen gegen A, C, W, Y, oder Einzelimpfungen gegen Meningokokken B (Bexsero®, Trumenba®) sieht die STIKO lediglich als Indikationsimpfungen vor. Sie sollen dann zum Einsatz kommen, wenn ein erhöhtes Risiko für Meningokokken-Erkrankungen bei Säuglingen, Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen vorliegt. Dann sollten sie „mit einem Meningokokken ACWY-Konjugatimpfstoff sowie mit einem Meningokokken-B-Impfstoff geimpft werden“, erklärt die STIKO. Eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung sieht das RKI bei angeborenen oder erworbenen Immundefekten gegeben, auch bei gefährdetem Laborpersonal oder Reisen in endemische Länder mit engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung.
Kommt ein standardmäßiger Meningokokken-B-Schutz?
Allerdings ist zumindest beim Meningokokken-B-Schutz Bewegung: In ihrer 95. Sitzung im März dieses Jahres setzte die STIKO die „Meningokokken-B-Standardimpfempfehlung für Säuglinge und Kinder“ wieder „prioritär“ auf die Agenda. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich derzeit mit dieser Fragestellung. Mit einer möglichen Änderung der MenB-Impfempfehlung ist in diesem Jahr jedoch nach Aussagen des RKI nicht mehr zu rechnen.