Teil 3 von 3: Menstruationstasse statt Tampon – sinnvoll und sicher?
Menstruationstassen erleben einen regelrechten Hype – nimmt man steigende Suchanfragen bei Google und üppig gefüllte Drogeriemarktregale als Indikator. Als Vorteile werden, aufgrund ihrer Wiederverwendbarkeit, vor allem ökologische Nachhaltigkeit und finanzielle Ersparnisse genannt.
Doch wie steht es um die hygienische Sicherheit der Menstruationstasse? Ist diese vergleichbar mit Einwegartikeln wie Tampons, vielleicht sogar besser? Oder läuft man gar Gefahr sich Infektionen des Fortpflanzungstraktes zuzuziehen durch das Wiederverwenden der Tasse?
Die Theorien gehen in beide Richtungen: Denn einerseits könnten sich Bakterien vor allem in vollgesogenen Tampons wohlfühlen und vermehren und zu Infektionen führen oder eben auch das luftigere Milieu der Cups als optimalen Lebensraum ausmachen.
Während Ersteres schon seit Jahren postuliert und auch in Studien gefunden wurde, ist Letzteres erst seit 2018 aktuell, als französische Forscher herausfanden, dass sich Staphylokokken, die Hauptauslöser des toxischen Schocksyndroms (TSS), in Cups besser vermehren als in Tampons.
Sind Menstruationscups hygienisch sicher?
Das Problem ist, dass es gute, großangelegte Studien, die das klinische Risiko für Infektionen – inklusive TSS – an Tampons und Menstruationstassen direkt vergleichen, nicht gibt. Der jüngst im bekannten Wissenschaftsmagazin Lancet veröffentlichte Beitrag, in dem sich Wissenschaftler intensiv mit den verfügbaren Daten zu Menstruationscups beschäftigten, widmete sich jedoch auch den Infektionsrisiken bei der alternativen Monatshygiene mit Cups.
Die Forscher geben Entwarnung – auch wenn unterschiedliche Daten hierzu offenbar vorliegen. Nach Auswertung mehrerer Untersuchungen lautet ihr Fazit aber: „Wir fanden kein erhöhtes Infektionsrisiko bei Anwenderinnen der Menstruationstassen im Vergleich zu anderen Hygieneprodukten.“
Kein erhöhtes Infektionsrisiko bei Cups
Unter anderem werteten sie eine relativ große Studie an 766 Schulmädchen aus Kenia (Alter 14 bis 16 Jahren) aus. Die Studie verglich Binden, Cups und herkömmliche Monatshygiene-Methoden (beispielsweise Stofftücher, Watte) und zeigte, dass die Menstruationstasse keine ernsten gesundheitlichen Nachteile durch Infektionen mit sich bringt.
Voraussetzung ist jedoch, dass bestimmte hygienische Standards eingehalten werden – wie Händewaschen und das sorgfältige Reinigen der Tasse. Dass eine gute Hygiene wichtig ist, betont auch der Bundesverband der Frauenärzte (BvF), und zwar sowohl bei Tampons als auch Menstruationstassen.
Nach den Ergebnissen der kenianischen Studie litten die afrikanischen Mädchen – und zwar egal, welche Monatshygieneartikel sie benutzten – nicht häufiger an Scheidenpilz (Candidose):
11 von 143 Mädchen (8 Prozent) hatten bei Cups einen Scheidenpilz, 19 von 200 (10 Prozent) bei Binden, und mit herkömmlichen Methoden (Stofftücher einlegen beispielsweise) litten 13 von 156 (9 Prozent) an einer Pilzinfektion.
Für bakterielle Vaginosen zeigte die Studie sogar ein niedrigeres Infektionsrisiko unter Menstruationstassen als bei Binden (Auswertungszeitraum neun Monate): 13 von 101 (13 Prozent) litten an einer bakteriellen Vaginose unter Menstruationstassen, 29 von 143 (20 Prozent) bei Verwendung von Binden und 20 von 104 (19 Prozent) bei der herkömmlichen Methode.
Diese Daten sind allerdings nicht eins zu eins auf westeuropäische Regionen übertragbar: Die Studienteilnehmerinnen waren recht jung und leben zudem in einer Region, in der sauberes Wasser und Seife nicht selbstverständlich sind.
Doch auch eine frühere Studie Internal Menstrual Protection with the rubber menstrual cup aus dem Jahr 1962, untersuchte bereits Infektionen unter Anwendung der Menstruationstasse und fand weniger bakterielle Infektionen bei den Cup-Anwenderinnen als bei Binden oder Tampons (nicht genauer spezifiziert).
Cups sollen Vaginalschleimhaut weniger beeinflussen
Als Grund wird angenommen, dass Menstruationstassen das Scheidenmilieu, das dortige Mikrobiom und den gesunden pH-Wert nicht beeinflussen. Tampons müssen sich hingegen den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht nur Menstruationsblut, sondern auch die gesunde Mikroflora aufsaugen und die Scheide austrocknen. Zudem saugen die Cups das Blut nicht auf, sondern es kann aus der Scheide abfließen und steht somit nicht mehr im direkten Kontakt mit der Vaginalschleimhaut.
Toxisches Schocksyndrom – ist die Menstruationstasse sicherer?
Klar ist: Infektionen können bei beiden Monatshygienemethoden auftreten, auch Fälle von TSS (Toxisches Schocksyndrom) wurden sowohl mit der Anwendung von Tampons als auch Menstruationscups assoziiert und als Fallberichte dokumentiert. Und auch Staphylokokken, die wesentlichen Erreger des TSS, wurden sowohl bereits in Tampons als auch Cups gefunden.
Das TSS ist wohl die gefürchtetste „Nebenwirkung“ von – ursprünglich – Tampons. In den 70er und 80er Jahren wurde TSS umgangssprachlich auch als „Tamponkrankheit“ bezeichnet, zu dieser Zeit gab es spezielle, hochsaugfähige Tampons und Fälle von menstruationsassoziiertem TSS traten zeitgleich auf. Man nimmt an, dass sich die Bakterien in den hochvollgesogenen Tampons so stark vermehren konnten, dass sich die Infektion klinisch in einem Toxischen Schocksyndrom äußerte.
Doch was ist das eigentlich, ein TSS?
Das TSS – was ist das?
Unter dem Toxischen Schocksyndrom versteht man ein schweres Kreislauf- und Multiorganversagen aufgrund einer Infektion. Ausgelöst wird es durch Giftstoffe (Toxine) von bestimmten Bakterien: meist von Staphylokokken, seltener von Streptokokken.
Die drei Leitsymptome des TSS sind Fieber, Blutdruckabfall (Hypotonie) und Hautausschlag (Exanthem). Daneben können Bewusstseinstrübung, Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Durchfall), Muskelschmerzen (Mylalgien), Nieren- und Leberschäden bis hin zum Multiorganversagen auftreten.
Die US-amerikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC, Centers für Disease Control and Prevention) definieren ein TSS nach folgenden Kriterien:
- Körpertemperatur mindestens 38,9 °C, niedriger Blutdruck (mit Ohnmacht und Schwindel), Hautausschläge ein bis zwei Wochen nach Krankheitsausbruch (vor allem an Handflächen, Fußsohlen)
- Mindestens drei Organsysteme geschädigt: Magen-Darm-Trakt, Leber, Niere, Muskulatur, Blut (Hämatome, „blaue Flecken“), Zentralnervensystem (beispielsweise Verwirrtheit), Schleimhäute mit Rötung von Augen/Mund/Vagina (Scheide)
Eintrittspforte für Bakterien, die zum Toxischen Schocksyndrom führen können, kann prinzipiell jede Wunde sein. Deswegen kann ein TSS somit auch als Komplikation bei Frauen nach Verwendung von Tampons, Menstruationstassen, Diaphragma oder im Wochenbett auftreten.
Laut dem Berufsverband der Frauenärzte (BvF) tritt ein TSS dann auf, wenn „die Keime in hoher Zahl in den Organismus eintreten und dabei auf ein Immunsystem treffen, das noch keinen Kontakt zum Erreger hatte und noch keine Antikörper gebildet hat, und daher nicht in der Lage ist, die Keime (…) schnell zu neutralisieren“. Im späteren Erwachsenenalter besitzen mehr als 90 Prozent der Menschen Antikörper.
Wie häufig ist ein TSS?
Das TSS ist „extrem selten“, erklärt der Berufsverband der Frauenärzte. Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt für das Jahr 2015 drei bis sechs TSS-Fälle pro 100.000 sexuell aktiver Frauen und pro Jahr, davon 92 Prozent im Zusammenhang mit der Menstruation. Die USA rechnen mit einem TSS-Fall pro 200.000 Einwohner (männlich und weiblich) pro Jahr.
Andere Quellen nennen hier andere Zahlen für die Vereinigten Staaten: 0,8 bis 3,4 Fälle pro 100.000 Einwohner für alle Formen des TSS. Mit hochabsorbierenden Tampons in den 80er Jahren wurden sechs bis zwölf Fälle pro 100.000 Einwohner in den USA dokumentiert.
Anhand von Klinikdiagnosen fand der BvF, dass im Alter zwischen 10 und 50 Jahren ein TSS bei Mädchen und Frauen häufiger ist als bei Jungen und Männern. „Berücksichtigt man den weltweit verbreiteten Gebrauch von Tampons seit Jahrzehnten, so ist das gemeinsame Auftreten von TSS im Zusammenhang mit der Menstruation und der Verwendung von Tampons extrem selten“, so der BvF.
Laut den Frauenärzten gibt es immer wieder „Einzelfälle“, bei denen ein TSS mit Tampons in Verbindung gebracht wird, bei aktuelleren menstruationsassoziierten TSS-Fällen gelang es, den Keim aus dem Tampon bei Krankenhauseinlieferung der Patientin zu bestimmen.
Sorgfältige Hygiene ist wichtig!
Jedoch wird das TSS insbesondere immer wieder mit der Anwendung von Tampons in Verbindung gebracht – noch heute warnen die „Beipackzettel“ von Tampons vor einem TSS. Man nimmt an, dass teilweise infizierte Tampons zu TTS-Fällen führten. Diese sind jedoch laut Literatur durch verbesserte Produktionsbedingungen bei der Herstellung von Tampons zurückgegangen.
Das Problem, das man bei Tampons sieht, ist, dass mit Blut vollgesogene Tampons sich als Nährboden für die Bakterien eignen. Um das Risiko für ein TSS gering zu halten, raten Experten, Tampons spätestens nach zehn bis zwölf Stunden zu wechseln und vor dem Einführen die Hände gründlich zu waschen. Beides – regelmäßiges Wechseln/Ausleeren der Monatshygieneprodukte und eine sorgfältige Hygiene – gelten natürlich auch für Menstruationscups.
Tragedauer entscheidend!
Doris Scharrel vom Berufsverband der Frauenärzte betonte dies jüngst in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ): „Nach zehn bis zwölf Stunden steigt sowohl bei Tampons als auch Menstruationscups das Risiko für ein TSS“, eine sorgfältige Hygiene sei wichtig und Menstruationscups seien hier, was die Hygiene angeht, aufwendiger, erklärte die Gynäkologin. Entscheidend ist ihrer Ansicht nach vor allem die Tragedauer von Tampons oder Menstruationstassen.
Der Berufsverband der Frauenärzte hat „Regeln“ für eine sorgfältige Menstruationshygiene zusammengestellt, sie empfehlen – neben häufigem Wechseln und Händewaschen – Tampons grundsätzlich nur aus unbeschädigten Verpackungen zu verwenden und die Tampongröße der Blutung anzupassen.
Bei Cups lautet ihr Rat zusätzlich zu den üblichen Hygienemaßnahmen und –prozeduren, dass bei unangenehmem Geruch der Menstruationstasse diese entsorgt werden muss, da dies zeige, dass bakterielle Reste nicht vollständig entfernt werden konnten.
Wie sieht es mit Studien zum TSS aus?
Gute Studien zur Sicherheit – von Tampons und Menstruationstassen – in Bezug auf das Toxische Schocksyndrom (TSS) sind Mangelware. Wie bereits eingangs erwähnt, gibt es Untersuchungen, die beide Hypothesen zu stützen scheinen: Dass sich Staphylokokken besser in Tampons oder eben in Cups vermehren.
Die französische Untersuchung von 2018 erklärte: „Wir beobachteten ein höheres Wachstum und eine höhere Toxinproduktion von Staphylococcus aureus in Menstruationsbechern als in Tampons, möglicherweise aufgrund der zusätzlichen Luft, die von Bechern in den Beutel eingebracht wurde, wobei die Unterschiede je nach Becherzusammensetzung und Größe unterschiedlich sind.“
TSS unter Tampons und Cups
Die Wissenschaftler im Lancet durchforsteten ebenfalls die Literatur. Sie fanden fünf Fälle von TSS unter Verwendung von Menstruationscups. Sie kommen zu dem Schluss: „Die bislang verfügbaren klinischen Daten am Menschen, geben keinen Grund zur Sorge.“
Das Risiko für ein TSS unter Cups scheint gering: fünf identifizierte Fälle in der Literaturrecherche. Zwei der Frauen hatten zusätzlich weitere Risikofaktoren, wie ein IUP oder eine Immunschwäche. Die Autoren kommen am Ende ihrer wissenschaftlichen Auswertung zu dem Schluss, „dass die Kombination von IUP und Menstruationscup noch weiterer Untersuchungen bedürfen könnte“ und Frauen, die bislang mit Spiralen verhüten, sich vielleicht eine andere Verhütungsart oder Alternativen zur Menstruationstasse in Betracht ziehen könnten.
Obwohl den Wissenschaftlern keine genauen Zahlen dazu vorliegen, wie viele Frauen Menstruationscups weltweit nutzen, schätzen sie, dass es Tausende sind, was – so tragisch jeder einzelne Fall ist – das Risiko etwas relativiert.
Ob ein TSS bei Menstruationstassen seltener auftritt als bei Tampons, ist abschließend nicht geklärt. Es gibt Fälle von TSS unter Tampons, aber auch unter Verwendung von Cups.