Wie Corona die Pfunde steigen lässt
Wie hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie der Lebensstil in Deutschland geändert? Welche Auswirkungen hat das auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung? Aufschlussreiche Antworten darauf liefert eine neue Umfrage, die das Else Kröner Fresenius Zentrum für Ernährungsmedizin (EKFZ) an der Technischen Universität München (TUM) zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt hat. An der Online-Befragung nahmen im April 2021 rund 1.000 Erwachsene (18 bis 70 Jahre) teil.
Gewichtszunahme vor allem bei Adipösen
Hinsichtlich der Entwicklung des Körpergewichts wartet die Forsa-Studie mit eindrucksvollen Werten auf: 39 Prozent der Befragten haben seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen, am häufigsten in der Gruppe der 30- bis 44-Jährigen (48 Prozent). Die Gewichtszunahme beträgt im Schnitt 5,5 Kilogramm, bei Männern etwas mehr als bei Frauen (5,9 vs. 5,1 Prozent). Ausgerechnet jene Personen, die schon zuvor Gewichtsprobleme hatten (BMI über 30), betrifft die Gewichtszunahme am stärksten: 53 Prozent von ihnen haben zugenommen – und zwar durchschnittlich um 7,2 Kilogramm. Die Corona-Pandemie verschärft also die Adipositas-Epidemie.
Weniger Bewegung und mehr Süßigkeiten
Die Gründe für diese Entwicklung liefern weitere Befragungsergebnisse. So gab über die Hälfte der Studienteilnehmer (52 Prozent) an, sich weniger als vor der Corona-Krise zu bewegen (Männer etwas mehr als Frauen: 55 vs. 49 Prozent). Auch hierbei sind die Schwergewichtigen führend: 60 Prozent der Personen mit einem BMI über 30 bewegen sich weniger als vor der Pandemie.
Außerdem gab circa ein Drittel der Befragten an, mehr zu essen – etwa aufgrund von mehr Zeit zum Essen oder aus Langeweile. Beim Mehressen überwiegen ungünstige Lebensmittel wie Süßigkeiten, Knabbereien, Fastfood und süße Getränke, wiederum vor allem bei den ohnehin schon stark übergewichtigen Personen. Das ungünstige Essverhalten wird offenbar durch seelische Belastung gefördert.
Corona-Pandemie und Adipositas: Ein Teufelskreis
Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, zieht aus den Befragungsergebnissen das Fazit, dass sich Lebensstil und -qualität vieler Menschen unter der Corona-Pandemie verschlechtert haben. Er befürchtet, dass dadurch viele chronische Zivilisationskrankheiten weiter begünstigt werden. Außerdem entstehe ein Teufelskreis, da sich Adipositas und Corona-Pandemie gegenseitig verstärken. Eine aktuelle englische Studie liefert hierzu weitere Belege: Sowohl die Zahl der Krankenhausbehandlungen wegen COVID-19 als auch die COVID-19-Sterberate steigt mit zunehmendem Body-Mass-Index deutlich an.
Regeln besser als Verbote
Wegen zunehmender Öffnungen und beginnender Sommersaison ist laut Professor Hauner gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, mit einer gesünderen Lebensweise und Gewichtsabnahme zu beginnen. Regelmäßige körperliche Bewegung und ausgewogene Ernährung seien dafür entscheidend. Jeder solle Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen. Klare Regeln statt strikter Verbote seien dabei am hilfreichsten – also sich etwa den Schokoladenkonsum nicht komplett zu untersagen, sondern auf eine festgelegte Menge pro Woche zu beschränken. Um sich selbst besser zu motivieren, sollte man nach Meinung von Professorin Renate Oberhoffer-Fritz Zielsetzungen unabhängig vom Gewicht formulieren, beispielsweise: „Ich möchte fitter werden, um ohne Atemnot die Treppe hochzukommen.“ Quelle: Technische Universität München, Online-Expertengespräch am 2. Juni 2021 zur Forsa-Studie „Lebensstil und Ernährung von Erwachsenen in Corona-Zeiten“