Zahngesundheit: Welches Fluorid wirkt am besten?
Der Zahnschmelz ist das härteste Zellprodukt des Menschen und besteht aus Hydroxylapatit, in dem vor allem die Mineralien Calcium und Phosphor vorkommen. Üblicherweise liegt an der Zahnoberfläche ein dynamisches Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisation des Zahnschmelzes vor. Im Sauren sind die Apatite leicht löslich. Sinkt der pH-Wert auf 5,7 bis 5,4 ab, entkalkt der Schmelz zunächst reversibel (Demineralisation). Dieser Säureanstieg entsteht beispielsweise bei bakterieller Zersetzung von kurzkettigen Kohlenhydraten durch Karies verursachende Bakterien , z. B. Streptococcus mutans oder Lactobacillen.
Hält der Mineralverlust länger an, erscheinen kreidig-weiße Flecken als Initialkaries auf den Zähnen. Spätestens dann kommt neben der Einschränkung des Zuckerkonsums und sorgfältiger Mundhygiene Fluorid ins Spiel. Unbehandelt ist es sonst nur eine Frage der Zeit, bis Karies entsteht. Insbesondere bei Kindern mit unreifem Zahnschmelz können dazwischen nur wenige Monate liegen.
Gut zu wissen: Was ist Initialkaries?
Als Initialkaries wird das Anfangsstadium für Karies bezeichnet. Deutlich erkennbar sind dabei kreidige und im späteren Verlauf bräunliche Verfärbungen an den Zähnen.
Fluorid härtet Zahnschmelz
In der Behandlung von Initialkaries sowie in der Prophylaxe haben Fluoride ihren festen Stellenwert. Bei lokaler Anwendung in der Mundhöhle erfüllen sie mehrere Effekte:
- Fluorid ersetzt teilweise die Hydroxylgruppe des Apatits und erhöht somit die Stabilität des Kristallgitters im Schmelz. Mischkristalle aus Fluor- und Hydroxylapatit sind wesentlich säureresistenter. Experten sprechen von einem „stabilen Fluoridreservoir“.
- Fluorid bildet zusammen mit Calcium-Ionen, aus Speichel und Zähnen, Calciumfluorid auf der Zahnoberfläche. Diese sogenannte Deckschicht trägt zum Kariesschutz bei. Die Bildung von Calciumfluorid hängt unter anderem von der Fluorid-Konzentration, dem pH-Wert sowie der Art der eingesetzten Fluorid-Verbindung ab und entsteht ab einer Fluorid-Konzentration von 300 ppm. Werden niedrigdosierte Kinderzahnpasten verwendet, kann das allerdings problematisch werden: Denn mit Speichel verdünnt wird die erforderliche Konzentration nicht erreicht. Seit 2021 lautet die Empfehlung daher auch schon für Kinder ab dem ersten Zahn einheitlich 1.000 ppm Fluorid statt der zuvor gängigen 500 ppm.
- Fluorid hemmt den Kohlenhydratmetabolismus säureproduzierender Mikroorganismen. Ob der Effekt bei Verwendung von Zahnpasten mit niedriger Fluorid-Konzentration aber tatsächlich zur Kariesprävention beiträgt, ist unklar.
Zusammengefasst härtet Fluorid also den Schmelz und verschiebt das Gleichgewicht von der De- zur Remineralisation.
Welche Fluoride gibt es und wie wirken sie?
Es gibt unterschiedliche Fluoride, die entweder einzeln oder in Kombination in Zahnpflegeprodukten verwendet werden. Dazu gehören:
- Natriumfluorid,
- Natriummonofluorphosphat,
- Zinn(II)-fluorid,
- Aminfluoride wie Dectafluor und Olaflur.
Natriumfluorid ist in Zahnpflegeprodukten weit verbreitet und liefert dank der guten Wasserlöslichkeit freie Fluorid-Ionen. Da Calcium-reiche Hilfsstoffe die Bioverfügbarkeit deutlich herabsetzen, wird in Zahnpasten z. B. auf Calciumcarbonat-haltige Putzkörper verzichtet. Im Gegensatz dazu unterstützt Calciumcarbonat bei Natriumfluorphosphat die karieshemmende Wirkung. Allerdings liegt Fluor in dieser Verbindung kovalent gebunden vor und freie Fluorid-Ionen entstehen erst durch Hydrolyse. Da hierfür die Kontaktzeit beim Zähneputzen zu kurz ist, kann keine Calciumfluorid-Deckschicht zum Schutz vor Karies entstehen.
Zinn-Ionen aus Zinnfluorid wirken antibakteriell. Durch Oxidation verlieren sie ihre antibakterielle Wirkung und führen zu Zahnverfärbungen. Kein Wunder also, dass Zinnfluorid bis in die 1980er-Jahre fast vollständig aus Zahnpasten verschwand. Nun erlebt diese Verbindung eine Renaissance und wird bei Entzündungen sowie überempfindlichen Zahnhälsen geschätzt. Dabei enthalten moderne Präparate Putzkörper gegen die Zahnverfärbungen.
Gut zu wissen: Was sind Putzkörper?
Putzkörper sind feinste Partikel, die in Zahncremes enthalten sind. Sie unterstützen die mechanische Reibung an der Zahnoberfläche durch die Zahnbürste. Dabei entfernen sie Zahnbeläge und polieren gleichzeitig die Zahnoberfläche.
Aminfluorid sticht positiv hervor
Aminfluorid dient als Sammelbegriff für Wirkstoffe wie Dectaflur und Olaflur. Aufgrund der Molekülstruktur besitzen Aminfluoride oberflächenaktive Eigenschaften: Sie verteilen sich besser in der Mundhöhle, haften länger und erreichen dank ihrer Affinität zu Zahnbelag etwas höhere Fluorid-Konzentrationen. Zusätzlich begünstigt ihr niedriger pH-Wert (4,5 bis 5) die rasche Bildung von Calciumfluorid an der Zahnoberfläche.
Durch ihrer bakterienhemmende Wirkung im Zahnbelag stechen Aminfluoride im Labor gegenüber anderen Fluoriden positiv hervor. Eine Studie aus 2008 konnte zeigen, dass Aminfluorid das Wachstum des Bakteriums Streptococcus mutans und dessen Anhaften am Zahnbelag hemmt.
Auf Fluorid-Konzentration in Zahnpasta achten
Sind Zahnpasten ohne Aminfluorid also schlecht? Nein, beschwichtigt Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Oberarzt an der Poliklinik für Parodontologie, präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung in Hamburg-Eppendorf. Schließlich seien sämtliche Untersuchungen mit Aminfluoriden standardisiert im Labor durchgeführt worden, während Unterschiede in der Praxis dagegen kaum darstellbar seien.
Entscheidend sei vielmehr, dass eine Fluorid-haltige Zahnpasta mit ausreichender Konzentration verwendet wird. Enthalten Zahncremes mehr als 1.500 ppm Fluorid, ist nicht mehr von Zahnpflegeprodukten, sondern von Arzneimitteln die Rede. Sie werden bei erhöhtem Kariesrisiko eingesetzt, wenn Patienten beispielsweise eine feste Zahnspange tragen oder freiliegende Zahnhälse haben.
Beispiel ist das hochdosierte Dentalgel Elmex® Gelee, das einmal wöchentlich angewendet wird und eine Mischung aus Aminfluoriden und Natriumfluorid enthält. Die Anwendung ist etwa ab Schulalter möglich, sobald Kinder kontrolliert ausspucken können. Im Rahmen der Individualprophylaxe ist bis zum 17. Lebensjahr eine Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenkasse möglich. Dies betrifft allerdings nur Arzneimittel, also apothekenpflichtige Präparate.
Fluorid-haltige Spüllösungen
Bei festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen sind Fluorid-haltige Spüllösungen ebenfalls eine gute Möglichkeit. Denn nach Entfernung der Zahnspange weist fast jeder Vierte sichtbare Demineralisierungen am Zahnschmelz auf. Diese White-Spot-Läsionen bleiben oft permanent bestehen und stören nicht zuletzt die Ästhetik. Grundsätzlich müssen Fluorid-haltige Zahnpasten, Lösungen und Gele regelmäßig angewandt werden. Schließlich lässt die Fluoridkonzentration und -wirkung je nach Präparat rasch innerhalb von Stunden bis Tagen nach.
Fluorid-Lacke haften besonders lang
Hochdosierte Fluorid-Lacke sind besonders intensiv und lang anhaltend haftend. „Seit 2019 wird die Applikation von Fluorid-Lacken bereits bei Kleinkindern im größeren Umfang durchgeführt“, erklärt Schiffner. Hintergrund sei eine Leistungserweiterung des Katalogs der gesetzlichen Krankenkassen, basierend auf einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses. Durch die mehrmals jährliche Applikation kann das Auftreten von Karies reduziert werden.
Auch Senioren profitieren von einer Lackapplikation durch den Zahnarzt, um Wurzelkaries vorzubeugen. Diese betrifft nur freiliegende Zahnhälse und tritt meist als Folge von mangelhafter mechanischer Reinigung, wenig Speichel und vermehrtem Zuckerkonsum auf. Wurzelkaries ist weit verbreitet, im Alter von 65 bis 74 Jahren ist bereits bei 32% mindestens ein Zahn betroffen.
Viele Patienten mit freiliegenden Zahnhälsen klagen zudem über Schmerzempfindlichkeit der Zähne. Dabei werden thermische oder osmotische Reize an offenliegenden Dentinkanälchen als schmerzhaft wahrgenommen. Auch hier können hochdosierte Fluorid-Gele helfen wie z. B. Bioniq® Repair, ApaCare® Zahnpasta oder Sensodyne F Zahncreme.
Wie viel Fluorid ist noch gesund?
Wie so oft ist aber die richtige Dosis entscheidend. Eine dauerhafte Fluorid-Überdosierung stört die Zahnschmelzbildung und führt ebenfalls zu weißen oder bräunlichen Flecken (Dentalfluorose). Häufig sind die Schneidezähne davon betroffen, wobei Säuglinge und Kleinkinder besonders gefährdet sind. Die optimale Dosis mit höchstem kariespräventiven Effekt bei geringem Fluoroserisiko beträgt laut European Food Safety Authority (EFSA) 0,05 mg/kg Körpergewicht pro Tag.
Die geringe therapeutische Breite wurde in den aktuellen Empfehlungen für Kleinkinder mit 1.000 ppm genau berücksichtigt. Dafür müssen Eltern unbedingt die Zahnpasta für ihre Kinder dosieren und unter zwei Jahren nur eine reiskorngroße Menge verwenden. Ab zwei Jahren ist dann eine erbsengroße Menge erwünscht. Eine gleichzeitige Verwendung von Fluorid-haltiger Zahnpasta und Fluorid-Tabletten im ersten Lebensjahr soll unterbleiben – und Tabletten werden ab dem ersten Geburtstag ohnehin nicht mehr empfohlen. Quellen: Gängler P et al. Konservierende Zahnheilkunde und Paradontologie. 2010, 34-36, doi: 10.1055/b-0034-18490
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