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gut beraten: Obstipation bei Kindern: Nein, ich muss nicht

Die Kundin berichtet, dass ihr seit einigen Tagen ein seltsames Verhalten bei ihrer Tochter aufgefallen sei. Sie gehe nur für das große Geschäft auf die Toilette, wenn man sie mehrfach auffordere. Stattdessen versuche sie, den Stuhlgang hinauszuzögern. „Sie weint oft auf der Toilette und der Stuhlgang dauert sehr lange“, fügt sie hinzu, „außerdem hat sie häufig Bauchschmerzen und isst sehr wenig.“ Manchmal seien ihr auch Kotspuren in der Unterwäsche aufgefallen, obwohl ihre Tochter schon eine ganze Weile trocken sei und Kontrolle über Urin und Stuhlgang habe.

Schon Verstopfung oder noch normal?

Von einer Obstipation spricht man, wenn weniger als zwei Stuhlgänge pro Woche auftreten. Doch das ist nicht das einzige Kriterium bei Kindern, da die Verdauung noch sehr variabel ist. Kinder im Kindergartenalter können zwischen ein- bis dreimal täglich und dreimal wöchentlich Stuhlgang haben, ohne dass eine Störung vorliegt. Noch größer ist die Variation bei gestillten Säuglingen, die Windel kann bis zu fünfmal am Tag voll sein, oder auch nur einmal pro Woche. Nach den ROM-Kriterien liegt eine Verstopfung bei Kindern vor, wenn nur zwei oder weniger Stuhlgänge pro Woche vorkommen und die Stuhlmengen sehr groß, hart und trocken sind. Das Kind hat Schmerzen beim Stuhlgang und wendet viel Mühe auf, um sich das große Geschäft zu verkneifen. Dadurch werden die Stuhlmengen immer größer und das Rektum weitet sich. Infolgedessen verliert das Kind die Kontrolle über den Stuhlgang, sodass es zu dem von der Kundin beschriebenen Stuhlschmieren oder sogar dem ungewollten Abgang von Stuhl in die Hose kommt. 

Hierbei rutscht weicher Stuhl aus den oberen Darmabschnitten an der harten Stuhlmasse im Rektum vorbei. Das Kind ist nicht in der Lage, diesen zu halten. Diese Inkontinenz ist kein Durchfall, sondern ein Symptom der Verstopfung, das nach den ROM-Kriterien mindestens einmal die Woche auftritt. Leidet das Kind länger als einen Monat unter diesen Beschwerden, spricht man von einer chronische Verstopfung, bei kürzerer Dauer ist es eine akute Obstipation. Auch eine akute Verstopfung muss rasch behandelt werden, um eine Chronifizierung zu vermeiden, die unbehandelt über Jahre bestehen bleiben kann.

Das Wichtigste in Kürze

  • Durch Änderungen der Lebensgewohnheiten oder Schmerzen beim Stuhlgang kann es bei Kindern zu einer Obstipation kommen.
  • Sie versuchen, so selten wie möglich zur Toilette zu gehen, wodurch sich die Beschwerden immer mehr verstärken.
  • Zur Behandlung wird über einen längeren Zeitraum der Wirkstoff Macrogol verordnet.
  • Eine Ernährungsumstellung hilft nicht bei einer bereits länger bestehenden Verstopfung. Eltern sollten dann mit ihrem Kind zum Arzt gehen.

Veränderungen als Auslöser

„Was habe ich denn falsch gemacht, dass es mit der Verdauung plötzlich nicht mehr klappt?“, fragt die Mutter frustriert. „Gab es größere Veränderungen in der Familie oder im Leben Ihrer Tochter?“, fragt die PTA. Die Mutter berichtet, dass ihre Tochter seit Kurzem in den Kindergarten gehe und ihr die Eingewöhnung sehr schwergefallen sei. Große Veränderungen im Leben des Kindes wie die Geburt eines Geschwisterkindes, die Trennung der Eltern oder ein veränderter Tagesablauf durch den Kindergartenbesuch können sich ebenfalls auf die Verdauung auswirken. Hinzu kommt, dass sich viele Kinder gerade in der Phase des Sauberwerdens vor dem Toilettengang an einem anderen Ort fürchten. Auch eine Magen-Darm-Erkrankung mit häufigem Stuhlgang oder ein anderer Infekt kann der Auslöser sein. 

Infolgedessen kann ein wunder Po auftreten, der Schmerzen beim Stuhlgang verursacht. Durch die negative Erfahrung versuchen Kinder danach, so selten wie möglich zur Toilette zu gehen. War das Kind sehr krank, kann der Bewegungsmangel während des Infekts dazu führen, dass der Darm träge wird und der Stuhlgang schmerzt. Ganz schnell entsteht ein Teufelskreis aus Vermeidungsverhalten und erneuten Schmerzen beim Stuhlgang, aus dem die Kinder von allein nur schwer wieder hinauskommen. Vor allem die Angst vor dem Toilettengang können die Kinder nicht von selbst überwinden – ein Grund für einen Besuch beim Kinderarzt. Dieser verordnet Laxanzien, sodass wieder regelmäßiger und schmerzfreier Stuhlgang möglich ist. Eine organische Ursache lässt sich bei 95 Prozent der Patienten nicht feststellen, vermutlich leidet auch die Tochter der Kundin unter einer funktionellen Obstipation.

Geduldig bleiben

„Kann man die Verstopfung nicht auch mit einer Umstellung der Ernährung in den Griff bekommen?“, fragt die Mutter. „Vielleicht keine Süßigkeiten mehr?“, schlägt sie vor. „Eine gesunde Ernährung mit ausreichend Obst, Gemüse und Ballaststoffen reguliert die Verdauung“, erklärt die PTA. Stopfendes wie Schokolade und Kakao, große Mengen an Milchprodukten und Fast Food ohne Ballaststoffe sollten vermieden werden. Wichtig sind außerdem Bewegung und ausreichendes Trinken, wobei verdünnte Säfte empfehlenswert sind. So regt ein Glas Orangen- oder Birnensaft vor dem Frühstück die Verdauung besonders gut an. „Dennoch rate ich Ihnen, zum Arzt zu gehen“, fährt die PTA fort. „Wenn eine Verstopfung bereits seit einiger Zeit besteht, reicht eine Ernährungsumstellung allein nicht mehr aus.“ Trotzdem können die Eltern einiges tun, um das Kind zu unterstützen. Vielen Kindern hilft es zu wissen, was bei der Verdauung passiert. 

Mit einfachen Worten sollten die Darmfunktion und der Sinn des großen Geschäfts erklärt werden. Nach jeder Hauptmahlzeit und bei Stuhldrang sollte das Kind für maximal fünf bis zehn Minuten auf die Toilette geschickt werden. Hilfsmittel wie ein Toilettenaufsatz oder ein Hocker sorgen für mehr Bequemlichkeit. Versucht das Kind, den Stuhlgang zu verkneifen, sollte es abgelenkt werden. Ein Stuhltagebuch, in dem die Erfolge aufgeschrieben werden, und ein Lob oder eine kleine Belohnung motivieren das Kind (und die Eltern). Trotz all dieser Maßnahmen kann die Behandlung einer chronischen Verstopfung langwierig sein, auch Rückschläge können vorkommen. Die Eltern sollten geduldig bleiben und das Kind nicht unter Druck setzen oder bestrafen.

Behandlung mit Laxanzien

Um wieder regelmäßigen und schmerzfreien Stuhlgang zu haben, sind osmotisch wirksame Laxanzien ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Diese müssen häufig über einen Zeitraum von mehreren Monaten eingenommen werden, erst dann hat sich das vergrößerte Rektum wieder zurückgebildet und das Kind hat wieder vollständige Kontrolle über den Stuhlgang erlangt. Haben sich die Beschwerden gebessert, wird die Dosis allmählich reduziert, dabei dürfen jedoch nicht erneut Schmerzen beim Stuhlgang auftreten.

Das Mittel erster Wahl ist der Wirkstoff Macrogol (z. B. in Movicol junior, Kinderlax, Juniorlax). Macrogol bindet Wasser, womit das Darmvolumen erhöht und der Stuhl weicher wird. Der Wirkstoff wird nicht resorbiert und führt nicht zur Gewöhnung oder Abhängigkeit. Neben Beuteln, die in Wasser gelöst werden, stehen auch Lösungen zur Verfügung, es gibt neutrale Varianten und ein Präparat mit Schokogeschmack. Als Mittel zweiter Wahl kann Lactulose (z. B. in Bifiteral, Generika) verordnet werden, das im Darm zu kurzkettigen Fettsäuren und Gasen metabolisiert wird, wodurch die Darmperistaltik angeregt und das Stuhlvolumen erhöht wird. Der Wirkstoff ist jedoch schlechter verträglich, da häufig Blähungen auftreten. Beide Wirkstoffe wirken je nach Dosierung nach mehreren Stunden bis zwei Tagen. Erheblich schneller ist die abführende Wirkung von rektal angewendeten Wirkstoffen wie Glycerol (z. B. in Glycilax, Nenelax Kindersuppositorien, wirken in etwa 90 Minuten) oder der Kombination von Natriumcitrat, Sorbitollösung und Natriumlaurylsulfoacetat (z. B. in Microlax Rektallösung, wirken in 5 bis 20 Minuten). Dennoch werden sie nur selten angewendet, da viele Kinder die rektale Applikation als unangenehm empfinden.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Lösen Sie das Pulver in Wasser, es darf für einen Tag im Kühlschrank aufbewahrt werden.“
  • „Nein, das Abführmittel macht nicht abhängig, es bindet Wasser im Darm, sodass der Stuhl weich ist.“
  • „Achten Sie darauf, dass sich Ihr Sohn ausreichend bewegt, und meiden Sie stopfende Lebensmittel wie Schokolade oder Fast Food.“
  • „Wenn die Verstopfung länger als fünf Tage anhält, sollten Sie zum Arzt gehen.“

Weitere Maßnahmen

Nur bei sehr schwerer Obstipation ist eine rektale Behandlung, eventuell sogar im Krankenhaus mit einer zusätzlichen Gabe von Beruhigungsmitteln, nötig. Neben der pharmakologischen Therapie mit Laxanzien ist es wichtig, Fehleinschätzungen der Eltern wie „das Kind macht das mit Absicht“ und Schuldgefühle des Kindes zu entkräften. Manche Kinder benötigen zusätzlich eine psychotherapeutische Behandlung, um die Obstipation zu überwinden. Auch eine Physiotherapie kann dem Kind helfen, wieder ein besseres Körpergefühl zu erlangen und die Muskulatur im Beckenboden zu entspannen. Wenn die Einnahme von Laxanzien keine Verbesserung bringt, ist eine weitere Diagnostik erforderlich, um organische Ursachen abzuklären.

Ulrike Freese

Apothekerin,

Fachjournalistin

Lüneburg

autor@ptaheute.de