Kann ein Algen-Inhaltsstoff SARS-CoV-2 in der Nase ausbremsen?
Wo Carrageen eingesetzt wird
Carrageen kommt vor allem in den Zellwänden von Rotalgen vor, zum Beispiel in Chondrus crispus („Irländisches Moos“). Es handelt sich um lineare sulfatierte Polysaccharide mit der Hauptkomponente Galactose. Das aus den Algen extrahierte Carrageen gibt es in verschiedenen Formen – als Iota-, Kappa- oder Lambda-Carrageen. In der Nahrungsmittelindustrie wird Carrageen aufgrund seiner gelbildenden, stabilisierenden und emulgierenden Eigenschaften häufig als Zusatzstoff verwendet, unter anderem in Fruchtaufstrichen, Puddings, Eiscreme, Soßen, Milchprodukten und Wurstwaren. Außerdem dient Carrageen als pharmazeutischer Hilfsstoff, zum Beispiel für Emulsionen, Gele und Kapselhüllen.
Gegen Erkältungsviren in Nasensprays
Darüber hinaus ist Carrageen (Iota- und Kappa-Carrageen) als Wirkstoff in Erkältungssprays (z. B. als Carragelose® im Medizinprodukt Algovir® Effekt Erkältungsspray) enthalten. Es soll in der Nase auf physikalischem Weg eine antivirale Wirkung entfalten: Das Carrageen bildet sozusagen eine Schutzschicht auf der Nasenschleimhaut. Dadurch sollen Viren daran gehindert werden, an die Mukosa-Zellen anzudocken und in der Folge in sie einzudringen und sich in ihnen zu vermehren. Im Frühstadium einer Erkältung angewendet, soll auf diese Weise das Infektionsgeschehen abgemildert werden. Klinische Studien mit Erkältungspatienten sprechen tatsächlich für eine gewisse Wirkung. So konnten in einer kleinen Studie mit 35 Probanden, die erste Anzeichen eines grippalen Infekts zeigten, die Beschwerden unter Anwendung von Iota-Carrageen-Nasenspray signifikant reduziert werden. In anderen Studien ergab sich unter Anwendung von Carrageen-Nasenspray zumindest eine Verkürzung der Erkältungsdauer sowie eine reduzierte Viruslast im Nasensekret.
Vielversprechende In-vitro-Studie mit SARS-CoV-2
Aktuell interessiert die Frage, ob Carrageen möglicherweise auch den COVID-19-Erreger SARS-CoV-2 blockieren könnte. Hierzu liegen nun vorläufige Ergebnisse aus einer Laborstudie vor. In dieser Untersuchung wurden Zellkulturen (bestehend aus sogenannten Vero-E6-Zellen) zunächst zwei Stunden lang mit Iota-Carrageen in unterschiedlichen Konzentrationen behandelt. Anschließend infizierte man die Zellkulturen mit SARS-CoV-2. Nach einer Inkubationszeit von 48 Stunden wurde der Virustiter bestimmt. Das Ergebnis: Bereits ab einer Konzentration von 6 µg/ml reduzierte Iota-Carrageen die Anzahl der Viren um mehr als 99,99 Prozent. Die höchste Iota-Carrageen-Konzentration, die in der Untersuchung getestet wurde, betrug 600 µg/ml. Dies entspreche ungefähr der Wirkstoffkonzentration, die nach sachgemäßer Anwendung eines handelsüblichen Iota-Carrageen-haltigen Nasensprays in der Nasenhöhle erreicht werde, erklären die Studienautoren.
Laborergebnisse auf den Menschen übertragbar?
Wie die Studienautoren weiter ausführen, kann sich der Wirkstoff vier Stunden lang in der Nase halten. Sie haben daher die Hoffnung, dass ein solches Nasenspray zur Prävention und frühen Behandlung von COVID-19 beitragen könnte. Noch dazu biete es ein gutes Sicherheitsprofil.
Ob sich die bisherigen reinen In-vitro-Befunde aber tatsächlich auf den menschlichen Organismus übertragen lassen, müssen nun erst noch klinische Studien unter Beweis stellen. Quellen:
S. Bansal et al.: bioRxiv preprint 2020 (doi: doi.org/10.1101/2020.08.19.225854); R. Eccles et al.: Respir Res 2010 (doi: doi.org/10.1186/1465-9921-11-108); R. Eccles et al.: Respir Res 2015 (doi: doi.org/10.1186/s12931-015-0281-8); T. Fazekas et al.: BMC Complement Altern Med 2012 (doi: doi.org/10.1186/1472-6882-12-147); M. Ludwig et al.: Respir Res 2013 (doi: doi.org/10.1186/1465-9921-14-124); Hermes Arzneimittel GmbH; DAZ Nr. 7/2018, S. 26f