Ibuprofen, ACE-Hemmer & Covid-19 – Gibt es Zusammenhänge?
Für große Verunsicherung sorgte in den vergangenen Tagen eine Whatsapp-Sprachnachricht, nach der die Universität Wien den Verdacht hegt, dass die Einnahme von Ibuprofen den Verlauf von COVID-19-Infektionen massiv verschlechtern soll und eine entsprechende Studie durchführt. Die Universität Wien hat umgehend dementiert. Doch der Verdacht ist nicht aus der Welt. Vor allem aus Frankreich und der Schweiz kommen Ratschläge, zur Fiebersenkung falls notwendig Paracetamol einzusetzen und auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen und Diclofenac zu verzichten.
Theorie basiert vermutlich nur auf einer Quelle
Die unseres Wissens einzig auffindbare Quelle, die die potenziell schädliche Wirkung von Ibuprofen untermauern soll, ist ein am 11. März 2020 im Lancet Respiratory Medicine erschienene Correspondance (von L. Fang L, G. Karakiulakis und M. Roth). Die Autoren erklären dort, dass ACE2, der Rezeptor, der den SARS-Viren den Eintritt in die Zellen ermöglicht, nicht nur durch ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptor-Antagonisten (Sartane) hochreguliert wird. Auch Thiazolidindione und Ibuprofen sollen dieses tun.
ACE-Hemmer und Sartane könnten auch vor SARS-CoV-2 schützen
An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass im Tierversuch mit Ratten eine Hochregulation von ACE2 in Herzzellen durch ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptorblocker gezeigt werden konnte. Auch gibt es Versuche an diabetischen Ratten, die einen Einfluss von Ibuprofen auf das System zeigen. Doch gibt es bislang keinen Beleg dafür, dass diese Arzneistoffe den COVID-19-Verlauf verschlimmern.
Im Falle von ACE-Hemmern und Sartanen könnte auch das Gegenteil der Fall sein. Denn es gibt ebenso experimentelle Daten und Hypothesen, nach denen ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptorblocker vor dem Eindringen von SARS-CoV-2 schützen können. Keine dieser widersprüchlichen Hypothesen ist bislang in klinischen Studien untermauert oder widerlegt worden. Deshalb wird eindringlich davor gewarnt, eine ACE-Hemmer- oder Sartan-Therapie einfach abzusetzen.
Einfluss von Medikamenten auf COVID-19 nicht nachgewiesen
Seit Bekanntwerden der auch als Fake News bezeichneten WhatsApp-Nachricht bemühen sich Mediziner und Fachportale, die Sachlage verständlich dar- und richtigzustellen. So auch das Schweizer Online-Portal Infomed. In einer Telegrammmeldung vom 15. März 2020 titelt es: „Corona: aktuell kein Einfluss von Medikamenten nachgewiesen.“ Auch hier wird der Lancet-Letter als Quelle der Gerüchte vermutet. Und auch hier wird darauf verwiesen, dass es durchaus Hinweise dafür gibt, dass ACE-Hemmer und Sartane sich vorteilhaft auf einen COVID-19-Verlauf auswirken könnten.
Ibuprofen und Co.: nephrotoxisches Interaktionspotenzial beachten!
Einig ist man sich, dass vor allem Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen zu den Risikogruppen zählen, die prädestiniert sind für schwerere COVID-19-Verläufe. Oft werden sie mit einer Kombinationstherapie beispielsweise bestehend aus Sartan plus Diuretikum oder einem ACE-Hemmer plus Diuretikum behandelt. Werden dann noch nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen oder Diclofenac eingesetzt, droht eine Abnahme des glomerulären Filtrationsdrucks durch die Kombination von NSAR plus ACE-Hemmer bzw. Sartan und eine durch das Diuretikum ausgelöste Hypovolämie (verringerte Blutmenge im Blutkreislauf), die in ein akutes Nierenversagen münden können. Vor diesem auch als „Triple Whammy“ bekannten Dreifachschlag gegen die Nieren wird immer wieder gewarnt.
Paracetamol gegen Fieber
Schon vor diesem Hintergrund ist allen Patienten mit einer entsprechenden Therapie bestehend aus Sartanen und Diuretikum oder ACE-Hemmern und Diuretikum dringend zu raten, Fieber nicht mit NSAR, sondern nach Möglichkeit mit Paracetamol zu behandeln. Kontraindikationen sind abzuklären, eine Tageshöchstdosis von 4 g (8 Tabletten zu 500 mg) darf nicht überschritten werden. Sonst drohen schwere Leberschädigungen. Eine Empfehlung, die jetzt bei einem COVID-19-Verdacht natürlich auch jedem anderen Patienten gegeben werden kann. Ist eine entzündungshemmende Therapie erforderlich, ist Paracetamol nicht geeignet. Hier sollte unbedingt Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden.
WHO: Ibuprofen im Verdachtsfall nur nach ärztlicher Rücksprache
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät aktuell bei Verdacht auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus davon ab, ohne ärztlichen Rat das Medikament Ibuprofen einzunehmen. Es gebe zwar keine neuen Studien, aus denen hervorgehe, dass Ibuprofen mit höherer Sterblichkeit verbunden sei, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier am Dienstag in Genf. Aber die Experten prüften die Lage zur Zeit. „Wir raten, im Verdachtsfall Paracetamol und nicht Ibuprofen einzunehmen“, sagte Lindmeier. Dies beziehe sich ausschließlich auf die Einnahme ohne ärztlichen Rat, betonte er. Quelle: Lancet Respiratory Medicine, dpa