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Widerspruch oder Zustimmung bei der Organspende?

Das Thema Organspende ist sehr heikel und dennoch von großer Bedeutung: Fast 10.000 Menschen stehen derzeit auf der Warteliste für ein Spenderorgan. | Bild: blende11.photo / Adobe Stock

Um Tod oder Leben

Fast 10.000 schwerkranke Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten von ihnen (mehr als 7.000) benötigen eine Niere, mehr als 800 warten auf eine Leber, circa 700 auf ein Herz und ungefähr 300 auf eine Lunge. Doch alle acht Stunden stirbt ein Patient auf der Warteliste, weil kein passendes Spenderorgan gefunden wird.

Organspendebereitschaft: Deutschland weit hinten

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Rate an Organspendern in Deutschland gering: Auf eine Million Einwohner kommen nur 11,3 Organspender. In Spanien etwa sind es mit 48,0 mehr als viermal so viele. Nach dem Willen der Politik soll sich die Situation in Deutschland verbessern. Daher trat bereits im April dieses Jahres das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO) in Kraft. Damit sollen Krankenhäuser mehr Zeit und Geld für Organtransplantationen bekommen.

Bundesgesundheitsminister favorisiert Widerspruchslösung

Es stehen aber noch weitere Gesetzesänderungen in puncto Organspende an – mit dem Ziel, die Zahl der Organspender zu erhöhen. Dazu werden derzeit im Bundestag zwei konkurrierende Gesetzesentwürfe diskutiert. Der eine, den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vertritt, sieht die sogenannte doppelte Widerspruchslösung vor. Demnach ist jeder Bundesbürger automatisch ein potenzieller Organspender, wenn er nicht zu Lebzeiten einen Widerspruch erklärt hat. Wenn die Angehörigen ebenfalls keinen Widerspruch einlegen, können Organe entnommen werden. Eine mögliche Widerspruchserklärung soll in einem Organ- und Gewebespendenregister gespeichert werden. Für die Widerspruchslösung sprechen sich zahlreiche medizinische Fachgesellschaften aus.

Was bei Aufenthalt im Ausland gilt

Eine Widerspruchsregelung – teilweise mit, teilweise ohne Widerspruchsmöglichkeit der Angehörigen – gilt bereits in vielen europäischen Ländern. Dazu gehören so beliebte Urlaubsländer wie Frankreich, Italien, Österreich und Spanien. Wichtig zu wissen: Die jeweilige Landesregel gilt in der Regel nicht nur für Staatsangehörige, sondern für alle, die sich im Land aufhalten.

Soll aktive Zustimmung gelten?

Der zweite Gesetzesentwurf zur zukünftigen Regelung der Organspende in Deutschland wird von einer Gruppe um die Grünenvorsitzende Annalena Baerbock unterstützt. Demgemäß ist für eine Organspende die Zustimmung des Einzelnen erforderlich. Diese soll online registriert und vom Betreffenden jederzeit geändert werden können. Die Menschen sollen regelmäßig informiert und befragt werden. Im Dezember wird der Bundestag über die beiden vorliegenden Gesetzesentwürfe endgültig abstimmen.

Derzeit viel Verantwortung bei den Angehörigen

Bei der aktuellen Regelung zur Organspende gilt die Entscheidungslösung. Hierbei dürfen Organe und Gewebe nur dann entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, müssen die Angehörigen entscheiden. Die Entscheidungsfindung der Menschen soll unterstützt werden. Deshalb erhalten alle, die mindestens 16 Jahre alt und bei einer deutschen Krankenversicherung versichert sind, alle zwei Jahre Informationsmaterialien und den Organspendeausweis für entsprechende Eintragungen.

Entscheidung schriftlich festhalten

Laut einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vom vorigen Jahr befürworten mehr als 80 Prozent der Bevölkerung eine Organspende. Doch nur 39 Prozent der Befragten haben ihre Entscheidung auch schriftlich festgehalten. Die BZgA-Umfrage zeigt aber auch, dass es in der Bevölkerung immer noch Wissenslücken gibt. So weiß zum Beispiel ungefähr ein Viertel nicht, dass nur im Falle eines Hirntods eine Organspende möglich ist.

Hirntod – unabdingbare Voraussetzung für Organentnahme

Der Hirntod – das heißt der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen – ist die Voraussetzung zur Organspende. Es handelt sich beim Hirntod um ein eher seltenes Ereignis, das infolge einer schweren Hirnschädigung eintritt. Ursache kann zum Beispiel eine Hirnblutung, ein Schlaganfall oder ein Unfall sein. Im Falle eines Hirntods kann intensivmedizinisch das Herz-Kreislauf-System aufrechterhalten werden. Die Organe bleiben auf diese Weise funktionsfähig. Ein irreversibler Hirntod muss zweifelsfrei gemäß der Richtlinie der Bundesärztekammer festgestellt werden. Dazu ist die Diagnose von mindestens zwei qualifizierten Fachärzten unabhängig voneinander erforderlich. 

Misstrauen und Unbehagen

Vielen Menschen fällt es dennoch schwer, sich persönlich für eine Organspende festzulegen. Da ist zwar einerseits das Mitgefühl für Schwerkranke, die auf ein neues Organ hoffen. Auf der anderen Seite steht die Abwehr, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Mancher wird auch das Misstrauen nicht los – etwa, dass man als potenzieller Spender voreilig für tot erklärt werden könnte. Auch sind da die Stimmen von Organspendegegnern, die daran zweifeln, dass der vollständige Ausfall der Hirnfunktionen eindeutig feststellbar ist. 

Die Scheu überwinden – sich informieren

Ganz gleich, auf welche zukünftige Organspenderegel sich der Bundestag festlegen wird, es ist für jeden ratsam, sich selbst etwas näher mit dem Thema Organspende zu befassen. Eine individuelle Festlegung Pro oder Contra erspart im Falle eines Falles auch den Angehörigen quälende Zweifel. Verständliche Informationen findet man zum Beispiel auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums oder unter www.organspende-info.de.Quellen: www.bundesgesundheitsministerium.de; Deutsche Transplantationsgesellschaft e.V.; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA); www.organspende-info.de