Antikörpertests auf Corona: AMK warnt vor Fehlinterpretation
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) informiert über Antikörper-Schnelltests auf Corona – vieles ist offenbar unklar. Denn die AMK haben in den letzten Tagen vermehrte Anfragen zu den Coronatests erreicht. In einer Mitteilung über „Schnelltests“ auf SARS-CoV-2-Antikörper klärt die AMK aktuell über die Funktionsweise der Tests auf, deren Grenzen und das Risiko von Fehlinterpretationen.
Was weisen die Antikörper nach und ab wann sind Tests möglich?
Die Antikörper-Schnelltests weisen IgM- und IgG-Antikörper gegen das Virus SARS-CoV-2 nach. IgM-Antikörper werden in der Frühphase einer Infektion gebildet. Im späteren Verlauf erfolgt ein Klassenwechsel zu IgG-Antikörpern. Allerdings benötigt der Körper nach Infektion mit SARS-CoV-2 ein paar Tage, bis er überhaupt Antikörper gebildet hat: Spezifische, gegen das Virus gerichtete Antikörper sind frühestens eine Woche nach Erkrankungsbeginn nachweisbar, in der Regel sogar erst nach 14 Tagen.
Gesicherte Erkenntnisse zu dieser Serokonversion liegen für SARS-CoV-2-Infektionen noch nicht vor. Die Serokonversion beschreibt die Phase einer Infektion, in der spezifische Antikörper – in diesem Fall gegen SARS-CoV-2 – erstmals nachweisbar sind beziehungsweise den Antikörperklassenwechsel von frühen IgM-Antikörpern zu späten IgG-Antikörpern. Im Gegensatz zu den in großem Labormaßstab derzeit durchgeführten PCR-Nachweisen, die die RNA, also das Genom des Virus, detektieren, weisen die Antikörpertests folglich „nur“ eine Reaktion des Körpers auf die Infektion nach.
Negatives Ergebnis schließt akute Infektion nicht aus
Antikörpertests sind nach Einschätzung der AMK somit nur bedingt geeignet, eine Infektion aufzuzeigen. Eine Infektion könne vorliegen, auch ohne dass sich bereits Antikörper detektieren lassen. Ein negatives Testergebnis schließe somit nicht aus, dass der Patient zum Zeitpunkt der Testung SARS-CoV-2-infiziert und auch infektiös ist. Die AMK sieht hier vor allem auch die Gefahr, dass sich die Patienten in falscher Sicherheit wiegen und die gebotenen Hygienemaßnahmen vernachlässigen. Zudem kann nach Ansicht der AMK aktuell nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Antikörper anderer Coronaviren durch die Tests erfasst werden.
Kreuzreaktivität mit anderen Coronaviren
Fast alle Antikörpertests reagieren kreuz mit anderen Coronaviren, das heißt: Sie können falsch positive Signale auslösen. Es kann passieren, dass der Antikörpertest positiv ist, aber in Wirklichkeit keine SARS-CoV-2-Infektion vorlag, sondern lediglich eine Infektion mit einem der vier anderen Erkältungs-Coronaviren. Zwischen 5 und 15 Prozent aller Erkältungskrankheiten werden durch eines dieser vier anderen Coronaviren hervorgerufen. Das Risiko eines falsch positiven SARS-CoV-2-Nachweises ist dem Virologen Professor Christian Drosten (Charité Berlin) zufolge dann besonders hoch, wenn die Erkältungs-Coronavirus-Infektion erst kurz zurückliegt (etwa im letzten Monat).
Genauigkeit der Antikörpertests?
Die AMK geht auch auf die Genauigkeit der Antikörpertests ein. Die Genauigkeit der Tests wird durch deren „Sensitivität“ (Nachweisrate) und „Spezifität“ (Treffsicherheit) beschrieben. Bei nicht ausreichender Sensitivität ergeben sich falsch negative Testergebnisse. Eine Sensitivität von beispielsweise 85 Prozent bedeutet, dass in 15 von 100 Testungen eine SARS-CoV-2-Infektion stattgefunden hat, Antikörper werden jedoch nicht detektiert.
Bei unzureichender Spezifität ergeben sich falsch positive Testergebnisse: Bei einer Spezifität von zum Beispiel 95 Prozent sind 5 von 100 Testungen falsch-positiv, der Mensch war somit gar nicht mit SARS-CoV-2 infiziert. Diese Spezifität und Sensitivität sind bislang häufig nur an kleinen Probenmengen in einzelnen Laboren ermittelt worden. Diese gelte es zu verifizieren, so die AMK.
Hersteller zertifizieren ihre Antikörpertests selbst
Zusätzlich kritisch kann bei Antikörper-Schnelltests auf Corona gesehen werden, dass die Hersteller ihre Tests selbst zertifizieren und mit einem CE-Kennzeichen versehen dürfen. Möglich ist das, da Antikörper-„Schnelltests“ als Medizinprodukte zurzeit als In-vitro-Diagnostika (IVD) mit niedrigem Risiko eingestuft sind, was erlaubt, auf eine unabhängige Überprüfung zu verzichten. Eine Validierung der Tests gilt daher nach Ansicht der Arzneimittelkommission der Apotheker nicht als gesichert, zudem seien auch bereits Fälschungen bekannt, vor denen auch die WHO jüngst warnte.
RKI: keine alleinige Diagnostik mit Schnelltests
Die AMK erinnert auch daran, dass das Robert Koch-Institut (RKI) sowie Fachgesellschaften die alleinige Akutdiagnostik mithilfe von Antikörper-„Schnelltests“ ablehnen. Goldstandard zum Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 blieben weiterhin Nukleinsäure-Amplifikations-Techniken (NAT), also Verfahren, in denen die genetische Information des Virus (RNA) vervielfältigt wird, wie die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Hier wird direkt die Virus-RNA nachgewiesen. Bei einem Verdacht auf eine Infektion sollten daher die amtlich empfohlenen Testverfahren durchgeführt werden.
Hingegen könne eine breite Testung auf SARS-CoV-2-spezifische Antikörper für epidemiologische Fragestellungen sinnvoll sein, wie der Erfassung der Serokonversionsrate in der Bevölkerung, um den Stand der Immunisierung abzuschätzen. Entsprechende Studien hat das RKI bereits angekündigt. Auch Professor Christian Drosten von der Berliner Charité sieht „mit einiger Fairness“ die Antikörpertests als „Indikator für eine durchgemachte Erkrankung“, das erklärte der Virologe in der 29. Folge des NDR-Podcasts „Corona-Update“.
Grenzen der Tests in der Apotheke erklären
Die AMK bittet auch die Apotheken um Hilfe: PTA und Apotheker sollen Kunden und Patienten die Grenzen und mögliche Fehler von SARS-CoV-2-Antikörpertests erklären. Bestehe bei einem Patienten Verdacht auf SARS-CoV-2, solle dieser an die lokalen Gesundheitsämter verwiesen werden, um die Notwendigkeit einer PCR-Testung zu prüfen. Diese sollte nicht durch einen Antikörper-„Schnelltest“ ersetzt werden.