Krebs nach CAR-T-Zelltherapie?
Der bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für die Risikobewertung von Arzneimitteln zuständige Ausschuss PRAC hat ein Signalbewertungsverfahren zu CAR-T-Zelltherapien gestartet. Grund sind „einige Verdachtsfälle über T-Zell-Lymphome nach einer CAR-T-Zelltherapie“, die die Europäische Arzneimittelagentur seit Zulassung des ersten CAR-T-Zell-Produkts im Jahre 2018 erreicht haben, berichtet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).
EudraVigilance – die EU-Datenbank für Nebenwirkungen von Arzneimitteln – listet 23 Fälle von T-Zell-Lymphomen oder -Leukämie im Zusammenhang mit einer CAR-T-Zellbehandlung. Mittlerweile gibt es in Deutschland sechs CAR-T-Zell-Produkte:
- Abecma (Idecabtagen-Vicleucel),
- Breyanzi (Lisocabtagen maraleucel),
- Carvykti (Ciltacabtagen-Autoleucel),
- Kymriah (Tisagenlecleucel),
- Tecartus (Brexucabtagen autoleucel) und
- Yescarta (Axicabtagen-Ciloleucel).
Für fünf dieser Produkte übernimmt das PEI eine „federführende Rolle als Rapporteur“ beim PRAC.
Gut zu wissen: Was sind T-Zell-Lymphome?
T-Zell-Lymphome gehen von T-Zellen aus. Es handelt sich dabei um bösartig veränderte T-Zellen (T-Lymphozyten, eine Gruppe der weißen Blutkörperchen), die – anders als gesunde T-Zellen – für die Immunabwehr jedoch untauglich sind. Auch sterben die Lymphomzellen nicht ab, sondern vermehren sich immer weiter.
Man findet die veränderten T-Zellen in den Lymphknoten, häufig auch in Milz, Leber und Knochenmark, seltener in anderen Organen. T-Zell-Lymphome gehören zur Klasse der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL). Sie machen etwa zehn bis 15 Prozent aller NHL aus und treten insgesamt deutlich seltener auf als B-Zell-Lymphome.
Wer bekommt eine CAR-T-Zellbehandlung?
CAR-T-Zelltherapeutika erhalten Patienten mit wieder aufgetretenen oder refraktären (kein Ansprechen mehr auf vorherige Behandlung) malignen Erkrankungen, wie B-Zell-Leukämie, B-Zell-Lymphom, follikulärem Lymphom, multiplem Myelom und Mantelzell-Lymphom.
Dabei handelt es sich um personalisierte Gentherapien, bei denen den Patienten körpereigene T-Zellen entnommen und modifiziert werden – damit die „neuen“ T-Zellen den Krebs erkennen. Anschließend vermehrt man die Zellen und reinfundiert diese den Patienten.
Zur Erinnerung: CAR-T-Zelltherapie – so funktioniert`s
Aufgabe unseres Immunsystems ist es, nicht nur Erreger wie Bakterien und Viren zu erkennen und zu bekämpfen, sondern auch körpereigene Zellen, wenn diese entarten. Nicht immer funktioniert diese Wächterfunktion jedoch tadellos, sonst gäbe es keine Krebserkrankungen. Um maligne, also bösartige Zellen zu eliminieren, muss eine T-Zelle diese zunächst erkennen und die Tumorzelle sodann zerstören.
Bei einer CAR-T-Zellbehandlung verschafft man körpereigenen T-Zellen diese Funktionen außerhalb des Körpers, wofür die T-Zellen etwas „bearbeitet“ werden: Zunächst entnimmt man dem Krebspatienten weiße Blutkörperchen (Leukozyten), isoliert die T-Zellen und verändert ihre Erbsubstanz mit einem Gen. Dieses Gen baut man zunächst in ein inaktives Virus ein, das als Fähre das gewünschte zusätzliche Gen in die T-Zelle einschleust, wo es sodann die genetische Information (Erbinformation) der T-Zelle ergänzt. Das zusätzliche Gen trägt die Information für einen chimären Antigenrezeptor (CAR), welchen die T-Zelle sodann produziert und in ihrer Oberfläche exprimiert.
Wie eine „Antenne“ erkennt dieser Rezeptor nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip bestimmte krebsspezifische Oberflächenproteine – folglich die Krebszelle –, bindet diese, was die T-Zelle zur Zerstörung der Krebszelle aktiviert. Damit die T-Zelle die Krebszelle zerstören kann, benötigt sie, neben dem Antikörperfragment nach außen, noch eine oder mehrere Signaldomänen (je nach Generation des CAR-T-Zellprodukts). Diese leiten die zytotoxische Wirkung ein und führen zum Zelltod der gebundenen Tumorzelle.
Bevor die veränderten und scharf gestellten T-Zellen zurück in den Körper des Patienten gelangen, werden diese noch vermehrt. Auch der Patient wird auf die neuen T-Zellen vorbereitet: Vor der eigentlichen Therapie werden die T-Zellen des Patienten zunächst mit einer Chemotherapie zerstört, sodass die über eine Infusion zurück in den Körper des Patienten gebrachten neuen CAR-T-Zellen optimale Bedingungen zur Vermehrung haben.
Dem PRAC zufolge werden sekundäre Malignome – also eine zweite Krebserkrankungen, die sich von der ursprünglichen unterscheidet – bereits seit Zulassung der sechs CAR-T-Zell-Produkte als „potenzielles wichtiges Risiko“ erfasst. Man prüfe nun die vorhandenen Daten und werde über mögliche Regulierungsmaßnahmen entscheiden.
Auch die FDA prüft CAR-T-Zellbehandlung
Die EMA ist nicht die einzige Arzneimittelbehörde, der Lymphome im Zusammenhang mit CAR-T-Zellbehandlungen aufgefallen sind und die diesen nachgeht: Bis zum 31. Dezember 2023 lagen der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA in den Vereinigten Staaten 22 Fälle von T-Zell-Krebserkrankungen im Zusammenhang mit einer CAR-T-Zelltherapie vor, wie FDA-Mitarbeiter im „New England Journal of Medicine“ berichten.
Dabei konnte man in drei Fällen das CAR-Gen in den bösartigen Zellen nachweisen. Das deute darauf hin, dass tatsächlich das CAR-T-Produkt am T-Zellkrebs beteiligt gewesen sei, erklärt das „Ärzteblatt“.
Im Januar 2024 berichteten auch Wissenschaftler im Fachjournal „Nature medicine“ von 16 Patienten (von 449) – also 3,6 Prozent –, die im Median zehn Monate nach CAR-T-Zellbehandlung eine sekundäre Krebserkrankung entwickelten. Darunter vor allem solide Tumoren, aber auch hämatologische Krebserkrankungen.
Dem „Ärzteblatt“ zufolge können auch andere Therapien diese erhöhte Krebsrate erklären, da die Patienten vor CAR-T-Zellbehandlung in der Regel Chemo- und/oder Strahlentherapien erhalten hätten. In Betracht ziehen müsse man auch die chemotherapeutische Lymphodepletion, die der Patient vor CAR-T-Zell-Reinfusion durchmache.