Karneval – die Psychologie der Verkleidung
Ob Cowboy, Fee, Hexe oder Clown – wer sich an Fasching verkleidet, schlüpft vorübergehend in eine andere Rolle. Das erlaubt es dem Kostümierten, seine angestammte Alltagsrolle zu verlassen und spielerisch eine andere Persönlichkeit anzunehmen.
Neue Identität ausprobieren
In einer Verkleidung kann man für kurze Zeit aus dem normalen Leben aussteigen und sich einmal in einer anderen Identität ausprobieren. Das Kostüm biete dabei auch eine Art Schutzraum, um andere Verhaltensweisen auszutesten, erklärt der Psychologe Professor Dr. Karl-Heinz Renner von der Universität der Bundeswehr München. So könne etwa ein schüchterner Mensch versuchen, selbstbewusster aufzutreten und auf andere zuzugehen.
Alltagskonventionen hinter sich lassen
Psychologieprofessorin Dr. Katja Mierke von der Hochschule Fresenius erklärt die Lust am Verkleiden so: „Mithilfe von Kostümen haben wir die Möglichkeit, Facetten zu erproben, die in unserem Alltag zu kurz kommen.“ Deshalb sei zum Beispiel das Piratenkostüm besonders beliebt. „Es repräsentiert unsere anarchische, wilde, freiheitsliebende Seite – ganz nach dem Motto: Ich nehme mir, was mir gefällt“, erläutert die Psychologin.
Eine solche Piratenseele schlummere in vielen von uns, doch aufgrund der Konventionen im normalen Alltagsleben könnten wir sie normalerweise nicht ausleben. Ein Kostüm ermögliche es dagegen, eine andere Rolle auszuleben, was positive Effekte auf die Psyche des Menschen habe.
Wie Gehirn und Gefühle beeinflusst werden
Eine Verkleidung hat aber auch Wirkungen auf unser Empfinden. „Allein durch das Tragen eines Piraten-Outfits entstehen Gefühle, die wir mit dem Piratendasein assoziieren“, sagt Mierke. „Wir denken und bewegen uns dann auch anders als im Feenkleidchen oder im Anzug“, so die Psychologin.
In der Psychologie habe die Body-Feedback-Forschung gezeigt, dass Rückmeldungen aus dem Körper an das Gehirn zahlreiche weitere Prozesse beeinflussen. So zeigte sich etwa in einem Versuch, dass Teilnehmerinnen, die einen Blazer trugen, automatisch eine seriösere Haltung einnahmen und Gefühle von Macht und Kompetenz entwickelten.
Interessant ist auch eine weitere Studie, bei der Probanden Aufmerksamkeitsaufgaben lösen mussten. Eine Versuchsgruppe trug dabei einen weißen Kittel, der zuvor als Arztkittel deklariert wurde. Die andere Gruppe trug die gleichen Kittel, die jedoch als Malerkittel deklariert wurden. Das Ergebnis: Die Gruppe im vermeintlichen Arztkittel schnitt bei den Aufgaben besser ab.
Kindern die Wahl lassen
Spaß am Verkleiden haben meist auch Kinder. Psychologen raten aber dazu, dass Kinder ihre Kostüme selbst wählen sollten. Keinesfalls sollten sie in einen niedlichen Marienkäfer oder Teddybär verwandelt werden, wenn sie das gar nicht wollen. Quellen: Hochschule Fresenius; Deutsches Grünes Kreuz e.V.; www.wissen.de