Leseprobe PTAheute 10/2019: Saure Gefahr
Egal ob Schneidezahn, Eckzahn oder Backenzahn, jeder menschliche Zahn ist aus drei verschiedenen Komponenten aufgebaut. Die äußere Schicht eines Zahns besteht aus dem etwa 2,5 mm dicken Zahnschmelz. Er stellt die härteste Substanz im menschlichen Körper dar und besteht hauptsächlich aus Hydroxylapatit. Dieses kristalline Mineral aus Calciumkationen, Phosphatanionen und Hydroxygruppen gilt als Grundbaustein von Zähnen und Knochen. Unterhalb des Zahnschmelzes liegt das Zahnbein (Dentin) und das innere Zahnmark (Pulpa).
Was versteht man unter Zahnerosion?
Durch den Einfluss von Säuren kann der Zahnschmelz angegriffen und zerstört werden, dabei lösen die Säuren Calcium- und Phosphat-Ionen aus dem Hydroxylapatit der Zähne heraus. Infolgedessen wird der Zahnschmelz weicher und kann sich auflösen. Ein einmal zerstörter natürlicher Zahnschmelz ist verloren und kann vom Körper nicht wieder gebildet werden. Zahnärzte sprechen von einer Zahnerosion, wenn sich die Zahnhartsubstanz langsam und fortschreitend durch den Einfluss von Säuren zurückbildet. Diese Säuren gelangen entweder von außen über Nahrungsmittel und Getränke in die Mundhöhle oder auch von innen durch den Rückfluss von Magensäure. Der Beginn einer Zahnerosion ist zunächst schmerzfrei und wird vom Patienten nicht unbedingt bemerkt. Ein Besuch beim Zahnarzt erfolgt meist erst, wenn die Erosion bis zum Zahninneren fortgeschritten ist und schmerzempfindliches Dentin freiliegt. Die Zähne reagieren dann sensibel auf Zähneputzen oder auf kalte und heiße Getränke. Untersuchungen von Zahnärzten haben gezeigt, dass bei etwa einem Drittel der westlichen Bevölkerung bereits Zeichen einer Zahnerosion vorliegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die äußerste Schicht jedes menschlichen Zahns besteht v. a. aus Hydroxylapatit und wird als Zahnhartsubstanz bezeichnet. Durch einen andauernden Kontakt mit Säuren kann dieser Zahnschmelz zerstört werden (Zahnerosion).
- Durch einen häufigen Konsum von sauren Getränken über den Tag verteilt kommt es zu einer Absenkung des pH-Wertes im Mundspeichel und der Erosionsprozess setzt ein.
- Die Verwendung von Zahnpflegeprodukten mit Fluorid schützt vor Zahnerosion, das enthaltene Fluorid bildet nach Reaktion mit Hydroxylapatit säurestabileres Fluorapatit.
Ursachen der Erosion
Die wichtigste Ursache für den Abbau des Zahnschmelzes stellt unbestritten der Einfluss von Säuren dar. Bestimmte Lebensmittel und vor allem saure Getränke führen zu einer Absenkung des pH-Wertes im Speichel, als kritischer Wert im Bereich der Schmelzoberfläche gilt ein pH-Wert von 5,5, im Bereich des Zahnbeins liegt diese Grenze noch höher, bei pH 6,5. Beim daraufhin einsetzenden Erosionsprozess reagieren Protonen aus den Säuren mit Anionen aus dem Zahnschmelz. Durch diese Demineralisierung weicht der Zahnschmelz zunächst auf und wird im weiteren Verlauf abgebaut. Der Prozess der Erosion ist stark zeitabhängig, eine kurzfristige Einwirkung von Säuren hat zunächst keinen negativen Einfluss, bei einer raschen Anhebung des pH-Wertes zurück in den neutralen Bereich bleibt die Schmelzoberfläche intakt.
Wie erkläre ich es meinem Kunden?
- „Sie können wirkungsvoll Ihr Risiko für eine Zahnerosion reduzieren, wenn Sie weniger Softdrinks und Fruchtsäfte trinken. Beschränken Sie diese Getränke möglichst aufs Essen, dazwischen sollten Sie nur Wasser trinken.“
- „Um sich vor dem Verlust des Zahnschmelzes zu schützen, können Sie häufiger zahnfreundliche Kaugummis kauen, das Kauen regt den Speichelfluss an und schützt damit Ihre Zähne.“
- „Verzehren Sie saure Lebensmittel am besten zusammen mit Milchprodukten. Diese üben eine schützende Wirkung auf den Zahnschmelz aus.“
- „Putzen Sie zweimal täglich Ihre Zähne mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta. Damit schützen Sie Ihre Zähne nicht nur vor Karies, sondern stärken auch den Zahnschmelz.“
Einfluss von Speichel
Der Speichel im Mund spielt eine der wichtigsten Rollen bei der Vorbeugung von Säureangriffen auf den Zahnschmelz. Üblicherweise stellt Speichel eine an Calcium- und Phosphat-Ionen übersättigte Lösung dar und erzeugt eine annähernd pH-neutrale Umgebung für die Zähne. Auf diese Weise wird ein Herauslösen der Mineralien aus der Zahnhartsubstanz verhindert. Aufgrund visueller oder olfaktorischer Reize erhöht sich die Speichelflussrate vor der Aufnahme von Nahrung und stellt einen zusätzlichen präventiven Schutz vor Säureangriffen dar. Auch Kauen sorgt für einen ausreichenden Speichelfluss und Zahnschutz. Bestimmte Arzneimittel wie Antidepressiva oder Antihistaminika, die die Speichelsekretion verringern und damit zu Mundtrockenheit führen können, erhöhen das Risiko für das Auftreten einer Zahnerosion. In solchen Fällen hat sich das Kauen zuckerfreier Kaugummis bewährt, wodurch die Speichelbildung angeregt wird. Neben einem ausreichenden Speichelfluss spielt als weiterer neutralisierender Faktor der Calcium- und Phosphatgehalt der Nahrung eine wichtige Rolle. Milchprodukte enthalten von Natur aus viele Calcium- und Phosphat-Ionen. Sie verhindern das Herauslösen dieser Ionen aus dem Zahnschmelz und können so einen schützenden Effekt ausüben. Joghurt hat beispielsweise einen pH-Wert von ungefähr 4, zeigt aber kein erosives Potenzial. Bei diesem Nahrungsmittel relativiert der hohe Gehalt an Calcium- und Phosphat-Ionen den sauren Charakter.
Abgrenzung zur Zahnkaries
Ebenso wie die Zahnerosion wird auch eine Karies der Zähne durch Säuren ausgelöst, diese Säuren stammen dann aber aus dem Stoffwechsel von Plaquebakterien. Zu Beginn des kariösen Prozesses führen diese Säuren zwar auch zu oberflächlichen Auflösungserscheinungen, der Unterschied zur Zahnerosion liegt aber in der zunächst lokalen Begrenzung. Im weiteren Verlauf breitet sich Karies dann unaufhaltsam bis zur Pulpa fort, eine Erosion spielt sich hauptsächlich an der Oberfläche des Zahnschmelzes und dem dann freiliegenden Dentin ab.
Ein Angriff von innen
Säuren, die aus dem Magen in die Mundhöhle gelangen, können ebenfalls zu Zahnerosionen führen; man spricht in diesem Zusammenhang auch von intrinsischen Erosionsursachen. Ein krankhaft gesteigerter Rückfluss des sauren Mageninhaltes in die Speiseröhre, wie er bei der Refluxkrankheit vorliegt, erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Zahnerosion deutlich. Betroffen davon können auch Schwangere mit häufigem Erbrechen und Patienten mit der Essstörung Bulimie sein. Um den aufgeweichten Zahnschmelz nicht noch zusätzlich zu schädigen, ist es wichtig, nach dem Erbrechen nicht sofort die Zähne zu putzen. Besser ist es, den Mund zunächst nur mit etwas Wasser auszuspülen.
Die richtige Behandlung
Bei dentalen Erosionen ist die Grundlage jeder Behandlung die Schonung und der Erhalt von möglichst viel Zahnhartsubstanz. Dabei spielen die Änderung von Ernährungsgewohnheiten, das Erlernen korrekter Putztechniken mit fl uoridhaltiger Zahncreme und weicher Zahnbürste sowie die Therapie vorhandener Erkrankungen wie Reflux und Essstörungen eine wichtige Rolle. Säurehaltige Lebensmittel und vor allem saure Getränke sollten nicht ständig über den Tag verteilt konsumiert werden. Um den aufgeweichten Zahnschmelz nicht noch zusätzlich durch mechanischen Abrieb zu schädigen, sollte zudem beim Zähneputzen grundsätzlich möglichst wenig Druck ausgeübt werden.
Fluoridhaltige Zahnpasta
Neben der Kariesprophylaxe wirken fl uoridhaltige Zahnpasten auch effektiv gegen Zahnerosion. Das enthaltene Fluorid reagiert mit dem Hydroxylapatit der Zahnhartsubstanz zum säurestabileren Fluorapatit und schützt so den Zahnschmelz wirkungsvoll vor Demineralisation. Weiterhin bildet sich auf der Zahnoberfläche eine Deckschicht aus Calciumfluorid, die einen Angriff von Säuren deutlich erschwert. Zahnpasten für Erwachsene und Jugendliche sowie für Kinder ab dem Schulalter haben dabei einen Fluoridgehalt von 0,10 bis 0,15 % (= 1.000 bis 1.500 ppm). Für kleinere Kinder sind entsprechende Zahnpasten mit einer niedrigeren Fluoridkonzentration (0,05 % = 500 ppm) erhältlich. Chemisch kann zwischen anorganischen Fluoridverbindungen wie Natriumfluorid und Natriummonofluorphosphat sowie der Stoffgruppe der organischen Aminfluoride unterschieden werden. Bei den Aminfluoriden, die in Zahnpflegeprodukten eingesetzt werden, handelt es sich um Olaflur und Dectaflur. Die organischen Verbindungen sind Hydrofluoride von Aminen und verfügen sowohl über hydrophile als auch hydrophobe Komponenten und wirken dadurch oberflächenbenetzend. Durch diese Tensidwirkung unterscheiden sie sich von den anorganischen Fluoridverbindungen. Aminfluoride können die Zähne gleichmäßig benetzen und reichern sich auf der Zahnoberfläche an. Außerdem haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass bei der Anwendung von Zahnpasten mit Aminfluorid eine stärkere Bildung von Calciumfluorid auf dem Zahnschmelz erfolgt als bei der Verwendung von Zahnpasten mit anorganischen Fluoridverbindungen. Außerdem bildet sich die vor dem Angriff von Säuren schützende Deckschicht wesentlich schneller.
Kombination mit Zinn-Verbindungen
Gerade in Zahnpasten, die laut Herstellerangaben eine besonders schützende Wirkung auf den Zahnschmelz haben, wird Aminfluorid häufig mit Zinnchlorid kombiniert. Durch die gemeinsame Verarbeitung beider Substanzen in einer Zahnpasta bildet sich auf der Zahnoberfläche eine zinnreiche Schicht, die die Zähne besonders wirkungsvoll vor erosiven Säureangriffen schützen soll.