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Corona-Pandemie
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Nach FDA-Notfallgenehmigung – EMA prüft Remdesivir: Remdesivir bei COVID-19: bald auch in Deutschland?

Spritze mit Etikett für Remdesivir
Am 1. Mai 2020 ließ die FDA das Virostatikum Remdesivir bei COVID-19 im Rahmen einer Notfallgenehmigung zu. Auch die EMA prüft Remdesivir bei SARS-CoV-2. | Bild: xPPEx / Imago Images

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat am 1. Mai 2020 Remdesivir im Rahmen einer Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization, EUA) zugelassen. Das Virostatikum zählt zu den Hoffnungsträgern bei COVID-19-Erkrankungen und wird seit Wochen am Menschen untersucht. Remdesivir ist das erste, speziell bei COVID-19 zugelassene Arzneimittel und die Vereinigten Staaten sind das erste Land, das es einsetzen darf. Allerdings ist Remdesivir nicht für jeden an COVID-19-Erkrankten vorgesehen – wer wird künftig mit dem Virostatikum behandelt? Und: Gibt es Remdesivir auch bald in der EU? Denn auch die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) prüft Remdesivir bereits.

Notfallgenehmigung: COVID-19 lebensbedrohlich und keine Behandlungsalternative

Dass Remdesivir mit nur wenigen klinischen Daten von COVID-19-Behandlungen am Menschen nun offiziell eingesetzt werden darf, ermöglicht die sogenannte Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization, EUA), was keiner „gewöhnlichen“ Zulassung entspricht. Normalerweise ist die Zulassung eines neuen Arzneimittels weitaus aufwendiger und ein jahrelanger Prozess. Das rasche Inverkehrbringen von Remdesivir sei möglich, da SARS-CoV-2 eine ernste oder lebensbedrohliche Erkrankung hervorrufen könne und es derzeit keine zugelassene und verfügbare Alternative zu Remdesivir gebe, erklärt die FDA ihre Entscheidung pro Remdesivir in einem Brief an den Remdesivir-Hersteller Gilead. Die Annahme, dass Remdesivir wirksam bei COVID-19 ist und der mögliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt, sei vertretbar.

Zur Erinnerung: Wie wirkt Remdesivir?

Remdesivir zählt zu den Virostatika. Der Arzneistoff hemmt die Vermehrung bestimmter Viren – unter anderem Ebola- und Coronaviren –, indem Remdesivir das für die Vermehrung erforderliche Enzym, die virale RNA-Polymerase, blockiert. In SARS-CoV-2 liegt die Erbinformation – anders als beim Menschen – in Form von Ribonukleinsäure (RNA) vor. Bei der RNA handelt es sich um eine lange Zucker-Phosphat-Kette, an die einzelne Nukleinbasen – nämlich Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – angeknüpft sind (siehe Abb.). Als Zuckerbaustein nutzt die RNA Ribose, daher auch der Name Ribonukleinsäure. 

Will sich ein Virus vermehren, muss es zunächst seine Erbinformation für die Nachfolgegeneration verdoppeln, dabei hilft die viruseigene RNA-Polymerase. Sie nutzt die vorhandene RNA als Vorlage und knüpft eine neue Kette, wieder bestehend aus Zucker-Phosphat und daran angehängt Adenin, Cytosin, Guanin oder Uracil. 

Remdesivir ähnelt der Nukleinbase Adenin und wird so als „falscher“ Baustein in die neue RNA des „Virus-Nachkommens“ eingebaut. Die Folge: Die RNA- und folglich die Virus-Vermehrung ist gestört.

Remdesivir: nur bei schweren Fällen

Remdesivir ist mit der Ausnahmegenehmigung in den USA mitnichten zum breiten Einsatz bei SARS-CoV-2-Infektionen gedacht. Es darf bei Erwachsenen und Kindern zur Behandlung von vermutetem oder laborbestätigtem SARS-CoV-2 eingesetzt werden, wenn die COVID-19-Erkrankung schwer verläuft. Unter einen schweren Verlauf fallen Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden und die an normaler Raumluft eine Sauerstoffsättigung von weniger als 94 Prozent haben (pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung, das heißt meist am Ohr oder Finger mittels Sensor), zusätzlicher Sauerstoffbedarf besteht oder eine maschinelle Beatmung bzw. eine extrakorporale Membranoxygenierung erforderlich ist. Remdesivir darf folglich nur stationär im Krankenhaus gegeben werden.

Rolling Review für Remdesivir

Wie bereits erwähnt prüft auch die EMA das Virostatikum und auch hier wurden Maßnahmen ergriffen, damit die Bewertung von Remdesivir möglichst schnell erfolgen kann: Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat dazu ein „Rolling Review“, eine fortlaufende Überprüfung, von Remdesivir zur Behandlung von COVID-19 eingeleitet. Dieses Rolling-Review-Verfahren ermöglicht es der EMA, ein vielversprechendes Arzneimittel während eines Notfalls, wie beispielsweise der laufenden Pandemie, rasch zu bewerten. Was die EMA allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen vermag: Wie lange die Arzneimittelbehörde benötigt, um eine Entscheidung zu Remdesivir zu treffen. Schneller als bei einem regulären Zulassungsverfahren soll es zwar gehen, doch wolle man gleichzeitig sicherstellen, dass die Einschätzung – für oder gegen eine Zulassung von Remdesivir bei COVID-19 – dennoch wissenschaftlich gut begründet ist. Keine leichte Aufgabe: Remdesivir wird in klinischen Studien am Menschen bei COVID-19 erst seit wenigen Wochen untersucht, und die bisherigen Ergebnisse sind obendrein widersprüchlich.

Studienergebnisse zu Remdesivir widersprechen sich

Eine Zwischenauswertung von Daten aus den Vereinigten Staaten – die sowohl Basis für die Zulassung in den Vereinigten Staaten sind als auch für den Startschuss zur Bewertung von Remdesivir bei der EMA – ergab, dass Remdesivir COVID-19-Erkrankten hilft und sie schneller gesund werden. Patienten, die Remdesivir erhielten, hatten eine um 31 Prozent kürzere Genesungszeit als Patienten unter Placebo, und Remdesivir-Patienten waren nach elf Tagen, Placebo-Patienten nach 15 Tagen gesund. Auch gibt es Hinweise, dass Remdesivir die Sterblichkeit verringern könnte, in der Remdesivir-Gruppe starben statistisch acht von 100 Patienten (Sterberate 8 Prozent), in der Placebogruppe starben 11,6 von 100 Patienten (Sterberate 11,6 Prozent). 

Eine kleinere Studie aus China hingegen fiel nicht so positiv aus und Remdesivir verkürzte weder die Krankheitsdauer noch verbesserte das Virostatikum das Überleben der COVID-19-Patienten.

Härtefallprogramme zu Remdesivir in Deutschland

Obwohl Remdesivir in der Europäischen Union noch nicht zugelassen ist, ist es dennoch über klinische Studien und Härtefallprogramme, sogenannte „Compassionate-Use-Programme“, möglich, dass auch in Deutschland schwer an COVID-19 erkrankte Patienten Remdesivir erhalten. Diese Härtefallprogramme ermöglichen, dass die Patienten Zugang zu (noch) nicht zugelassenen Arzneimitteln in Notfallsituationen erhalten.

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