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ganz natürlich: Blutwurz: Heilkraft aus der Erde

Die Blutwurz ist eine unscheinbare, auch in Deutschland häufig anzutreffende Wald- und Wiesenpflanze. Sie ist auch als Aufrechtes Finger- oder Steinkraut, Tormentill oder Rotwurz bekannt und zählt zur Familie der Rosengewächse. Im engeren Sinne gehört sie zur Gattung der Fingerkräuter (Potentilla), welche circa 400 bis 500 Arten umfasst. In Mitteleuropa sind aus dieser Gattung außerdem etwa das Gänsefingerkraut (Potentilla anserina) und auch das Kriechende Fingerkraut (Potentilla reptans) bekannt. Charakteristisch für Potentilla erecta, wie der lateinische Name der Blutwurz lautet, ist der ein bis drei Zentimeter dicke Wurzelstock, welcher sich nach dem Anschneiden oder -ritzen blutrot färbt. Diese schöne Farbe wurde beispielsweise von den Ureinwohnern Lapplands früher auch zum Färben von Leder und Garn verwendet. Leuchtend gelb hingegen, meist vierzählig (selten drei- oder fünfzählig), sind die Blüten. Besonders bei Spaziergängen durch Heidelandschaften, Mischwälder oder auch im Gebirge können die kleinen gelben Blüten auffallen.

Zum ersten Mal eine Gerbstoffdroge

Zum ersten Mal wurde nun eine Gerbstoffdroge zur Arzneipflanze des Jahres ernannt. Potentilla erecta hat einen besonders hohen Gehalt an Gerbstoffen, die vorwiegend im Wurzelstock (Tormentillae rhizoma) enthalten sind. Zu finden sind darin 15 – 22 % hauptsächlich kondensierte Catechingerbstoffe und etwa 10 – 15 % Ellagitannine. Daneben gibt es im Tormentillwurzelstock Triterpensaponine, Flavonoide, Phenolcarbonsäuren und Spuren von ätherischem Öl. Charakteristisch für alle Gerbstoffe ist ihre adstringierende (zusammenziehende) und gewebeverdichtende Eigenschaft auf der Haut, Schleimhaut oder den Kollagenfasern. Es bildet sich eine unlösliche, kapillarabdichtende Membran. Durch diesen „Gerben“ genannten Prozess wird etwa eine abgezogene Tierhaut in Leder umgewandelt, was dann die Fäulnis verhindert. Den Gerbstoffpflanzen selbst dienen sie ebenfalls als Fäulnisschutz. Therapeutisch wirken sie schwach blutstillend und entzündungshemmend. Außerdem verschlechtern sie die Wachstumsbedingungen für Bakterien und andere Mikroorganismen und vermindern die Resorption von Bakterientoxinen durch die Ausbildung einer schützenden Membran. Des Weiteren wirken sie im Darm antisekretorisch, antiperistaltisch und antidiarrhoisch.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fingerkräuter (Potentilla), worunter auch die Blutwurz (Potentilla erecta) fällt, werden in Europa seit dem Altertum medizinisch verwendet.
  • Kondensierte und hydrolysierbare Gerbstoffe sind neben anderen Inhaltsstoffen die Hauptwirkstoffe von Tormentillae rhizoma.
  • Eingesetzt wird die Blutwurz heute bei unspezifischen, akuten Durchfallerkrankungen und leichten Schleimhautentzündungen im Mund- und Rachenraum.

Gegen Durchfall

Der hohe Gehalt an Gerbstoffen in der Blutwurz wird schon lange in der Heilkunde genutzt. Hildegard von Bingen zum Beispiel hat diese Heilpflanze bereits Mitte des zwölften Jahrhunderts in ihrer Naturkunde unter anderem als Mittel bei Fieber empfohlen. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) empfiehlt heutzutage die Zubereitungen aus dem Wurzelstock der Blutwurz als traditionelles pflanzliches Arzneimittel innerlich bei unspezifischen, akuten Durchfallerkrankungen und bei leichten Entzündungen im Mund- und Rachenraum. In den „klassischen“ Durchfalltees in der Apotheke finden sich jedoch hauptsächlich Brombeerblätter (z. B. H&S Durchfalltee; Bad Heilbrunner Durchfall Tee N) oder Odermennigkraut (z. B. Sidroga Durchfalltee). Durchaus ist aber auch der Blutwurzel-Tee (z. B. von Aurica) eine gute Empfehlung bei Durchfallerkrankungen – natürlich immer in Kombination mit dem wichtigen Elektrolytersatz und nur innerhalb der zulässigen Selbstmedikation. Denn zum Arzt geschickt werden sollten:

  • Patienten mit Durchfällen, die länger als 48 Stunden anhalten oder wiederholt auftreten
  • Patienten mit begleitend auftretendem Fieber über 38 °C und/oder blutigem Stuhl und/oder kolikartigen Schmerzen
  • Patienten mit Durchfällen nach Antibiotikaeinnahme oder Auslandsaufenthalten
  • alte oder multimorbide Patienten
  • Schwangere
  • Kinder unter zwei Jahren
  • Patienten, die immer wiederkehrenden Durchfall oder Durchfall im Wechsel mit Verstopfung haben
Patienten sollten zwei- bis dreimal täglich eine Tasse Blutwurztee zwischen den Mahlzeiten trinken. Der Teeaufguss wird zubereitet, indem etwa ein halber Teelöffel (2 g) davon mit siedendem Wasser (150 ml) übergossen und vor dem Abseihen 10 – 15 Minuten ziehen gelassen wird. Lediglich Kinder unter zwölf Jahren, Schwangere und Stillende sollten aufgrund fehlender Untersuchungen den Blutwurztee nicht trinken.
Der blutrote Saft, der aus dem aufgeschnittenen Rhizom der Pflanze Potentilla erecta austritt, gab ihr den Namen Blutwurz. | Foto: Dejan / AdobeStock

Gutes für den Gaumen

Bei Mundschleimhautentzündungen und Aphthen kann dieser Teeaufguss lauwarm auch zum Spülen und Gurgeln verwendet werden. Hierfür eignet sich außerdem die Tormentill-(Ur)tinktur (z. B. DHU Tormentilla Urtinktur oder die Rezeptursubstanz von Caelo). Von dieser werden 10 – 20 Tropfen in ein Glas Wasser gegeben und damit mehrmals täglich die Mund- und Rachenschleimhaut gespült. Im NRF existiert auch ein Tormentill-Myrrhe-Adstringens (NRF 7.1.). Hier wird die Tormentilltinktur zu gleichen Teilen mit Myrrhentinktur gemischt und zur Anwendung bei Stomatitis empfohlen. Alternativ können auch Mundspülungen verwendet werden, welche neben anderen Pflanzenextrakten Auszüge aus der Blutwurz enthalten (z. B. in Dr. Hauschka Med Salbei Mundspülung; Repha-Os Mundspray). Die entzündungshemmende und juckreizstillende Wirkung des Blutwurzextrakts auf die Haut kann daneben auch bei Neurodermitis oder allgemein bei zu Entzündungen neigender Haut genutzt werden. Mehrmals täglich dünn aufgetragen, kommt eine solche Zubereitung (z. B. in Dr. Hauschka Med Akutcreme Potentilla) besonders bei starkem Juckreiz und akuten Rötungen zur Anwendung.

Im Bayerischen Wald und im Schwarzwald wird aus der Blutwurz ein Likör oder Kräuterschnaps hergestellt. Es existieren auch etliche Blutwurz-Schnaps-Rezepte im Internet zur Eigenherstellung. Der leuchtend rote Digestif aus der Tormentillwurzel wird zum Genuss nach dem Essen getrunken und soll helfen, zu viele oder zu üppige Speisen besser zu verdauen. Generell ist jedoch der Konsum von hochprozentigem Alkohol – auch nach dem Essen – nicht empfehlenswert und wer mit Blutwurz Durchfällen vorbeugen will, sollte lieber auf die oben beschriebene Teeanwendung zurückgreifen.

Wie erkläre ich es meinen Kunden?

  • „Da Sie bei Durchfall sowieso viel trinken sollten, kann Ihnen auch dieser Blutwurztee gut helfen. Die enthaltenen Gerbstoffe wirken außerdem gezielt gegen den Durchfall.“
  • „Als naturheilkundliche Behandlung Ihrer Aphthe schlage ich Ihnen vor, sie mehrfach täglich mit einer Tormentilltinktur einzupinseln. Die Tinktur wirkt antientzündlich, antimikrobiell und wundheilungsfördernd.“

Mehr Heilpflanzenforschung gewünscht

Der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde in Würzburg hat die Blutwurz auch deshalb gewählt, weil sie mit ihrem hohen Gehalt an Gerbstoffen zur Hemmung von Viren und Bakterien beitragen könnte und Verdauungsstörungen weitverbreitet sind. Hierfür wären aber dringend neue klinische Studien nötig, da es laut dem Studienkreis dazu seit Jahrzehnten keine mehr gäbe. Leider gibt es allgemein zu Arzneipflanzen zu wenig Forschung, auch weil sie leicht verfügbar sind und die Patentierung entsprechender Produkte schwierig ist. Deshalb muss in der Apotheke in diesem Bereich oft auf homöopathische Zubereitungen, Rezepturen oder Ähnliches zurückgegriffen werden.•

Almut Roth

Apothekerin

Stetten bei Meersburg

autor@ptaheute.de