Celestamine®-Engpass: Wenn ein Notfall-Arzneimittel fehlt
Lieferengpässe bei Arzneimitteln gehören mittlerweile zum Apothekenalltag. Manchmal sind nur wenige Hersteller betroffen oder es handelt sich um leicht ersetzbare Wirkstoffe, und die Apotheken finden genügend Alternativen. Doch es gibt auch andere Szenarien, wenn tatsächliche Notfall-Arzneimittel fehlen. Wie aktuell bei Celestamine® N 0,5 liquidum. Das Arzneimittel enthält ein hochwirksames Corticoid, Betamethason. Die Darreichungsform ist flüssig – der Wirkstoff liegt bereits in gelöster Form vor, wirkt im Notfall schnell und kann ohne Wasser eingenommen werden. Celestamine® N 0,5 liquidum setzen Patienten mit Bienen- oder Wespengiftallergie im Falle eines Stiches ein. Gemeinsam mit einem Antihistamin (beispielsweise Fenistil® Tropfen) und einem Adrenalin-Autoinjektor ist es Bestandteil des Notfall-Sets bei Insektengiftallergikern – und sollte von diesen auch immer mitgeführt werden. Nur jetzt meldet MSD einen Lieferengpass beim Notfall-Arzneimittel Celestamine® N 0,5 liquidum.
Celestamine®-Lieferengpass bis Mai
Der Engpass besteht bereits seit einigen Wochen. Schon im Januar dieses Jahres meldete MSD die Lieferschwierigkeiten ans BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Das BfArM führt eine Liste über Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Als Lieferengpass definiert das Bundesinstitut, wenn voraussichtlich über zwei Wochen die Auslieferung nicht im üblichen Umfang erfolgen oder eine verstärkte Nachfrage nicht bedient werden kann.
Vor allem Bienengiftallergiker trifft der Engpass
Das voraussichtliche Ende der Versorgungsschwierigkeiten sieht MSD Ende Mai 2018. Das ist zwar ein überschaubarer Zeitraum, allerdings für Bienengiftallergiker wenig tröstlich. Bienen sind vor allem im Frühjahr und im Sommer aktiv, zu dieser Zeit fliegen sie am emsigsten. Wespen hingegen haben ihre Haupflugzeit eher im Sommer und bis in den Spätherbst hinein. Das heißt: Mit einer Lieferbarkeit Ende Mai könnte es für die Bienenstichallergiker knapp werden.
MSD rationiert Celestamine® N 0,5 liquidum
Das hat wohl auch MSD erkannt. Der Pharmahersteller rationiert aus diesem Grund Celestamine® N 0,5 liquidum streng. Für die Dauer des Engpasses erhalten tatsächlich ausschließlich Bienen- und Wespengiftallergiker das Präparat. Celestamine® N 0,5 liquidum hat nämlich neben dieser Indikation als Notfall-Therapeutikum noch weitere Anwendungsgebiete, unter anderem die rheumatoide Arthritis. Doch wie kontrolliert MSD diese selektive Patientenversorgung? Ganz einfach: Apotheken können Celestamine® N 0,5 liquidum derzeit ausschließlich beim Hersteller ordern. Eine Bestellung über den Großhandel ist aktuell nicht möglich.
Damit hier nichts schief läuft, fordert MSD noch mehr – eine ärztliche Bestätigung über das Anwendungsgebiet von Celestamine® N 0,5 liquidum. „Hiermit bestätige ich mit meiner u. a. Unterschrift, dass das benötigte Celestamine® N 0,5 liquidum ausschließlich für die Indikation: Akutbehandlung nach Bienen- beziehungsweise Wespenstichen bei Insektengiftallergie oder als Bestandteil des Notfallsets zur Soforthilfe bei anaphylaktischen Reaktionen verwendet wird“.
Was steckt hinter den Lieferengpässen?
Die Gründe für den Lieferengpass bei Celestamine® N 0,5 liquidum umreißt MSD nur grob: „Nach den uns vorliegenden Informationen gab es ein Problem bei der Fertigung von Celestamine® N 0,5 liquidum. Bis die Ursache hierfür behoben ist, ruht die Produktion,“ sagt der Pharmahersteller hierzu.
Celestamine® N 0,5 Tabletten ebenfalls defekt
Neben Celestamine® N 0,5 liquidum vertreibt MSD auch betamethasonhaltige Tabletten: Celestamine® N 0,5 Tabletten. Diese unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Anwendungsgebiete wesentlich von der flüssigen Darreichungsform. Die Tabletten dienen der Behandlung allergischer Erkrankungen wie Heuschnupfen, Nesselsucht, chronischem Asthma oder Neurodermitis. Ungeachtet dessen – auch die feste Darreichungsform ist vom Lieferengpass betroffen.
Welche Alternativen gibt es zu Celestamine® N 0,5 liquidum?
Doch es gibt Alternativen – auch wenn nicht alle Präparate eine offizielle Zulassung zur Anwendung bei anaphylaktischen Reaktionen haben. Ein flüssiges corticoidhaltiges Arzneimittel ist Infectodexakrupp® 2mg/5ml Saft mit Dexamethason. Wie Betamethason in Celestamine® N 0,5 liquidum zählt auch Dexamethason in Infectodexakrupp® 2mg/5ml Saft zu den stark wirksamen Glucocorticoiden. Hinsichtlich ihrer entzündungshemmenden Potenz sind die beiden Wirkstoffe vergleichbar. Sie wirken 25- bis 30-fach stärker als körpereigenes Cortisol. Allerdings: Die Zulassung von Infectodexakrupp® 2mg/5ml Saft umfasst – neben onkologischen, neurologischen und autoimmunen Erkrankungen – nur den schweren akuten Asthmaanfall. Ärzte, die folglich Infectodexakrupp® 2mg/5ml Saft für einen anaphylaktischen Notfall verordnen, bewegen sich in der klassischen Off-label-Anwendung.
Anders bei Infectocortikrupp® Zäpfchen. Mit dem Wirkstoff Prednisolon sind diese zugelassen zur Behandlung von allergischen Reaktionen vom Soforttyp. Prednisolon ist deutlich schwächer als Betamethason und Dexamethason und wirkt nur etwa viermal stärker als Cortisol.