Ziemlich anrüchig – Pilz des Jahres 2020
Unsittliches Erscheinen
„Unzüchtiger Penis“ – so lässt sich „Phallus impudicus“ übersetzen. Das phallusartige Aussehen der Gewöhnlichen Stinkmorchel rief im 19. Jahrhundert sogar Sittenwächter auf den Plan. Für junge Mädchen galt der Anblick des Pilzes als zu obszön. An manchen Orten wurden Stichmorcheln daher aus Wäldern und Parkanlagen entfernt und verbrannt.
Widerlicher Aasgeruch
Reife Stinkmorcheln kann man im Wald mit der Nase finden. Weithin verströmen sie einen intensiven verwesungsartigen Geruch. Er geht von der oliv-bräunlichen Sporenmasse an der Pilzspitze aus. Attraktiv wirkt dieser Gestank auf Insekten, vor allem Fliegen und einige Käfer. Sie laben sich an der zuckerhaltigen, schleimigen Masse und verbreiten anschließend die Pilzsporen in die Umgebung.
Hexenei – essbares Jugendstadium
Das Jugendstadium der Stinkmorchel – das sogenannte Hexenei – ist essbar. Wenn man die junge, 3 bis 6 Zentimeter breite Knolle von ihrer Gallertschicht befreit, kann man sie in Scheiben schneiden und wie Bratkartoffeln zubereiten. Das Hexenei riecht und schmeckt ein wenig wie Rettich. Der aufdringliche Aasgeruch stellt sich erst beim ausgewachsenen Pilz ein. Binnen weniger Stunden wächst im Wald der 10 bis 20 Zentimeter hohe Fruchtkörper aus dem Hexenei heraus. Das Wachstum beträgt bis zu 2 Millimeter pro Minute.
Gichtmittel und Aphrodisiakum
In früheren Zeiten wurde die Stinkmorchel als Heilpilz genutzt. Ein häufiges Einsatzgebiet war Gicht. Wegen seiner Gestalt wurde der Pilz außerdem – gemäß der Signaturenlehre – auch als Aphrodisiakum genommen.
Seit 1994 wählt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie alljährlich den „Pilz des Jahres“. Die Fachgesellschaft will damit auf die Biodiversität und die Bedeutung der Pilze im Ökosystem aufmerksam machen. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V. (DGfM); R. Lüders: Grundkurs Pilzbestimmung, Quelle & Meyer 2007; Forum Mikrobiologie 1/78