Neandertaler-Genvariante begünstigt schwere Corona-Erkrankung
Eine COVID-19-Erkrankung trifft Menschen in ganz unterschiedlichem Ausmaß. Einige Gründe für einen schweren Krankheitsverlauf sind bekannt, etwa hohes Lebensalter oder manche Vorerkrankungen. Doch noch weitere, bisher unbekannte Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. Einer davon ist ein Neandertaler-Überbleibsel.
Genvariante erhöht Risiko für schweren Krankheitsverlauf
In einer großen internationalen Studie zeigte sich, dass eine bestimmte DNA-Sequenz in einer Gruppe von Genen auf Chromosom 3 derzeit von Nachteil ist. Denn Menschen mit dieser Genvariante haben ein höheres Risiko, im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion schwer zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen künstlich beatmet werden müssen, ist ungefähr dreifach erhöht. Forscher der Max-Planck-Gesellschaft haben diese Risiko-Genvariante analysiert: Sie stammt vom Neandertaler.
Einer von sechs Menschen hat die Neandertaler-Gene
Die Forscher stellten außerdem fest, dass die Neandertaler-Genvariante geographisch ganz unterschiedlich verteilt ist. So findet sie sich besonders häufig bei Menschen in Südasien. Dort trägt etwa die Hälfte der Bevölkerung die Variante im Genom. Dagegen kommt sie in Europa nur bei jedem Sechsten vor, und in Afrika ist sie so gut wie gar nicht vertreten. Warum jedoch Menschen mit der Neandertaler-Genvariante ein höheres COVID-19-Risiko haben, gilt es noch herauszufinden.
Wie viel Neandertaler steckt in uns?
Die Neandertaler besiedelten einst Europa, den Nahen Osten, Zentralasien und das westliche Sibirien. Die ältesten bekannten Neandertaler lebten vor rund 400.000 Jahren. Vor rund 40.000 Jahren starben diese Urmenschen aus. Benannt sind sie nach einem Fundort – dem Neandertal in der Nähe von Düsseldorf. Dort entdeckten Arbeiter eines Kalksteinbruchs im Jahr 1856 Schädelteile und Knochen.
Der Körperbau der Neandertaler war ähnlich dem des modernen Menschen (Homo sapiens), doch der Kopf zeigte charakteristische Unterschiede: ein kinnloses Gesicht, stark ausgeprägte Augenbrauenwülste und eine fliehende Stirn. Vor circa 45.000 Jahren wanderte der moderne Mensch, der sich ja in Afrika entwickelte, in Mitteleuropa ein. Es kam dabei auch zu Vermischungen mit den Neandertalern. Warum die Neandertaler dann bald ausstarben, ist nicht ganz klar. Möglicherweise wurden sie einfach vom Homo sapiens verdrängt. Klimaveränderungen könnten das Verschwinden des Neandertalers beschleunigt haben.
Die Neandertaler haben große Teile ihres Erbguts an den modernen Menschen weitergegeben. Als Folge davon verdanken noch heute Menschen mit nichtafrikanischen Wurzeln ein bis drei Prozent ihres Genoms dem Neandertaler. Von diesen Genen scheint der moderne Mensch profitiert zu haben. Neandertaler-DNA trägt beispielsweise zum Fettabbau bei und stärkt unser Immunsystem. Zudem wirkt sich Neandertaler-Erbgut auf Eigenschaften wie Hautton und Haarfarbe aus, aber auch auf Stimmung und Schlaf. So besitzen zum Beispiel „Nachtmenschen“ oft bestimmte Neandertaler-DNA. Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie