Ubrogepant – Konkurrenz für Triptane bei Migräne?
Ging es in letzter Zeit um Migräne, drehte sich fast alles um die Vorbeugung von Migräne-Anfällen. Die innovativen „Migräne-Antikörper“ Erenumabe (Aimoviga®), Fremanezumab (Ajovy®), Galcanezumab (Emgality®) sollten die Migräne-Prophylaxe revolutionieren. Sie punkten Experten zufolge neben der Wirksamkeit vor allem mit einer guten Verträglichkeit. Ihr Angriffspunkt ist CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) oder dessen Rezeptor.
Erster Wirkstoff aus der Gruppe der „Gepanten“ zugelassen
Dieses therapeutische Ziel rückt nun mit der Wirkstoffgruppe der „Gepanten“ auch in den Fokus der Akuttherapie. Aktuell beschäftigt sich die Forschung mit Rimegepant, Atogepant und Ubrogepant. Letzteres ist am weitesten fortgeschritten. In den USA erteilte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Ubrogepant (UbrelvyTM) noch kurz vor Weihnachten, nämlich am 23. Dezember, die Zulassung.
Künftig darf in den Vereinigten Staaten UbrelvyTM in einer Stärke mit 50 mg und 100 mg Ubrogepant für die Akutbehandlung von erwachsenen Migränepatienten eingesetzt werden. Die Zulassung umfasst Migräne-Attacken, die mit und ohne Aura einhergehen. „Es ist das erste Medikament aus der Klasse der oralen Calcitonin-Gene-Related-Peptid-Rezeptor-Antagonisten, das für die akute Behandlung von Migräne zugelassen ist“, erklärt die FDA in der Zulassungsmitteilung.
Ein Antagonist am CGRP-Rezeptor
Ubrogepant hemmt als CGRP-Rezeptor-Antagonist die Effekte von Calcitonin Gene-Related Peptide. Der Botenstoff CGRP spielt eine wichtige Rolle in der Krankheitsentstehung von Migräne. Dies stützt sich vor allem auf zwei Beobachtungen:
- Migräne-Patienten weisen während einer Attacke erhöhte CGRP-Spiegel auf. Diese sinken jedoch, wenn der Migräne-Anfall mit Sumatriptan behandelt wird.
- Außerdem lassen sich durch CGRP-Injektionen bei Migränikern Anfälle auslösen.
Werden bestimmte Serotonin-Rezeptoren (5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren) aktiviert – was Triptane tun –, wird verhindert, dass das entzündungsfördernde CGRP ausgeschüttet wird.
Studie untersuchte einen einzelnen akuten Migräne-Anfall
Ubrogepant wurde in mehreren großen Studien untersucht. Eine davon prüfte Ubrogepant in Stärken von 25 mg und 50 mg an einem einzelnen akuten Migräne-Anfall. Die Patienten erhielten entweder den neuen Wirkstoff – also Ubrogepant – oder wirkstofffreie Tabletten (Placebo). Die an der Studie teilnehmenden Patienten litten im Schnitt an zwei bis acht Migräne-Attacken pro Monat, die zwischen vier und 72 Stunden dauerten. Die Patienten wurden zufällig einer der drei Gruppen (25 mg Ubrogepant, 50 mg Ubrogepant und Placebo) zugeteilt.
Im Falle einer Migräne sollten die Probanden die Medikation so schnell wie möglich, d. h. innerhalb von vier Stunden nach Symptombeginn, einnehmen. Eine zweite Dosis oder Akutmedikation war dann erlaubt, wenn zwei bis 48 Stunden nach der ersten Gabe mittelschwere bis schwere Kopfschmerzen auftraten.
Wie gut die eingenommene Tablette wirkte, mussten die Studienteilnehmer in einem elektronischen Tagebuch festhalten. Hier galt es zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu bewerten, wie stark die Kopfschmerzen und die belastenden Begleitsymptome nach Einnahme der Medikamente waren. Das Ziel der Studie war dann erreicht, wenn zwei Stunden nach Medikation deutlich mehr Patienten unter Ubrogepant schmerzfrei und ohne belastende Begleitsymptome waren als unter Placebo.
Jeder fünfte Patient schmerzfrei nach zwei Stunden
In diesen Studien überzeugte Ubrogepant mehr als Placebo: Innerhalb von zwei Stunden waren mit 50 mg Ubrogepant 21,8 Prozent der Patienten schmerzfrei, mit 25 mg Ubrogepant fast gleich viele (20,7 Prozent) und unter Placebo nur 14,3 Prozent. Hinsichtlich der Freiheit von belastenden Begleitsymptomen war nur die 50 mg Dosis Placebo überlegen.
Weniger zusätzliche Medikation
Der neue Wirkstoff scheint den Studien zufolge auch positiven Einfluss auf weitere benötigte Migränetherapeutika zu haben. So benötigten Migräniker, die 50 mg Ubrogepant erhielten, deutlich seltener eine zweite Dosis (37,6 Prozent) als die Placebo-Gruppe (42,8 Prozent). Zudem griff die Ubrogepant-Gruppe weniger häufig zu weiteren Akutmedikationen – wie NSAR (beispielsweise Ibuprofen oder ASS), Metamizol oder Triptanen.
Keine großen Unterschiede bei Verträglichkeit
Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die mit der Einnahme von Ubrogepant beobachtet wurden, zählten laut dem Bericht der FDA Übelkeit, Müdigkeit und ein trockener Mund. Die oben beschriebene Studie fand keine großen Unterschiede bei der Verträglichkeit von Ubrogepant verglichen mit Placebo.
Behandlungsbedürftige Nebenwirkungen traten innerhalb von 48 Stunden nach Medikation bei 12,9 Prozent der Patienten unter 50 mg Ubrogepant auf und bei 10,2 Prozent unter Placebo. Am wenigsten Nebenwirkungen hatten laut den Studienergebnissen die 25-mg-Ubrogepantpatienten, hier litten nur 9,2 Prozent unter behandlungsbedürftigen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Vorwiegend waren diese Übelkeit und Schwindel.
Was es noch zu erforschen gilt …
Auch wenn der Studie zufolge – darauf lässt auch die Zulassung durch die FDA schließen – Ubrogepant bei akuten Migräne-Attacken rasch wirkt und gut verträglich scheint, ist bei dem neuen Wirkstoff längst nicht alles erforscht. Das bemerkten auch die Wissenschaftler der Ubrogepant-Studie. Denn: Ubrogepant wurde lediglich an einer einzigen Migräne-Attacke geprüft.
Ob Ubrogepant auch bei wiederholter Einnahme verträglich sei, gelte es zu prüfen. Zudem litten die Studienteilnehmer an mittelschweren und schweren Kopfschmerzen. Somit sei eine Aussage zur Wirksamkeit der Substanz bei leichteren Migräne-Attacken nicht möglich. Doch könnte Ubrogepant eine neue Behandlungsmöglichkeit für Migräniker sein, die auf eine aktuelle Migränemedikation nicht ansprechen. Das erhofft man sich auch von Lasmiditan, einem selektiven 5-HT1F-Rezeptor-Agonisten.
Unterschiede zu anderen Antagonisten im CGRP-System
Ubrogepant ist nicht der erste Arzneistoff, der Calcitonin Gene-Related Peptide als Ziel verfolgt. Wie bereits eingangs erwähnt, nutzen auch die „Migräne-Antikörper“ diesen Angriffspunkt. Unterschiede gibt es dennoch. So müssen die Antikörper Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab als subkutane Injektion unter die Haut gespritzt werden (ein vierter CGRP-Antikörper befindet sich derzeit noch in der Pipeline. Eptinezumab wird intravenös verabreicht). Ubrogepant hingegen können Migräniker als einfache Tablette peroral einnehmen.
Wichtig ist vor allem auch der Unterschied in der Indikation: Während die Antikörper ausschließlich der Vorbeugung (Prophylaxe) von Migräne-Attacken dienen, darf Ubrogepant im Gegensatz dazu nur bei der Akuttherapie eingesetzt werden.