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Darmbakterien können Diabetes fördern

junge Frau checkt am Smartphone Glucosewerte
Ein Ungleichgewicht bestimmter Darmbakterien könnte schneller zu einem Typ-2-Diabetes führen. | Bild: lukszczepanski / AdobeStock

Das Darm-Mikrobiom hat einen großen Einfluss auf die Gesundheit des Menschen. Forscher sind sich einig, dass die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm eine wichtige Rolle bei der Entstehung zahlreicher Erkrankungen spielt. 

Problematisch wird es dann, wenn eine Dysbiose entsteht. Darunter versteht man ein Ungleichgewicht zwischen guten, nützlichen Darmbakterien und solchen, die eher negative Einflüsse auf die Gesundheit haben. Forscher haben nun in einer Studie untersucht, ob es einen konkreten Zusammenhang mit der Entstehung von Diabetes Typ 2 gibt.

Großangelegte Metaanalyse untersuchte 8000 Proben

Ein Forscherteam aus Boston hat im Rahmen einer großen systematischen Übersichtsarbeit die Daten aus zahlreichen vergangenen Studien gebündelt und miteinander verglichen. Solch eine Metaanalyse dient dazu, eine allgemeingültige Aussage zu einem bestimmten Thema machen zu können. Für die Auswertung wurden Daten von mehr als 8.000 Teilnehmern charakterisiert, darunter 1.851 Menschen mit Typ-2-Diabetes.

Bei den herangezogenen Studien lagen üblicherweise Daten aus Metagenomanalysen vor, die nach dem Schema der „Shotgun-Sequenzierung“ ablaufen. Hierbei wird das Erbgut der Mikroorganismen, welche sich in einer Stuhlprobe befinden, in kleine Fragmente zerlegt bzw. „zerschossen“. Daraus leitet sich auch der Name der Methode (Shotgun = Schrotflinte) ab. Die daraus resultierenden Gensequenzen dienen der Identifizierung bestimmter Mikroorganismen und geben Auskunft über deren Stoffwechselvorgänge.

Verglichen wurde das Darm-Mikrobiom von Personen mit Diabetes Typ 2, mit einem Prädiabetes und Personen mit einem normalen Glucosestoffwechsel (Normoglykämie). Die Kohorte bestand zu ungefähr gleichen Teilen aus Männern und Frauen aus den USA, Europa (u. a. Deutschland und Schweden), Israel und China. Die Ergebnisse wurden im Juni 2024 im Fachjournal „Nature medicine“ veröffentlicht.

Zur Erinnerung: Was ist ein Prädiabetes?

Ein Prädiabetes stellt die Vorstufe einer Diabetes-mellitus-Erkrankung dar. Zu diesem Zeitpunkt sind die Nüchtern-Blutzuckerwerte bereits erhöht, liegen aber noch unter den definierten Diabetes-Grenzwerten. 

Nicht jeder Prädiabetes entwickelt sich automatisch zu einem Diabetes Typ 2, wobei das Risiko stark erhöht ist. Werden Veränderungen bei den Blutzuckerwerten festgestellt, sollten erste Lebensstil-Anpassungen erfolgen. Dazu gehören die Bereiche Ernährung, Bewegung, Schlaf, Rauchen sowie Gewichtsmanagement.

Nüchtern-Blutzuckerwerte im Überblick:

  • Normoglykämie: ≤ 99 mg/dl (≤ 5,5 mmol/l)
  • Prädiabetes: 100 bis 125 mg/dl (5,6 bis 6,9 mmol/l)
  • Diabetes mellitus: ≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l)

Zusammenhang zwischen Diabetes Typ 2 und Dysbiose entdeckt

Im Fall von 19 verschiedenen Bakterienspezies stellte das Forscherteam eine Dysbiose fest, die in direktem Zusammenhang mit einem Diabetes Typ 2 stand, 14 davon zusätzlich mit einem Prädiabetes. Einige Vertreter wurden erstmalig im Rahmen dieser Metaanalyse charakterisiert. 

Es konnten einige Überpopulationen identifiziert werden, beispielsweise mit Escherichia coli, Clostridium bolteae und Prevotella copri. Letzteres ist für die Bildung großer Mengen verzweigtkettiger Aminosäuren („branched-chain amino acid“ oder BCAA) verantwortlich, welche die Insulinsensitivität im Körper herabsetzen können. Langfristig kann dies zu einer Insulinresistenz führen, wodurch die Aufnahme von Glucose in die Körperzellen nicht mehr reibungslos abläuft. 

Außerdem war u. a. die Population von Clostridium sp. CAG 167 reduziert, was wahrscheinlich durch die Bildung kurzkettiger Fettsäuren einen positiven Einfluss auf die Darmgesundheit hat.

Weiterhin könnten bestimmte Untergruppen einiger Spezies eine Rolle bei der Entstehung von Diabetes spielen, vermuten die Forschenden. Welche das genau sind, sei allerdings nicht ganz klar. Auffällig ist Eubacterium rectale, da einige Vertreter in Verdacht stehen, darmassoziierte Entzündungen zu fördern, wohingegen andere anscheinend einen positiven Einfluss auf den Glucosestoffwechsel aufweisen.

Interessant ist zudem, dass die Ergebnisse unabhängig von weiteren Faktoren wie Alter, Body-Mass-Index (BMI), Geschlecht sowie der Einnahme von Metformin sind. Außerdem konnten die Forschenden keinen Unterschied ausmachen, ob die Probanden erst seit kurzem einen Diabetes Typ 2 aufwiesen oder bereits viele Jahre daran erkrankt waren.

Verdacht: Dysbiose erhöht das Risiko für Diabetes mellitus

Aufgrund der Ergebnisse kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die Dysbiose wahrscheinlich bereits vor der Diabetes-Diagnose im Darm vorliegt und nicht erst im Krankheitsverlauf entsteht. Um dies zu bestätigen, benötigt es weitere Untersuchungen, insbesondere mit einer größeren Probandenzahl und häufigeren Stuhluntersuchungen im Krankheitsverlauf.

Sollten sich die Hinweise bestätigen, könnten zukünftig neue Präventionstherapien etabliert werden, die eine Diabetes-Typ 2-Entstehung frühestmöglich verhindern. Außerdem rückt eine darmgesunde Ernährung und der Einsatz von passenden Probiotika weiter in den Fokus der Forschung. Literatur:
Studie: https://www.nature.com/articles/s41591-024-03067-7
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/152504/Typ-2-Diabetes-Patienten-haben-haeufig-gestoertes-Darmmikrobiom
https://www.gelbe-liste.de/diabetologie/mikrobiom-und-typ-2-diabetes
 

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