Thyreostatika: Rückgang bei gebärfähigen Frauen
Eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) in der Schwangerschaft stellt eine besondere Herausforderung dar. Unbehandelt gefährdet der Überschuss an Schilddrüsenhormonen Mutter und Kind und steigert so etwa das Risiko für Wachstumsverzögerungen, Präeklampsie, Früh- und Totgeburten.
Eine manifeste Hyperthyreose sollte daher auch in der Schwangerschaft behandelt werden. Allerdings gibt es beim Einsatz der zur Verfügung stehenden Thyreostatika im ersten Schwangerschaftstrimenon einiges zu beachten – denn Propylthiouracil, Carbimazol und Thiamazol sind alle drei plazentagängig.
Zum Weltschilddrüsentag am 25. Mai
Jährlich findet am 25. Mai der Weltschilddrüsentag statt. Mit diesem Aktionstag wird auf die Erkrankungen der Schilddrüse aufmerksam gemacht, wie man diese erkennen und entsprechend behandeln kann. Weiterführende Informationen finden Sie auf der Webseite der Schilddrüsen-Liga Deutschland e. V.
Carbimazol und Thiamazol sind schwach teratogen
Für die Wirkstoffe Carbimazol und Thiamazol ist eine dosisabhängige, schwach teratogene Wirkung bekannt, die zu charakteristischen Fehlbildungen beim Kind führen kann.
Frauen, die mit diesen Wirkstoffen behandelt werden, wird daher dringend nahegelegt, sicher zu verhüten und die Familiengründung bzw. -erweiterung möglichst auf die Zeit nach Behandlungsabschluss zu verschieben.
Weiterhin zu beachten ist bei beiden Wirkstoffen die Nebenwirkung der akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), die ein sofortiges Absetzen sowie einen Wirkstoffwechsel erforderlich macht.
Propylthiouracil Mittel der Wahl für das erste Schwangerschaftstrimenon
Hinsichtlich des Dritten im Bunde, Propylthiouracil (PTU), ist die Datenlage uneindeutiger. Auf embyrotox.de ist hierzu zu lesen:
„PTU führt zu keinem charakteristischen Fehlbildungsmuster und in der Mehrzahl der Studien auch zu keinem erhöhtem Gesamtfehlbildungsrisiko. Allerdings wurden inzwischen zwei Verschreibungsstudien veröffentlicht, die auch nach PTU-Anwendung in der Schwangerschaft ein erhöhtes kindliches Fehlbildungsrisiko ermittelten.“
Als beste der drei Optionen bleibt Propylthiouracil jedoch Mittel der Wahl für das erste Trimenon einer Schwangerschaft. Ob eine Umstellung auf diesen Wirkstoff erfolgen sollte, wenn es unter Carbimazol oder Thiamazol ungeplant zu einer Schwangerschaft gekommen ist, wird kontrovers diskutiert.
Zu beachten ist bei Propylthiouracil, dass es aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit von einer Stunde alle sechs bis acht Stunden eingenommen werden muss. Zudem kommt es unter diesem Wirkstoff häufiger zu Nebenwirkungen, insbesondere zu schweren Leberschäden, als unter Carbimazol oder Thiamizol.
Bei allen drei Wirkstoffen gilt: Falls sie während des ersten Schwangerschaftsdrittels zum Einsatz kommen, sollte die niedrigste erforderliche Dosis verwendet werden.
Verordnungen mit Thyreostatika rückläufig
Wie Thyreostatika bei Frauen im Alter zwischen 13 und 49 Jahren eingesetzt werden, wird auch in der Ausgabe 2/2023 des Bulletins für Arzneimittelsicherheitwird herausgegeben vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie vom Paul-Ehrlich-Institut beleuchtet. Hierfür wurden Abrechnungsdaten von vier gesetzlichen Krankenkassen aus dem Zeitraum 2004 bis 2020 ausgewertet, die insgesamt etwa ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands abdecken.
Feststellbar war insgesamt ein rückläufiger Verordnungstrend: Während 2004 noch 2,7 von 1.000 Mädchen und Frauen ein Thyreostatikum erhielten, lag die altersstandardisierte Verordnungsprävalenz 2020 nur noch bei 1,8. Es sanken hierbei insbesondere die Verordnungen von Carbimazol und Thiamazol.
Bei Schwangerschaft: Umstieg auf PTU nimmt zu
Bei 9.723 Frauen, die mindestens einmal ein Thyreostatikum verordnet bekommen hatten, traten eine oder mehrere Schwangerschaften ein. Zwei Drittel davon fanden jedoch zu einem Zeitpunkt statt, zu dem das Arzneimittel noch nicht oder nicht mehr eingenommen wurde.
Bei 17 % davon wurde während der Schwangerschaft ein Thyreostatikum angesetzt (n = 2.243). 16 % der Schwangerschaften (n = 2.203) traten unter einer bestehenden thyreostatischen Therapie ein.
Der Anteil der Frauen, die daraufhin von Carbimazol oder Thiamazol auf Propylthiouracil umgestellt wurden, stieg im Studienzeitraum an. Die Autoren des Bulletin-Beitrags stimmen diese Beobachtungen vorsichtig optimistisch, dass die Risiken der Thyreostatika-Gabe bei Frauen im gebärfähigen Alter mehr und mehr Berücksichtigung im Versorgungsalltag finden. Quellen:
- Maucher IV. Propylthiouracil. Inforamtionen der Gelben Liste. Stand 16.01.2023 https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Propylthiouracil_1732
- Hyperthyreose. Informationen von embryotox.de. Abgerufen am 04.08.2023 https://www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/hyperthyreose/
- Schink T et al. Verordnung von Thyreostatika bei Frauen im gebärfähigen Alter und in der Schwangerschaft. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. 2023;2:39-43