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Omeprazol & Co. – wann absetzen, wann beibehalten?

Oft wird vergessen, Protonenpumpeninhibitoren (PPI) wie Pantoprazol oder Omeprazol nach „getaner Arbeit“ wieder abzusetzen. | Bild: Schelbert /PTAheute

Arzneimittel sollten nur dann angewendet werden, wenn sie erforderlich sind. Doch manchmal verbleiben sie in der routinemäßigen Versorgung, ohne dass der Patient sie noch benötigt – Protonenpumpenhemmer (PPI) wie Omeprazol sind hier „beliebte“ vergessene Kandidaten. Sie sind in der Regel gut verträglich, weswegen sich die Patienten vielleicht nicht an ihnen stören und sich somit auch nicht großartig dafür engagieren, sie wieder „loszuwerden“.

Unnötig oder medizinisch erforderlich?

Doch trotz guter Verträglichkeit gilt: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung, und Patienten sollten Pantoprazol & Co. nicht unnötigerweise einnehmen. Nur woher weiß man denn, ob ein PPI für den Patienten noch sinnvoll ist? Schließlich will keiner – weder Patient noch Arzt – Magen-Darm-Blutungen riskieren. 

Dass dies ein tatsächliches Problem in der täglichen Praxis ist, haben Wissenschaftler nicht nur erkannt, sondern direkt einen „Fahrplan“ – zehn konkrete Empfehlungen – für den Umgang mit PPI erstellt. Sie veröffentlichten ihre „Best-Practice“-Ratschläge jüngst im Fachjournal „Gastroenterology“„AGA Clinical Practice Update on De-Prescribing of Proton Pump Inhibitors: Expert Review“ 

1. Hausarzt soll die Indikation des PPI regelmäßig überprüfen

Der erste – und wohl auch wichtigste Punkt – der Best-Practice-Autoren lautet: Regelmäßig schauen, ob überhaupt noch eine Indikation für die weitere Einnahme eines PPI besteht. Die Experten sehen für diese Aufgabe die Hausärzte in der Pflicht, da diese den besten Überblick über die Medikation der Patienten hätten, auch wenn diese – was seit einigen Jahren in Deutschland möglich ist – Omeprazol, Pantoprazol oder Esomeprazol im Rahmen der Selbstmedikation und ohne ärztliche Verordnung in der Apotheke holten.

Vor allem in Krankenhäusern stellen sich die Experten an dieser Stelle eine gute Zusammenarbeit von Ärzten mit Apothekern und der Pflege vor – ein multidisziplinärer Ansatz –, um eine nicht angebrachte PPI-Einnahme zu identifizieren.

2. Ohne Indikation: versuchsweise absetzen

Nach Schritt 1 folgt Schritt 2 – zumindest in manchen Fällen, denn: Konnten die Ärzte keine Indikation für die Einnahme eines PPI finden, sollten Patienten versuchen, diesen abzusetzen. Ob eine Indikation vorliegt und, wenn ja, wie lange ein PPI indiziert ist, haben die Wissenschaftler in einer Tabelle zusammengefasst. So ist ein Barret-Syndrom durchaus ein berechtigter Grund für eine langfristige PPI-Gabe, bei einer Helicobacter-pylori-Eradikation genügt hingegen eine kurzfristige Anwendung. Gar nichts zu suchen haben PPI hingegen bei Übelkeit (die nicht im Zusammenhang mit der gastroösophagealen Refluxkrankheit [GERD] oder Ösophagitis, einer Entzündung der Speiseröhre, steht).

Gut zu wissen: Was ist das Barrett-Syndrom?

Von einem Barret-Syndrom spricht man, wenn sich die oberste Zellschicht (Plattenepithel) der Speiseröhre (Ösophagus) in andere Zellen (Zylinderepithel) umwandelt. Dies stellt bereits eine Vorstufe für Speiseröhrenkrebs (Barrett-Karzinom) dar.

3. Statt zweimal täglicher Einnahme: Genügt einmal pro Tag?

Es gibt durchaus Patienten, die die Säureblocker dauerhaft, also chronisch, und hochdosiert anwenden müssen – allerdings sind das die wenigsten. Bei Patienten mit hochdosierter, langfristiger Einnahme lohnt es sich daher genauer zu schauen: Genügt vielleicht eine einmal tägliche Gabe?

Diesen Rat begründen die Wissenschaftler auch: PPI in doppelter Dosierung seien in keiner kontrollierten, randomisierten klinischen Studie untersucht – dennoch nähmen 15 Prozent der chronischen PPI-Patienten diese höher dosiert ein. Häufig kann die Dosis reduziert werden, ohne dass es zu vermehrten Beschwerden bei den Patienten kommt.

In einer Studie mit 117 GERD-Patienten, die ihren PPI zunächst höher dosiert als indiziert eingenommen hatten, konnten vier von fünf Patienten (80 Prozent) auf die Standarddosierung eingestellt werden, ohne dass sich ihre Symptome verschlechterten. Es gilt folglich zu prüfen: Liegt überhaupt der seltene Fall einer gerechtfertigten hohen Dosierung – wie beim Zollinger-Ellison-Syndrom – vor? Falls nicht: Erfüllt auch eine geringere PPI-Dosierung den Zweck eines guten Magenschutzes?

Gut zu wissen: Was ist das Zollinger-Ellison-Syndrom?

Beim Zollinger-Ellison-Syndrom ist die Magensäuresekretion krankhaft erhöht. Ursache ist ein Tumor, der vermehrt Gastrin ausschüttet, das wiederum die Produktion von Magensäure stimuliert. 

Betroffene Patienten leiden an typischen Säure-bedingten Beschwerden, wie Geschwüren (Ulzera) und Entzündungen der Speiseröhre (Ösophagitis). Um die überschießende Säure in den Griff zu bekommen, erhalten die Patienten hochdosierte Protonenpumpenhemmer: Sie starten zunächst beispielsweise mit Pantoprazol 80 mg, diese Dosierung kann jedoch individuell auf zeitweise 160 mg erhöht werden (nicht dauerhaft empfohlen). Ab 80 mg raten die Zulassungsinhaber zudem, die Tagesdosis auf zwei Gaben zu verteilen.

4. PPI bei komplizierter GERD nicht absetzen

Doch es gibt auch Indikationen, bei denen Ärzte ein Absetzen des PPI nicht in Betracht ziehen sollten und bei denen der Nutzen einer langfristigen Behandlung die möglichen Risiken überwiegt. Dazu zählt eine komplizierte GERD, die zum Beispiel mit einer erosiven Ösophagitis (Speiseröhrenentzündung mit Läsionen der Schleimhaut) einhergeht. Eine erosive Ösophagitis entwickeln etwa 20 Prozent der unbehandelten GERD-Patienten mit Komplikationen wie Blutungen.

PPI haben sich den Best-Practice-Autoren zufolge bei erosiver Ösophagitis bewährt, weswegen die Wissenschaftler ein Absetzen des Säureblockers bei diesen Patienten ablehnen. Den gleichen Rat haben sie für Patienten mit einem Geschwür der Speiseröhre (Ösophagusulkus).

5. PPI bei Krebsvorstufen in der Speiseröhre nicht absetzen

Es gibt weitere Indikationen, bei denen Patienten ihren PPI auf jeden Fall beibehalten sollten: 

  • Beim Barrett-Ösophagus (Vorstufe von Speiseröhrenkrebs) reduziert ein PPI das Risiko für Krebs und ist damit indiziert.
  • Ein Fortführen der PPI-Behandlung ist auch bei Patienten mit einer immunvermittelten chronisch-entzündeten Speiseröhre (eosinophile Ösophagitis) sinnvoll, da ein Absetzen ein hohes Risiko für das Wiederauftreten birgt.
  • Bei idiopathischer Lungenfibrose – einem Umbau von funktionellem Lungengewebe zu Bindegewebe mit unbekannter Ursache – sollen PPI das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, weswegen PPI auch in diesem Anwendungsgebiet langfristig von Nutzen sind. 

6. Blutungsrisiko abschätzen

Als sechsten Punkt empfehlen die Best-Practice-Autoren, dass – wenn ein Absetzversuch im Raum steht – die Ärzte das Blutungsrisiko im oberen Gastrointestinaltrakt abschätzen sollen. Denn fraglos tun PPI diesbezüglich wertvolle Dienste. Somit sehen die Autoren es als Aufgabe der Ärzte, dass diese Risikofaktoren für schwere Blutungen, wie bestimmte Arzneimittel, ausschließen, bevor sie den PPI absetzen.

7. Hohes Blutungsrisiko: nicht absetzen!

Die Krux ist nun: Ab wann ist das Blutungsrisiko im Magen-Darm-Trakt unvertretbar hoch? Diese Frage beantworten auch die Best-Practice-Autoren nicht abschließend, denn insgesamt zeichnet die Fachwelt hier kein einheitliches Bild. Je nach Leitlinie finden sich unterschiedliche Empfehlungen. 

Konsens besteht jedoch darin, dass bei früheren Blutungen im Gastrointestinaltrakt, bei Behandlung mit Gerinnungshemmern (z. B. Phenprocoumon in Marcumar®, Rivaroxaban in Xarelto®), Thrombozytenaggregationshemmern (z. B. ASS, Clopidogrel in Plavix®) oder NSAR (z. B. ASS, Diclofenac, Ibuprofen) Vorsicht geboten ist, wenn zusätzliche individuelle Risikofaktoren des Patienten vorliegen, wie ein erhöhtes Alter.

8. Rebound-Effekt möglich 

Setzt ein Patient seinen PPI ab, kann es zunächst zu einer verstärkten Säureproduktion (Rebound) im Magen kommen. Schnell könnte so die Sorge entstehen, dass ein PPI zwingend erforderlich ist, da sich ohne Therapie die Symptome wieder verschlechtern. Hier entwarnen die Best-Practice-Autoren und weisen darauf hin, dass diese Reaktion physiologisch und zeitlich begrenzt sein kann. Um diese Zeit der möglichen Hypersekretion zu überbrücken, raten sie, die Symptome mit einem H2-Blocker (z. B. Ranitidin) oder Antazida (z. B. Hydrotalcid in Talcid®, Magaldrat in Riopan® oder Alginat in Gaviscon®) zu behandeln. 

Doch wann sollte sich der Körper wieder auf ein Leben ohne PPI eingespielt haben? Die Wissenschaftler gehen von zwei Monaten aus. Bestünden die Symptome darüber hinaus, könne dies ein Hinweis sein, dass eine anhaltende PPI-Therapie indiziert ist.

9. Wie setzt man richtig ab?

Wie klappt das Absetzen eines PPI denn am besten? Abrupt einfach weglassen oder besser ausschleichend über mehrere Tage die Dosis reduzieren? Beide Varianten sind möglich und vergleichbar gut und effektiv. Ihre beiden Empfehlungen begründen die Wissenschaftler mit einer Untersuchung, in der die Wahrscheinlichkeit der Patienten, sechs Monate nach Absetzen eines PPI auf diesen verzichten zu können, ohne Symptome zu entwickeln, ähnlich und ohne statistischen Unterschied war (31 Prozent bei ausschleichendem Absetzen über drei Wochen vs. 22 Prozent wenn  abrupt abgesetzt).

10. Nicht nur aus Angst vor Nebenwirkungen absetzen

Als zehnte und letzte Empfehlung haben die Wissenschaftler einen guten Hinweis parat: Nur eine fehlende Indikation sollte wirklich zum Absetzen eines PPI führen. Sie warnen davor, dass PPI vielleicht auch aus Sorge vor möglichen Nebenwirkungen aus der Medikationsliste gestrichen werden könnten, vor allem seit in den letzten Jahren vermehrt Hinweise auf potenzielle unerwünschte Wirkungen der PPI auftauchen. Nicht immer sei jedoch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und beobachtetem unerwünschtem Effekt nachgewiesen.