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Praxiswissen
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Grenzflächenaktive Wirkstoffe: Was bei Cremes zu beachten ist

Durch Destabilisierung von Emulsionssystemen können lipophile Cremes brechen und hydrophile Cremes verflüssigen sich meist. | Bild: Gerhard Seybert / AdobeStock

Emulsionssysteme sind mehrphasige Zubereitungen, die aus einer lipophilen und einer hydrophilen Phase bestehen. Die Kontaktfläche zwischen den unterschiedlichen Flüssigkeiten wird als Grenzfläche bezeichnet. An dieser Phasengrenze herrscht eine relativ hohe Grenzflächenspannung, die der Grund dafür ist, dass es sich bei Emulsionen um instabile Systeme handelt. 

Werden eine hydrophile und eine lipophile Flüssigkeit – beispielsweise Wasser und Öl – miteinander geschüttelt, verteilt sich die eine Flüssigkeit zunächst tröpfchenförmig in der anderen. Schon nach kurzer Zeit kommt es aber wieder zur Entmischung. Durch Zusatz von Emulgatoren kann die Grenzflächenspannung herabgesetzt und somit das System stabilisiert werden. Das Zusammenfließen der Tröpfchen wird verhindert und eine Herstellung von Emulsionen wird dadurch überhaupt erst möglich.

Emulgatoren sind amphiphile Verbindungen

Emulgatoren als amphiphile Verbindungen. Beispiel Natriumpalmitat als O/W-Emulgator. | Bild: DAV

Um die Grenzflächenspannung herabzusetzen, müssen sich Emulgatoren an der Grenzfläche zwischen Wasser- und Ölphase anreichern können. Dies gelingt durch ihre amphiphile Struktur, das bedeutet, dass im Molekül mindestens eine hydrophile und eine lipophile Gruppe enthalten ist.

Grenzflächenaktive Arzneistoffe sind ebenfalls amphiphil

Bei den grenzflächenaktiven Wirkstoffen handelt es ebenfalls um amphiphile Verbindungen (hydrophile und lipophile Gruppe im Molekül). Die meisten Substanzen zeigen dabei den Charakter eines O/W-Emulgators. 

Werden grenzflächenaktive Substanzen in Emulsionssysteme eingearbeitet, treten sie in Konkurrenz zum bereits vorhandenen Emulgator und führen dadurch zu Unverträglichkeiten. Bei W/O-Zubereitungen kommt es dabei meist zu einem Brechen des Emulsionssystems, bei O/W-Zubereitungen ist häufig eine deutliche Verflüssigung zu beobachten.

Lauromacrogol 400 führt häufig zu Unverträglichkeiten

Ein häufig vorkommender grenzflächenaktiver Wirkstoff ist Lauromacrogol 400. Die Substanz wird aufgrund der lokalanästhetischen Wirkung in dermatologischen Zubereitungen bei Juckreiz eingesetzt. Die salbenartige, weiße Substanz wurde früher auch als Polidocanol 600 bezeichnet. 

Durch die amphiphile Struktur weist Lauromacrogol 400 grenzflächenaktive Eigenschaften auf. Bei der Verarbeitung mit Creme-Grundlagen kommt es daher häufig zu Inkompatibilitäten. Vor allem beim Einarbeiten in lipophile Grundlagen zählt Lauromacrogol 400 zu den galenischen Problem-Arzneistoffen. Trotzdem wird der Wirkstoff häufig mit Wollwachsalkoholcreme DAB verordnet.

Lipophile Creme (W/O)
Polidocanol2,5 g
Wollwachsalkoholcreme DABzu 50,0 g

Bei der Wollwachsalkoholcreme DAB handelt es sich um eine W/O-Creme mit 50 % Wasseranteil. Der grenzflächenaktive Wirkstoff stört den vorhandenen W/O-Emulgator an der Grenzfläche zwischen Öl- und Wasserphase und kann zum Brechen des Emulsionssystems führen. Es handelt sich dabei meist um eine larvierte Unverträglichkeit (keine Änderung in Farbe/Form/Geruch; organoleptisch nicht erkennbar), denn die zunächst homogene Zubereitung bleibt nicht über den gesamten Anwendungszeitraum stabil. So bemerkt der Patient die Inkompatibilität zu Hause durch eine Verflüssigung der Creme und den Austritt von Wasser. 

Um das Problem zu lösen, kann die ursprüngliche Grundlage gegen die wasserfreie Wollwachsalkoholsalbe DAB ausgetauscht werden. 

Soll eine lipophile Grundlage beibehalten werden, kann Lauromacrogol 400 nach einem geprüften Rezepturvorschlag verarbeitet werden. Eine geeignete Rezeptur wäre die NRF-Vorschrift 11.119. Lipophile Polidocanol-Creme. Die Zusammensetzung der dort verwendeten Grundlage ähnelt der Hydrophoben Basiscreme DAC, allerdings ist der Wasseranteil stark verringert.

Verarbeitung mit Kühlcreme DAB

Lauromacrogol 400 wird häufig auch mit Kühlcreme DAB verordnet. Bei dieser Grundlage handelt es sich um eine Quasi-W/O-Creme ohne echten Emulgator und ohne Konservierungsmittel. Die Wasserphase wird durch die enthaltenen Wachse und Öle mechanisch festgehalten. Nach dem Auftragen auf die Haut bricht die Pseudoemulsion und durch das austretende Wasser kommt es zu einem leichten Kühleffekt. 

Da die Kühlcreme keinen stabilisierenden Emulgator enthält, ist sie zur Einarbeitung von Wirkstoffen wenig geeignet. Aufgrund ihrer guten Verträglichkeit auch für empfindliche Haut wird sie aber häufig mit zahlreichen Wirkstoffen verordnet. 

Zubereitungen mit Kühlcreme DAB und Lauromacrogol 400 gelten über vier Wochen als physikalisch stabil, danach kommt es verstärkt zur Abscheidung von Wasser. Die Herstellung sollte auf klassischem Weg in einer Fantaschale mit Pistill erfolgen, bei Verwendung automatischer Rührsysteme kann es zu einer starken Konsistenzabnahme kommen.

Ammoniumbituminosulfonat als weiterer Wirkstoff

Auch bei der Verarbeitung von Ammoniumbituminosulfonat mit lipophilen Cremes treten häufig Probleme auf. Die Substanz ist auch unter dem Namen Ichthyol® bekannt und weist antibakterielle, antiphlogistische und antimykotische Eigenschaften auf. Sie wird daher häufig bei entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt. 

Bei der schwarzbraunen Flüssigkeit handelt es sich um ein Vielkomponentengemisch aus salzartigen anionischen Verbindungen mit grenzflächenaktiven Eigenschaften.

Gut zu wissen: Ammoniumbituminosulfonat ist keine Teerverbindung

Ichthyol® wird durch trockene Destillation aus dem Sedimentgestein Ölschiefer gewonnen. Durch Zugabe von Schwefelsäure und Ammoniak zu dem zunächst erhaltenen dunklen Schieferöl entsteht Ammoniumbituminosulfonat. 

Schieferöle sind keine Teerverbindungen und dürfen nicht mit Steinkohlenteer-Verbindungen verwechselt werden. Sie enthalten keine polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe und haben somit auch keine cancerogenen bzw. mutagenen Eigenschaften.

Um stabile Zubereitungen zu erhalten, sollte Ammoniumbituminosulfonat entweder mit wasserfreien lipophilen Grundlagen oder nach standardisierten Rezepturvorschlägen verarbeitet werden. Zur Herstellung einer lipophilen Creme ist die Lipophile Ammoniumbituminosulfonat-Creme nach NRF 11.12. geeignet, dabei ist der Wasseranteil der Zubereitung wieder stark reduziert.

Grenzflächenaktive Wirkstoffe und hydrophile Cremes 

Werden grenzflächenaktive Arzneistoffe mit O/W-Emulsionssystemen verarbeitet, kommt es meist nicht zum Brechen des Emulsionssystems, sondern teilweise zu einer deutlichen Konsistenzabnahme der Zubereitung. Die grenzflächenaktiven Substanzen bilden mit dem O/W-Emulgator sogenannte Mischmizellen, d. h. sie reichern sich auch zwischen hydrophiler und lipophiler Phase an. Dadurch kann sich die Eigenschaft des ursprünglich eingesetzten Emulgators verändern und eine deutliche Verflüssigung der O/W-Zubereitung auftreten. 

Wird beispielsweise Lauromacrogol 400 mit der vergleichsweise dickflüssigen Hydrophilen Basisemulsion DAC verarbeitet, entsteht eine dünnflüssige instabile Zubereitung. Auch eine Stabilisierung mit verdickenden Hilfsstoffen wie z. B. Carbomer 50.000 hilft nicht weiter. Da Vorhersagen auf theoretischer Basis schwierig sind, sollten grenzflächenaktive Arzneistoffe mit O/W-Grundlagen nach standardisierten Rezepturen verarbeitet werden. Zur Herstellung einer hydrophilen Creme kann Lauromacrogol 400 nach einem Rezepturvorschlag aus dem NRF (Hydrophile Polidocanol-Creme NRF 11.118.) verarbeitet werden. 

Sollen grenzflächenaktive Wirkstoffe mit hydrophilen Markengrundlagen wie Milch Cordes oder Lotio Cordes verarbeitet werden, lohnt sich ein Blick in die Ziegler Rezepturbibliothek. Hier sind Hinweise zu geeigneten Grundlagen und zur jeweiligen Herstellung zu finden.

Beispiel einer Rezeptur von Polidocanol 1 % in Milch Cordes. | Bild: Ziegler Rezepturbibliothek

Chlorhexidindigluconat: Häufig mit O/W-Zubereitungen

Als weiterer grenzflächenaktiver Wirkstoff spielt das Chlorhexidin-Salz Chlorhexidindigluconat eine Rolle. Die Substanz wird meist mit hydrophilen O/W-Grundlagen zur Hautdesinfektion bei Neurodermitis verordnet. Das Salz ist sehr leicht wasserlöslich und kann daher in Form einer wässrigen Lösung zur Herstellung von Rezepturen eingesetzt werden. 

Da es sich bei Chlorhexidindigluconat um eine kationische Substanz handelt, besteht eine Unverträglichkeit mit anionischen Grundlagen wie Anionischer hydrophiler Creme DAB.

Gut zu wissen: Graufärbung bei Verarbeitung mit Sorbinsäure

Wird Chlorhexidindigluconat mit Grundlagen verarbeitet, die durch das Konservierungsmittel Sorbinsäure vor mikrobiellem Befall geschützt sind, kommt es aufgrund einer chemischen Reaktion zu einer grauen Verfärbung. Zur Verarbeitung mit dem Chlorhexidin-Salz sollen also keine mit Sorbinsäure konservierten Grundlagen eingesetzt werden. 

Geeignet wäre Basiscreme DAC, die durch den 20%igen Propylenglycol-Zusatz mikrobiell nicht anfällig ist, oder Nichtionische hydrophile Creme DAB, konserviert mit PHB-Estern.

Hydrophile Chlorhexidindigluconat-Creme 1 % (NRF 11.116.)
Chlorhexidindigluconat-Lösung 200 g/l2,67 g
Basiscreme DACzu 50,0 g

Nach Möglichkeit sollte die Zubereitung auf manuellem Weg hergestellt werden, dabei kommt es zu einer leichten Konsistenzabnahme. 

Bei der Verwendung von automatischen Rührsystemen kann es durch die Bildung von Mischmizellen zu einer deutlichen, irreversiblen Verflüssigung der Creme kommen. Aus diesem Grund sollten die Mischparameter angepasst werden und im Bereich von 300 bis 500 Umdrehungen pro Minute bei verlängerter Mischzeit liegen. 

Dünnflüssige Rezepturen müssen aus der Kruke in ein geeignetes Packmittel wie eine Schüttelmixturflasche umgefüllt werden. Quellen:
DAC/NRF-Rezepturhinweis Lauromacrogol 400 (18.11.2020);
DAC/NRF-Rezepturhinweis Ammoniumbituminosulfonat (02.08.2021);
DAC/NRF-Rezepturhinweis Chlorhexidin-Salze (19.07.2023);
A. Bergner, Grenzflächenaktive Wirkstoffe in der Rezeptur (Vortrag zum Rezeptursommer 2023)
 

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