COVID-19-Therapieoptionen
Corona-Pandemie
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Hilft Vitamin D gegen COVID-19?

Vitamin-D-Kapsel zwischen Zeigefinger und Daumen vor Sonne gehalten
Erste Studien sind sich uneinig, ob Vitamin D eine Corona-Erkrankung lindern oder gar verhindern kann. Aber während der dunklen Jahreszeit und im Lockdown sei eine gute Vitamin-D-Versorgung der Bevölkerung für die Gesunderhaltung wichtig, so die Wissenschaftler. | Bild: ExQuisine / Adobe Stock

Damit die Immunprozesse funktionieren, ist eine gute Versorgung mit Vitamin D wichtig. Das ist erwiesen. Außerdem gibt es wissenschaftliche Hinweise darauf, dass sich Vitamin D auf verschiedene Krankheiten vorteilhaft auswirken könnte. Auch im Zusammenhang mit COVID-19 geriet Vitamin D in den Blickpunkt. In sozialen Medien und auf einigen Webseiten finden sich Empfehlungen, Vitamin-D-Nahrungsergänzungsmittel – teilweise sehr hochdosiert – zur Prävention von SARS-CoV-2-Infektionen einzunehmen. Doch was ist davon zu halten?

Pilotstudie: milderer Krankheitsverlauf mit Vitamin D

Zahlreiche Studien haben sich seit Pandemie-Beginn mit dem Einfluss von Vitamin D auf eine COVID-19-Infektion und den Krankheitsverlauf beschäftigt. Aufhorchen ließ etwa eine spanische Pilotstudie: Von 50 Patienten, die COVID-19-bedingt im Krankenhaus behandelt wurden und zusätzlich hochdosiertes Colecalciferol (Vitamin D3) erhielten (mehr als 40.000 I.E. in der ersten Woche), musste nur einer (2 Prozent) auf die Intensivstation verlegt werden. Dagegen kamen von 26 Patienten, die kein Vitamin D erhielten, 13 (50 Prozent) auf die Intensivstation. Vitamin D schien demnach die Schwere der Erkrankung reduziert zu haben.

Experimentelle Studie: höhere Überlebensrate bei Pflegeheimbewohnern

In einer anderen Studie ging es um 66 Bewohner eines französischen Pflegeheims, die an COVID-19 erkrankt waren. Von denjenigen, die eine Vitamin-D3-Bolus-Supplementation (80.000 I.E.) erhielten, überlebten 82,5 Prozent die Erkrankung. Dagegen überlebten nur 44,4 Prozent aus der Vergleichsgruppe ohne eine entsprechende Vitamin-D-Gabe. Auch diese Ergebnisse kann man dahingehend interpretieren, dass Vitamin D den Krankheitsverlauf abmilderte. 

Kritiker geben jedoch zu bedenken, dass es sich hier um Studien handelt, bei denen die Patienten nicht genau charakterisiert waren. Andere, unbekannte Faktoren könnten also einen maßgeblichen Einfluss auf die Krankheitsschwere gehabt haben. Weitere, größere Studien mit klar definierten Patientengruppen seien deshalb erforderlich.

Vitamin-D-Mangel: nur ein Marker für ohnehin erhöhtes Risiko?

Dennoch zeigen auch größere Studien Zusammenhänge auf. So wurde eine signifikante Korrelation zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und COVID-19-Erkrankungsrisiko und -schwere beobachtet. Experten warnen aber vor voreiligen Schlüssen. Der Pharmazeut und Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Martin Smollich etwa sieht niedrige Vitamin-D-Spiegel bei COVID-19 in einem größeren Kontext. So finde sich ein Vitamin-D-Mangel überdurchschnittlich häufig bei solchen Personen, die ohnehin zur Corona-Risikogruppe zählen – nämlich bei alten Menschen. Ebenso sei ein niedriger Vitamin-D-Spiegel typisch für Grunderkrankungen wie Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Gerade diese sind bekanntermaßen Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf. Vitamin D stelle damit einen Marker für einen aus anderen Gründen schweren Krankheitsverlauf dar. Außerdem gibt Smollich zu bedenken, dass bei der unspezifischen Immunantwort auf eine Infektion – der Akuten-Phase-Reaktion – kurzfristig der Vitamin-D-Spiegel drastisch absinke. Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel könne dann also eine Folge und nicht eine Ursache der COVID-19-Erkrankung sein.

Kein COVID-Therapeutikum – aber Bedarf muss gedeckt sein

Der Wissenschaftler sieht keine hinreichenden Belege dafür, dass sich mit Vitamin-D-Gaben COVID-19 verhindern oder behandeln ließe. Nichtsdestotrotz sei gerade während der dunklen Jahreszeit und im Lockdown eine gute Vitamin-D-Versorgung der Bevölkerung für die Gesunderhaltung wichtig. Für sinnvoll erachtet Smollich eine Supplementation, wenn eine Serumkonzentration von unter 25 nmol (10 ng/ml) vorliegt. Gesunde Menschen, die Vitamin D supplementieren wollen, sollten Dosierungen zwischen 800 und 2.000 I.E. (20 bis 50 µg) täglich wählen. Vor allem Menschen mit Nierenfunktionsstörungen müssten vor der unkontrollierten, höherdosierten Vitamin-D-Einnahme gewarnt werden.

Zur Erinnerung: Umrechnung von I.E.

Umrechnungsfaktor 40 
1µg Vitamin D = 40 I.E. 
800 I.E. entsprechen also 20 µg.

Gefährliche Überdosierung

Vor einer zu hoch dosierten Vitamin-D-Zufuhr warnt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Eine langfristige, regelmäßige tägliche Einnahme von Vitamin-D-Präparaten mit Dosierungen von 2.000 oder 4.000 I.E. (50 oder 100 µg) berge ein gesundheitliches Risiko. Eine Überdosierung führe zu erhöhten Calciumwerten im Serum (Hypercalcämie) mit der Gefahr von Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen, Gefäßverkalkungen und Abnahme der Nierenfunktion. Bei dem von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) genannten oberen Grenzwert für die tägliche Vitamin-D-Aufnahme von 4.000 I.E. müsse man auch die Aufnahme über Lebensmittel miteinbeziehen. Auch ohne Sonnenlichtbestrahlung reiche eine tägliche Aufnahmemenge von 800 I.E. (20 µg) Vitamin D bei 97,5 Prozent der Bevölkerung zur Bedarfsdeckung aus.

Bei Vitamin-D-Mangel kann Supplementation vor Erkältung schützen

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont in einer aktuellen Stellungnahme die Bedeutung eines guten Vitamin-D-Status. Aufgrund wissenschaftlicher Daten stellt die Fachgesellschaft für akute Atemwegsinfektionen wie Erkältungen einen Zusammenhang mit einer unzureichenden Vitamin-D-Versorgung fest: je niedriger der Vitamin-D-Status, desto höher das Infektionsrisiko. Bei einem unzureichenden Vitamin-D-Spiegel (unter 25 bis 30 nmol/l) könnte eine Supplementation mit Vitamin D einen positiven Einfluss auf die Prävention akuter Atemwegsinfektionen haben. Vitamin-D-Dosen von 800 I.E. (20 µg) bewertet die DGE als sicher. Damit könne ein adäquater Vitamin-D-Status (mindestens 50 nmol/l) erreicht werden. Die DGE weist aber explizit darauf hin, dass eine über den Bedarf hinausgehende Supplementation, insbesondere von hohen Dosierungen, keine weiteren Vorteile bringe. Außerdem betont die Fachgesellschaft, dass sich aus diesen Daten keine Schlussfolgerungen für die Prävention von COVID-19 ableiten lassen.

Vorsicht bei Online-Angeboten!

Aktuell warnt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vor unzulässigen Online-Angeboten, die Nahrungsergänzungsmittel als Corona-Infektionsschutz anpreisen. Diese würden die derzeitige Verunsicherung der Bevölkerung ausnutzen. Das BVL erklärt hierzu, dass Nahrungsergänzungsmittel eine COVID-19-Erkrankung weder verhindern noch heilen können.

Fazit

Endgültige, gesicherte Erkenntnisse zur Rolle von Vitamin D im Zusammenhang mit COVID-19 stehen also noch aus. Zumindest bei anderen akuten Atemwegsinfektionen gilt jedoch: Eine Vitamin-D-Supplementierung als Infektionsschutz ist nur dann sinnvoll, wenn ein Vitamin-D-Mangel besteht. Bei ausreichender Vitamin-D-Versorgung bringt hier zusätzliche Supplementierung keine Vorteile. Vitamin-D-Überdosierungen bergen hingegen gesundheitliche Risiken. Bei der Beratung in der Apotheke sollte man sich daher an die als unbedenklich geltenden Dosisempfehlungen halten. Vor Hochdosis-Anwendungen als Corona-Infektionsschutz ist auf jeden Fall abzuraten. Quellen: DAZ Nr. 41/2020, S. 48ff; Castillo et al., Journal of Steroid Biochemistry and Molecular Biology, online 29. Aug. 2020 (https://doi.org/10.1016/j.jsbmb.2020.105751); Annweiler et al., Journal of Steroid Biochemistry and Molecular Biology, online 13. Okt. 2020 (https://doi.org/10.1016/j.jsbmb.2020.105771); Israel et al., medRxiv, online 7. Sept. 2020 (https://doi.org/10.1101/2020.09.04.20188268); Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE); Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR); Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 

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