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Anwendung und Wirkung von Phytosterinen: Phytosterole: wirksame Cholesterinsenker?

In tierischen und menschlichen Zellen wird Cholesterin (oder Cholesterol) in die Lipiddoppelschicht der Zellmembran eingelagert, um sie zu stabilisieren. Analog ist auch die Zellmembran von Pflanzen aufgebaut, nur dass sie kein Cholesterin enthält, sondern strukturell ähnliche Substanzen. Sie werden daher als Phytosterine oder Phytosterole bezeichnet. 

Sie sind ein Gemisch verschiedener Substanzen, von denen β-Sitosterin, Campesterin und Stigmasterin die bekanntesten sind. Der höchste Gehalt an Phytosterolen findet sich in Weizenkeimöl, Maiskeimöl und Rapsöl, außerdem auch in Sesam- und Leinsamen, Erdnüssen, Kürbiskernen und Weizenkleie.

Ähnlich wie Cholesterin? So wirken Phytosterole wirklich

Wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeit konkurrieren bei der Nahrungsaufnahme Phytosterole mit Cholesterin um die Resorption im menschlichen Darm. Durch diese Konkurrenz vermindern sie die Aufnahme tierischen Cholesterins und können dadurch den LDL- und Gesamtcholesterinspiegel senken. Der Effekt ist aber sehr begrenzt, da der Hauptanteil des Cholesterins im Blut aus der Eigensynthese des Körpers in der Leber stammt und nur zu etwa zehn Prozent aus der Nahrungsaufnahme. Und es ist nicht erwiesen, dass die Einnahme von Phytosterolen auch tatsächlich das kardiovaskuläre Risiko senkt. 

Die in Studien verwendete Dosierung von täglich mindestens 1,5 g Phytosterol ist nur über die Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder angereicherten Lebensmitteln wie Margarine zu erreichen. Eine Funktion haben Phytosterole im menschlichen Körper nicht, sie werden unverändert wieder über den Darm ausgeschieden. 

Bei einigen Menschen funktioniert der Rücktransport aus dem Blut in den Darm wegen einer genetischen Abweichung allerdings schlechter, da das verantwortliche Transportprotein gar nicht oder nur in geringer Menge vorhanden ist. Phytosterole reichern sich dann im Blut an und können ebenso wie tierisches Cholesterin zu Atherosklerose führen. Damit erhöht sich das Risiko für koronare Herzkrankheit und andere kardiovaskuläre Erkrankungen. 

Ohne zu wissen, welche genetische Variation man trägt, sollten also nicht regelmäßig größere Mengen angereicherter Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel verzehrt werden. Bei der dauerhaften Einnahme muss auch beachtet werden, dass fettlösliche Vitamine schlechter aufgenommen werden. Das natürlicherweise in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommende Phytosterol ist wegen der geringen Menge aber unbedenklich.

Das Wichtigste in Kürze: Was sind Phytosterole?

  • Cholesterin kommt nur in tierischen Organismen vor. In pflanzlichen Zellen sorgen ähnliche Moleküle für die Stabilisierung der Zellmembran. Man spricht von Phytosterolen bzw. Phytosterinen.
  • Da sie über die gleichen Transporter wie Cholesterin im menschlichen Darm resorbiert werden, verringern Phytosterine die Resorption von Cholesterin. Ein geringer Effekt auf die Blutfette besteht aber nur unter hochdosierter Einnahme.
  • Phytosterolhaltige Phytopharmaka werden zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms eingesetzt. Der Wirkmechanismus ist jedoch nicht bekannt und die Studienlage teilweise widersprüchlich.

Helfen Phytosterine bei Prostatabeschwerden?

Auch in der Urologie sind pflanzliche Sterole seit Langem bekannt: Phytosterolhaltige Drogen wie Brennnesselwurzel, Kürbissamen, Gräserpollen und Sägepalmenfrüchte werden zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms eingesetzt. Welche Bestandteile der Extrakte welche Wirkung ausüben, ist nicht bekannt, aber Phytosterole und freie Fettsäuren werden als Wirkstoffe vermutet. 

In In-vitro-Studien wurden Effekte auf verschiedene Enzyme beobachtet, die zu entzündungs- und wachstumshemmender Wirkung auf das Prostatagewebe führen können. Ob diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragbar sind, ist aber nicht klar. Interessanterweise verbessern sich unter fast allen genannten pflanzlichen Drogen die Miktionsbeschwerden, aber das Prostatavolumen wird nicht verkleinert. Auch Phytosterol, das laut Europäischem Arzneibuch einen 70%igen Gehalt an β-Sitosterol aufweisen muss, verbessert die Beschwerden der Prostatavergrößerung. 

Wegen der geringen Anzahl an Studien und teils widersprüchlicher Ergebnisse wird die Anwendung von Phytopharmaka bei Prostatabeschwerden nur in einem frühen Stadium der Erkrankung und unter weiterer urologischer Kontrolle empfohlen. Es sollten nur Fertigarzneimittel mit Extrakten verwendet werden, die sich in Studien bewährt haben oder diesen gleichwertig sind.

So wird Cholesterin in der Pharmazie eingesetzt

Tierisches und pflanzliches Cholesterol wird auch in der pharmazeutischen Industrie als Hilfsstoff verwendet: Cholesterol wird aus dem Wollfett von Schafen und aus anderen tierischen Bestandteilen gewonnen und dient zum Beispiel als nichtionisches Tensid bei emulgierenden Augensalben.

Inzwischen hat sich bei der Herstellung der mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffe ein hoher Bedarf an Cholesterin als Hilfsstoff ergeben: Die mRNA ist in Lipid-Nanopartikel verpackt, die sie vor Abbau schützen und in die Zelle schleusen. Derzeit sind Lipid-Nanopartikel die einzige Möglichkeit, RNA im Körper zu transportieren. Sie bestehen aus einer Phospholipid-Außenhülle, in der auch sogenannte pegylierte Lipide vertreten sind, im Inneren ist die Struktur amorph und besteht aus der in Phospholipide eingeschlossenen mRNA und Cholesterol. Dies wird zur Stabilisierung benötigt, genau wie für die natürliche Zellmembran. 

Cholesterol aus tierischen Quellen kann aber Nachteile haben: Sowohl Verunreinigungen und damit eine potenzielle Infektiosität als auch Immunreaktionen sind möglich. Daher wird inzwischen halbsynthetisches Cholesterol aus pflanzlichem Ausgangsmaterial hergestellt, um eine hohe und gleichbleibende Qualität zu gewährleisten.

Gut zu wissen: Lipid-Nanopartikel sind biologisch abbaubar

Die Lipid-Nanopartikel waren übrigens zu Beginn des letzten Jahres ein Grund für Skepsis gegenüber mRNA-Impfstoffen: Sind Nanopartikel nicht gesundheitsschädlich? Tatsächlich ist bei Nanopartikeln körperfremder Materialien nicht geklärt, ob sie sich im Körpergewebe anreichern und schädliche Wirkungen haben können. Lipid-Nanopartikel dagegen bestehen nur aus körpereigenen Bausteinen, sie ähneln der Zellmembran und können komplett abgebaut werden. Die Größe der Partikel muss im Nanobereich liegen, damit sie von körpereigenen Fresszellen des Immunsystems nicht erkannt werden.

Unterschied: Liposomen und Lipid-Nanopartikel

Liposomen im Nanometerbereich – die im Gegensatz zu Lipid-Nanopartikeln aus einer Phospholipid-Doppelschicht als Hülle und darin eingeschlossenem Wirkstoff bestehen – werden schon seit Jahrzehnten verwendet, um Wirkstoffe unbeschadet an ihren Wirkort zu bringen. Auch sie benötigen Cholesterol zur Stabilisierung. 

Mit einer speziellen Ausstattung der Außenhülle können Liposomen auch an einen konkreten Wirkort geschickt werden und reichern sich dort an. Dieses Verfahren wird in der Onkologie schon seit einigen Jahren genutzt, um Wirkstoffe im Tumorgewebe anzureichern, damit die Wirkung zu erhöhen und Nebenwirkungen zu verringern.

Beratungstipps zu Phytosterolen: Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Genau, Phytosterole können den Cholesterinspiegel ein wenig senken. Es hat sich aber herausgestellt, dass sie sich bei einigen Menschen anreichern und eher schädlich sind. Daher sollten sie nicht regelmäßig in großen Mengen eingenommen werden. Pflanzliche Lebensmittel und Öle sind aber unbedenklich.“
  • „Die Nanopartikel in den Corona-Impfstoffen bestehen komplett aus körpereigenen Bestandteilen, die gänzlich abgebaut werden und im Menschen keinen Schaden anrichten können. Bei körperfremden Materialien ist nicht ganz klar, ob sie sich in bestimmten Organen anreichern und welche Folgen das hat, da haben Sie recht.“

Rebekka Pavone
Apothekerin
Ehningen

autor@ptaheute.de