Infanrix-IPV + Hib: Erhöhtes Risiko für Fehlapplikationen
Die AMK berichtet aktuell über einen Fall, in dem bei zwei Mädchen (Zwillinge) im Alter von drei Monaten je zwei Impfungen bei einem Arzttermin erfolgen sollten. Dabei seien nur der Vater und der Arzt mit den Mädchen im Behandlungsraum gewesen. Zudem sei der Arzt kurzzeitig durch einen Säugling abgelenkt worden, weil dieser unbeobachtet auf der Liege lag.
Betroffener Impfstoff besteht aus zwei Komponenten
Allein diese Situation könnte nun dazu geführt haben, dass einer der Impfstoffe falsch appliziert wurde: Infanrix-IPV + Hib® von GSK – gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio und Haemophilus influenzae Typ b (Hib) – besteht nämlich aus zwei Komponenten und die Komponente mit dem Hib-Antigen wurde im beschriebenen Fall vergessen. Unmittelbar nach der Impfung bemerkte der Arzt den Fehler und informierte den Vater, worauf die Kinder erneut – dieses Mal mit dem korrekt zubereiteten Impfstoff – geimpft wurden. Allerdings erhielten die Säuglinge so auch erneut die restlichen Antigene.
Schließlich kommen noch weitere Faktoren hinzu, die über den geschilderten Einzelfall hinaus für eine mögliche Systematik der Fehlapplikation sprechen.
Die Rolle der Apotheke
So ging der ganzen Situation laut AMK ein Lieferengpass der N1-Packungsgröße des Impfstoffs voraus. Deshalb hatte die versorgende Apotheke die Impfdosen ausgeeinzelt und patientenindividuell verpackt – allerdings ohne Gebrauchsanweisung – an die Praxis geliefert.
Der Arzt verfügte dadurch nur über die in der Praxis „üblicherweise“ genutzten „Informationsmedien“ und die Primärpackmittel des Impfstoffs. Beide sind nach Einschätzung der AMK aber nicht geeignet, um Anwender über den jeweiligen Inhalt der Primärpackmittel hinreichend zu informieren.
Nun könnte man diese Fehler immer noch einzelnen Anwendern oder Situationen zuschreiben.
Kein Einzelfall: Vorsicht beim Auseinzeln!
Allerdings heben auch die Gebrauchs- und Fachinformation laut AMK nicht ausreichend hervor, dass vor der Applikation des Impfstoffs zwei getrennt voneinander vorliegende, wirkstoffhaltige Komponenten gemischt werden müssen. Vielmehr könne der Eindruck entstehen, dass es sich bei der Fertigspritze um eine applikationsfertige oder lösungsmittelhaltige Spritze handelt. Doch: „Die Fertigspritze enthält Antigene für Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Poliomyelitis als Suspension. Diese sind vor der Applikation mit dem Hib-Antigen – in einer gesonderten Durchstechflasche als weißes Lyophilisat vorliegend – aufzulösen und anschließend wieder in dieselbe Fertigspritze aufzuziehen.“
Häufig Medikationsfehlerberichte Kategorie „unvollständige Impfung“
Offenbar macht die gesondert von der Fertigspritze abgepackte Hib-Komponente immer wieder Probleme. So sollen in der Literatur „vergleichbare Fehlerursachen auch für Infanrix Hexa® und Pentavac® berichtet“ worden sein. Zudem sollen aktuelle Auswertungen europäischer Spontanberichtsdaten ergeben haben, dass innerhalb der Gruppe von Impfstoffen mit separater Hib-Komponente Medikationsfehlerberichte der Kategorie „unvollständige Impfung“ am häufigsten vorkommen.
Hib-Komponente wird häufig übersehen
Doch auch wenn vor allem die Hib-Komponente im Zentrum der Problematik zu stehen scheint, die Apotheke könnte ebenso wiederholt eine Rolle als Fehlerquelle spielen: So zeigten der AMK zwei weitere Fälle aus der Datenbank, dass bereits beim Auseinzeln durch die Apotheke die Hib-Komponente übersehen werden kann.
Die AMK fasst zusammen, dass die Packweise selbst, die Aufmachung der Primärpackmittel und eventuelles Auseinzeln zur Fehlapplikation von Impfstoffen beitragen, wenn Antigene getrennt verpackt sind. Manche Apotheker vermissen in dieser Aufzählung eventuell den Faktor „Lieferengpass“. Denn „einfach so“ auseinzeln wird und darf die Apotheke nicht.