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Kommentar: Kopftuch in der Apotheke

Bild: zhagunov_a / Adobe Stock

Die Me-Two-Debatte bestimmt zur Zeit große Teile der Sozialen Medien. In der vergangenen Woche ist auch in unserem Beruf eine Diskussion über das Tragen von Kopftüchern in der Apotheke entbrannt. Diese Debatte beschäftigt sich auch mit möglichen Diskriminierungen von Apotheken-Angestellten mit Migrationshintergrund. In unseren Beruf wurde bis jetzt diesem Thema wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Jetzt haben wir die Chance, das zu ändern.

Kleidung - wofür?

Unsere Bekleidung erfüllt im wesentlichen drei Funktionen. Zunächst schützt eine zweckmäßige Kleidung vor ungünstigen Umwelteinflüssen. Durch einen bestimmten Kleidungsstil können wir uns aber auch uns selbst darstellen und unsere Weltanschauung oder Abstammung unserer Umwelt mitteilen. Außerdem verrät unsere Kleidung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe oder Peergroup.

Privates Outfit und Businesskleidung

Es ist ein wichtiger Unterschied, ob wir über ein Outfit im privaten Bereich reden oder ob wir uns über im Beruf getragene Business-Kleidung unterhalten. In beiden Fällen ist der Kleidungsstil bestimmten Normen unterworfen, die allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Im privaten Bereich werden die Regeln im wesentlichen durch Normen und Konventionen unseres Kulturkreises gesetzt. Die Toleranzgrenzen sind hier naturgemäß deutlich weiter gefasst, als für im Beruf zu tragende Kleidung. Im privaten Bereich sind die geltenden Konventionen einem ständigen Wandel unterworfen und werden fortlaufend neu austariert. Auch privat ist keineswegs alles erlaubt. Wenn sich jemand zum Beispiel beim Weihnachtsshopping seinen Wunsch erfüllen würde und in äußerst knapp gehaltener Badekleidung in einem Einkaufszentrum auftauchte, dann könnte dieser Auftritt eine große mediale Aufmerksamkeit nach sich ziehen. Ich bin mir nicht sicher, welche Reaktionen jemand auslösen könnte, der dem bayrischen Deutschlandklischee entsprechend in einer Krachledernen mit Hosenträgern und mit Gamsbart geschmücktem Hut in einer eleganten norddeutschen Opernpremiere Einlass begehren würde?

Berufsbezogene Business-Kleidung ist anderen Normen unterworfen als Privatkleidung. Es lohnt sich einmal darüber nach zu denken, welche Reaktionen ein Mann in schottischer Nationaltracht auslösen könnte, wenn er sich im Schottenrock im internationalen Finanzgeschäft um eine Anstellung als Finanzberater bewerben würde? Ganze Heerscharen von Personal-Trainern und Buisiness-Coaches verdienen ihren Lebensunterhalt damit, einschlägige Regeln für ein angemessenes Business-Outfit zu vermitteln. Der Gesundheitsbereich ist in großen Teilen von dieser Tendenz noch ausgenommen. Hier gelten eigene Regeln, die nicht unbedingt auf andere Branchen übertragbar sind.

Anforderungen an Berufsbekleidung

In vielen Apotheken ist das Tragen eines Berufskittels nach wie vor Standard. Diese Kleidungsstücke haben die Funktion, eine Übertragung von Infektionen durch unserer Bekleidung anhaftende pathologische Keime zu verhindern. Deshalb werden unsere Kittel in der Regel von der Apotheke gewaschen und gebügelt. Durch ihre glatte Oberfläche sollen sie Bakterien und Viren möglichst wenig Gelegenheit bieten, sich in der Kleidung einzunisten. Großformatige Schals und wallende Gewänder aus schlecht waschbaren Materialien tragen ein deutlich höheres Risiko als Kittelkleidung, dass nicht nur Bakterien und Viren sondern auch toxische Substanzen wie sie in der Rezeptur verwendet werden, andocken und anschließend auf unsere Mitmenschen übertragen werden. In allen Gesundheitsberufen ist es oberste Priorität, ein Übertragen von Keimen auszuschließen! In der Apotheke hat die Apothekenleitung dafür zu sorgen, dass diese Prämisse zuverlässig eingehalten wird. Unzweckmäßige Kleidung kann jedoch das Hygienemanagement einer Apotheke empfindlich stören. Das gilt insbesondere für groß dimensionierte Kopfbedeckungen und wehende, bodenlange Kleider.

Über die Autorin

Nach ihrem Studium der Pharmazie in Kiel war Elisabeth Theing-Bleck lange als angestellte Apothekerin in öffentlichen Apotheken tätig. Gleichzeitig führte sie nebenberuflich Schulungen in Apotheken durch. An der Universität Düsseldorf hat sie einen Lehrauftrag. Als freiberuflich tätige Dozentin bereitet sie schwerpunktmäßig Apothekerinnen und Apotheker auf die Herausforderungen und Chancen des demographischen Wandels vor. Ihre Schulungen sind auch für Fachleute benachbarter Gesundheitsberufe offen. Sie ist außerdem stellvertretende Vorsitzende des Frauenrat NRW e. V.

Corporate Identity

Corporate Identity ist die Gesamtheit der Merkmale, die ein Unternehmen kennzeichnet und es von anderen Unternehmen unterscheidet. In einem immer härter werdenden Wettbewerb gewinnt damit der Außenauftritt einer öffentlichen Apotheke zunehmend an Bedeutung. Die Corporate Identity legt der Apothekeninhaber so fest, wie er sich für seinen Betrieb die besten Chancen ausrechnet. Das ist Teil des unternehmerischen Handelns. In den seltensten Fällen haben Angestellte in diesem Bereich ein Mitspracherecht.

Das Offizin-Personal hat sich in die Corporate Identity einer Apotheke einzuordnen. Deshalb dürften der Krachlederne, der Schottenrockträger, die Nonne im Ornat und auch die allzu freizügig gekleidete Dame kaum eine reale Chance auf Einstellung auf einen Arbeitsplatz mit Kundenkontakt haben. Handelt es sich vor diesem Hintergrund um eine Diskriminierung, wenn eine konservativ verschleierte Burkaträgerin in den Reigen der Bewerber eingeordnet werden müsste, die eher eine unrealistische Chance auf eine Einstellung auf einen öffentlich sichtbaren Arbeitsplatz haben? In Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund dürfte eine Kopftuchträgerin allerdings sogar bevorzugt einstellt werden.

Und noch eine unbeantwortete Frage: Die unternehmerische Freiheit des Apothekenleiters, ist diese so hoch einzustufen, dass dieser sein Personal auch nach dessen äußerem Erscheinungbild einstellen kann? Ist es wirklich sinnvoll, diese kontroverse Frage durch Gerichte beantworten zu lassen oder sollten wir das lieber im Rahmen unserer Selbstverwaltung lösen? An dieser Stelle kommen jetzt die Kammern ins Spiel. Ihnen schreibt das Heilberufsgesetz vor, „auf ein gedeihliches Verhältnis der Kammerangehörigen untereinander hinzuwirken“. Fortbildungsveranstaltungen, die interkulturelle Unterschiede zum Thema machen, sind mir bisher nicht bekannt. Ich selber bin der festen Meinung, dass sich sowohl die BAK und die Kammern diesem Thema in moderierenden Arbeitsgruppen schleunigst stellen müssen.

Fazit

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine kluge Apothekenleitung eine selbstbewusste Kopftuchträgerin dann gerne einstellt, wenn diese bereits im Bewerbungsverfahren ihre Bereitschaft für einen Kompromiss zwischen den betrieblichen Anforderungen und den eigenen Kleidungsvorstellungen vorschlägt. Ein hochgeschlossener Eppendorf-Kittel in Maxilänge und ein knapp gehaltenes weißes Kopftuch dürften beispielsweise sowohl den Kleidervorschriften des Islams genügen und auch mit den Anforderungen an Berufskleidung in der Apotheke vereinbar sein. Bewerberinnen und Bewerber im Gesundheitswesen mit fest verankerten Kleidervorschriften und Arbeitgeber und Arbeiterinnen sollten meiner festen Meinung solche und ähnliche Lösungswege gemeinsam vorantreiben.