Aktuelles
6 min merken gemerkt Artikel drucken

Abgabe von Gefahrstoffen: Was ist zu beachten?

Braunglasflaschen, jeweils mit Piktogramm versehen
Bei der Abgabe von Gefahrstoffen in der Apotheke ist Vorsicht geboten. Bei einigen dieser Stoffe ist ein Sachkundenachweis notwendig und die Abgabe muss genau überprüft und dokumentiert werden. | Bild: A_Bruno / AdobeStock

Salzsäure zur Reinigung der Toilette, Kaliumpermanganat zur Wasserdesinfektion oder Wasserstoffperoxid zum Bleichen von Knochen: Möchten Kunden in der Apotheke Gefahrstoffe erwerben, ist es wichtig, genau zu überprüfen, ob eine Abgabe erlaubt ist. 

Zunächst einmal muss der Erwerber mindestens 18 Jahre alt sein, denn ein Verkauf von Chemikalien an Jugendliche ist grundsätzlich nicht erlaubt. Weiterhin muss der Verwendungszweck genau überprüft werden, dabei dürfen sich keine Anhaltspunkte auf eine unerlaubte Verwendung ergeben. 

Die abgebende Person muss den Kunden zudem über mögliche Gefahren bei der Verwendung der Substanz, über die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen und über die ordnungsgemäße Entsorgung unterrichten.

Gut zu wissen: Kein Kontrahierungszwang für Chemikalien

Gibt es bei dem angegebenen Verwendungszweck eines Gefahrstoffs Zweifel, sollten diese immer ernst genommen werden. Anders als bei der Abgabe von Arzneimitteln besteht für Chemikalien keine Verpflichtung zur Abgabe. Hat das pharmazeutische Personal also Bedenken an einer erlaubten Verwendung, muss die Abgabe verweigert werden.

Wann ist ein Sachkundenachweis bei der Abgabe nötig?

In der Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) können Vorschriften zur Abgabe und Dokumentation von Gefahrstoffen nachgelesen werden. Dort steht geschrieben, dass Personen, die in der Apotheke Chemikalien abgeben, selbst mindestens 18 Jahre alt sein und zudem als zuverlässig gelten müssen. PTA und Apotheker gelten allein schon durch ihre Ausbildung als umfassend sachkundig.

Bei bestimmten Gefahrstoffen ist außerdem ein Sachkundenachweis notwendig. Dieser Nachweis muss seit einigen Jahren regelmäßig erneuert werden. Dies ist möglich durch den Besuch einer halbtägigen Fortbildung alle drei Jahre oder auch durch Teilnahme an einer ganztägigen Veranstaltung alle sechs Jahre. 

Der Sachkundenachweis ist dabei nötig zur Abgabe von Stoffen und Gemischen, die mit dem Gefahrenpiktogramm GHS06 (Totenkopf mit gekreuzten Knochen) gekennzeichnet sind. Darunter fallen beispielsweise die beiden Flüssigkeiten Ameisensäure ≥ 85 % und Chloralhydrat. 

Diese Regel gilt auch für Gefahrstoffe mit dem Gefahrenpiktogramm GHS08 (Gesundheitsgefahr), die zusätzlich mit dem Signalwort Gefahr und den Gefahrenhinweisen H340, H350, H360, H370 und H372 versehen sind.

Gut zu wissen: Abgabeverbot für CMR-Stoffe an Privatpersonen

An Privatpersonen dürfen grundsätzlich keine CMR-Substanzen der Kategorie 1A oder 1B abgegeben werden. Dabei handelt es sich um kanzerogene (krebserzeugend), mutagene oder reproduktionstoxische (fortpflanzungsgefährdend) Stoffe. 

Zur Kategorie 1A gehören Substanzen, die nachweislich beim Menschen schädlich sind, hingegen stammt der Nachweis bei der Kategorie 1B aus Tierversuchen. 

Die oben bereits erwähnten Gefahrstoffe mit Gefahrenpiktogramm GHS08, dem Signalwort Gefahr und den H-Sätzen 340, 350, 360, 370 und 372 dürfen daher nur an berufliche Verwender abgegeben werden. Beispiele hierfür wären Benzol und Ethylenoxid.

Auch für die Abgabe von Chemikalien, die das Gefahrenpiktogramm GHS03 (Flamme über einem Kreis) und GHS02 (Flamme) zusammen mit den H-Sätzen 224, 241 und 242 tragen, ist ein Sachkundenachweis nötig. Darunter fallen beispielsweise die Feststoffe Ammoniumnitrat, Kaliumnitrat, Kaliumpermanganat und Natriumnitrat.

Sachkundenachweis: Wann ist er nicht notwendig?

Für alle nicht oben erwähnten Gefahrstoffe sieht der Gesetzgeber keine Notwendigkeit eines Sachkundenachweises vor. 

Beispiele für apothekenrelevante Gefahrstoffe, die ohne Sachkundenachweis abgegeben werden können, sind  

  • Aceton,
  • Ammoniaklösung 25 %,
  • Citronensäure,
  • Essigsäure,
  • Ethanol 96 % (V/V),
  • 2-Propanol,
  • Natriumcarbonat,
  • Salzsäure sowie
  • Wasserstoffperoxid-Lösung ≤ 12 %.

Für diese Chemikalien besteht auch keine Pflicht zur Dokumentation. 

Allerdings: Die abgebende Person muss einmal jährlich von einer sachkundigen Person über die Eigenschaften der abzugebenden Stoffe und die damit verbundenen Gefahren unterrichtet werden. Diese Belehrung muss schriftlich dokumentiert werden.

Wann und was muss bei der Abgabe von Gefahrstoffen dokumentiert werden?

Bei der Abgabe von Gefahrstoffen mit dem Gefahrenpiktogramm GHS06 und GHS08 verbunden mit dem Signalwort Gefahr und den H-Sätzen 340, 350, 360, 370 und 372 müssen gewisse Informationen zur Abgabe auch schriftlich festgehalten werden. In diesen Fällen besteht auch die Pflicht zur Identitätsfeststellung des Erwerbers. 

Folgende Punkte müssen geprüft und dokumentiert werden: 

  • Name und Anschrift des Erwerbers
  • Erwerber muss mindestens 18 Jahre alt sein
  • Art und Menge des Gefahrstoffs
  • Verwendungszweck
  • mündliche Unterweisung durch die abgebende Person
  • Datum der Abgabe
  • Name der abgebenden Person
  • Unterschrift des Erwerbers

Die Dokumentation kann in einem Abgabebuch oder auf elektronischem Weg erfolgen. Der Empfang der Chemikalie durch den Erwerber kann auf einem separaten Empfangsschein bestätigt werden. Das Abgabebuch und die Empfangsscheine sind mindestens 5 Jahre aufzubewahren.

Was ist bei möglichen Explosivstoffen zu beachten?

Einige Gefahrstoffe können als Ausgangsstoffe zur missbräuchlichen Herstellung von Explosivstoffen eingesetzt werden und dürfen daher nicht an Privatpersonen abgegeben werden. Von dieser Regelung sind folgende Substanzen betroffen:  

  • Kaliumchlorat
  • Kaliumperchlorat
  • Natriumchlorat
  • Natriumperchlorat
  • Nitromethan
  • Salpetersäure > 3 %
  • Schwefelsäure > 15 %
  • Wasserstoffperoxid > 12 %

Weiterhin müssen verdächtige Transaktionen oder Diebstähle im Zusammenhang mit Chemikalien wie Aceton, Kaliumnitrat, Natriumnitrat und Magnesiumpulver der Polizei gemeldet werden.  

Was ist bei der Abgabe von Wasserstoffperoxid zu beachten?

Wasserstoffperoxid kann missbräuchlich zur Herstellung von Sprengstoffen verwendet werden. Aus diesem Grund ist eine Abgabe von Wasserstoffperoxid-Lösungen über 12 % Gehalt verboten. Eine Abgabe an berufliche Verwender mit Gewerbeerlaubnis ist allerdings zulässig. 

Wasserstoffperoxid-Lösungen werden häufig von Jägern zum Bleichen von Geweihen angefragt. Hierbei ist zu beachten, dass die meisten Jäger privat tätig sind und keinen Gewerbeschein besitzen. Daher dürfen sie nur Wasserstoffperoxid-Lösungen in einer Konzentration bis 12 % bekommen.

Grundstoffüberwachungsgesetz regelt Verkehr mit Drogenausgangsstoffen

Zur Überwachung des Verkehrs mit Stoffen, die zur illegalen Suchtstoffherstellung geeignet sind, dient das Grundstoffüberwachungsgesetz. Drogenausgangsstoffe sind dort in drei Kategorien eingeteilt:

  • Kategorie 1:
    • Diese Stoffe gelten als direkte Syntheseausgangsstoffe von Drogen. Erwerber brauchen dafür eine Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
    • Beispiele: Ephedrin, Ergotamin, Lysergsäure, Norephedrin
  • Kategorie 2: 
    • Diese Stoffe sind zur Herstellung von Drogen nötig. Ab dem Erwerb einer bestimmten Menge ist eine Endverbleibserklärung notwendig. Dieser Schwellenwert wird in der Apotheke normalerweise nicht überschritten und liegt z. B. bei Kaliumpermanganat (KMnO4) bei 100 kg.
    • Beispiele: Essigsäureanhydrid, Kaliumpermanganat
  • Kategorie 3: 
    • Stoffe dieser Kategorie werden als Lösungsmittel bei der Drogensynthese eingesetzt. Bei der Abgabe muss der Verwendungszweck überprüft werden.
    • Beispiele: Aceton, Diethylether, Toluol, Schwefelsäure, Salzsäure

Quellen:
- https://www.abda.de/fuer-apotheker/arbeitsschutz/abgabe-von-chemikalien/
- https://www.gesetze-im-internet.de/chemverbotsv_2017/ChemVerbotsV.pdf
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2019/daz-30-2019/kein-grund-giftig-zu-werden
- Vortrag von Dr. Holger Herold, Luther Apotheke Leipzig: Gefahrstoffrecht, Rechtliche Grundlagen, Inverkehrbringen, Innerbetrieblicher Umgang und Arbeitsschutz