Gekühlt oder gefroren? – Lagerung von mRNA-Impfstoffen
Deutschland bereitet sich bereits auf Impfungen gegen den SARS-CoV-2-Erreger vor. Laut einer nationalen Impfstrategie werden Coronavirus-Impfungen nicht beim Hausarzt, sondern in sogenannten Impfzentren durchgeführt. Die Bundesregierung plant gemeinsam mit den Bundesländern flächendeckend den Aufbau solcher Zentren. Mit ein Grund für dieses Vorgehen dürften die teils aufwendigen Transport- und Lagerbedingungen der einzelnen mRNA-Vakzine sein.
Impfstoff von Biontech und Pfizer: -70 °C erforderlich
Am 9. November kam die gute Nachricht: Die Firmen Biontech und Pfizer präsentierten als erste überhaupt Daten der Phase-III-Studien, ihr mRNA-Impfstoff schützt in 90 % der Fälle vor einer Erkrankung – laut neueren Zahlen ist die Wirksamkeit sogar noch etwas höher.
Zur Erinnerung: Wie funktionieren mRNA-Impfstoffe?
Die bisher bekannten Impfstoffe enthalten abgetötete oder abgeschwächte Erreger oder Bestandteile von ihnen. Bei diesen Bestandteilen handelt es sich um körperfremde Proteine, die zuvor in Zellkulturen oder Hühnereiern vermehrt werden. Bei der Entwicklung der innovativen mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 spielt die Gentechnik eine zentrale Rolle. Denn diese Impfstoffe enthalten Teile der Erbinformation des neuartigen Coronavirus in Form von mRNA (messenger-Ribonucleinsäure). mRNA bildet der Körper normalerweise aus Abschriften bestimmter DNA-Abschnitte aus dem Zellkern zur Bildung von Proteinen durch Ribosomen im Zytoplasma. Beim Impfen wird die „fremde“ mRNA eingehüllt in schützende Substanzen gespritzt und von einigen Körperzellen aufgenommen. Diese Zellen bilden daraus dann selbst ungefährliche Proteine des Virus, sogenannte Antigene, die dann das menschliche Immunsystem aktivieren. Nach einiger Zeit wird die mRNA vom Körper wieder abgebaut, die Impfantwort bleibt aber erhalten.
Der Impfstoff BNT162b2 stellt allerdings große Herausforderungen an Transport und Lagerung. Die Ampullen müssen gefroren bei etwa -70 °C zum Ort der Applikation transportiert werden. Die Unternehmen haben dafür aber bereits einen besonderen Thermo-Koffer vorgestellt. Mit Hilfe von Trockeneis, also festem Kohlenstoffdioxid, können darin die geforderten Minusgrade für bis zu zehn Tage erreicht werden. Die Behälter sind dabei mit einem Sensor ausgestattet, der die Temperatur und über ein GPS-System die Route der Auslieferung überwachen kann. An den Impfzentren selbst müssen dann Ultra-Niedrig-Temperatur-Gefrierschränke zur Verfügung stehen. Bei -70 °C kann der Impfstoff dann bis zu sechs Monate aufbewahrt werden. Bei normalen Kühlschranktemperaturen von 2 bis 8 °C bleibt BNT162b2 nur für maximal fünf Tage stabil. Die beteiligten Forscher arbeiten aber bereits an einer Pulverversion des Impfstoffs. Diese müsste dann nur regulär gekühlt werden und wäre deutlich einfacher zu handhaben.
Beim Impfstoff der Firma Moderna reicht ein Kühlschrank
Ein weiterer mRNA-Impfstoff steht offensichtlich kurz vor der Zulassung. Der Impfstoff mRNA-1273 konnte in noch laufenden Phase-III-Studien eine Wirksamkeit von 94,5 % erreichen. Bei der Verteilung und Applikation hätte dieser Impfstoffkandidat aber einen großen Vorteil: er kann ganz normal im Kühlschrank gelagert werden. Laut Firmenmitteilung bleibt die Vakzine gegen COVID-19 bei 2 bis 8 °C bis zu 30 Tage lang stabil, dies entspricht der Temperatur eines normalen Arzneimittelkühlschranks. Ursprünglich sei man zwar nur von sieben Tagen ausgegangen, neuere Tests zur Stabilität hätten diesen Zeitraum aber bestätigt. Bei einer Lagerung bei tieferen Temperaturen von –20 °C kann mRNA-1273 für sechs Monate gelagert werden, bei Raumtemperatur immerhin noch zwölf Stunden.
Kühlschrank auch für Curevac-Vakzin geeignet
Auch der mRNA-Impfstoffkandidat des Tübinger Unternehmens Curevac scheint für eine Lagerung im Kühlschrank geeignet zu sein. Nach Information der Firma kann der Impfstoff CVnCoV bei 5 °C für mindestens drei Monate gelagert werden, bei Raumtemperatur bleibt die Vakzine bis zu 24 Stunden stabil. Um eine längere Haltbarkeit des ausgelieferten Impfstoffs zu ermöglichen, werden die Untersuchungen zur Stabilität aktuell fortgesetzt. Seit Ende September durchläuft der Impfstoff eine Phase-II-Studie, bei guten Ergebnissen soll der Beginn der sich daran anschließenden Phase-III-Studie noch in diesem Jahr erfolgen. Veröffentlichte Daten der Phase-I-Untersuchungen waren bisher äußerst ermutigend.
Verschiedene mRNA-Impfstoffkandidaten im Vergleich (Stand 19.11.2020)
Unternehmen | Bisheriger Name des Impfstoffs | Klinische Phase | Lagerbedingungen |
---|---|---|---|
Biontech/Pfizer | BNT162b2 | Phase-III |
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Moderna | mRNA-1273 | Phase-III |
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Curevac | CVnCoV | Phase-II |
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Warum sind die Bedingungen so unterschiedlich?
Bei der mRNA handelt es sich um ein äußerst empfindliches Biomolekül. Um die Stabilität der Verbindung zu erhöhen, geht dabei jeder Hersteller etwas anders vor, Genaueres dazu wollen die einzelnen Firmen nicht verraten. Nach Informationen von Curevac gelingt die Kühlschrankstabilität ihres Impfstoffs „durch das Design des Produkts, den Prozess der Herstellung und durch die ausgewählten Materialien“.
Auf jeden Fall sind die Nachrichten der letzten Tage ermutigend. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe scheinen vor einer COVID-19-Erkrankung zu schützen und könnten die Trendwende in der aktuellen Corona-Pandemie einläuten.