Großbritannien verlässt die EU: Was bedeutet der „Brexit“ für PTA und das Apothekenwesen?
Am 23. Juni 2016 haben die Briten abgestimmt, dass Großbritannen aus der EU austreten soll und sprachen sich so für den sogenannten „Brexit“ (Kofferwort aus dem Englischen: British exit) aus. Damals wurden keine konkreten Vereinbarungen zum Austrittstermin getroffen, dieser wäre jedoch gemäß EU-Vertragswerk auf den 29. März 2019 (zwei Jahre nach der Einleitung des Austrittsprozesses) gefallen. Am 21. März einigten sich der Europäische Rat und die britische Regierung jedoch auf eine Verschiebung des Termins auf frühestens den 12. April 2019. Grund ist, dass es noch keine Regelungen für „nach dem Brexit“ gibt. Sollte bis zum 12. April 2019 weder der Austrittsvertrag noch eine Alternative beschlossen sein, droht ein Ausscheiden ohne Abkommen („No-Deal-Brexit“) mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. Das britische Parlament hat sich bislang sowohl gegen das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen ausgesprochen als auch gegen einen solchen „No-Deal-Brexit“. Alle Alternativen wurden ebenfalls abgelehnt.
Spahn warnt vor Brexit-Folgen für medizinische Versorgung
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befürchtet für den Fall eines ungeordneten Brexits Versorgungsprobleme bei wichtigen Medizinprodukten. Darunter seien orthopädische Implantate und Produkte, mit denen Blutspenden auf Krankheiten wie HIV getestet werden können. Er befürchtet, dass auch in Deutschland spätestens ab Mitte April 2019 die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Blutprodukten gefährdet sein könne. In einem Schreiben an die EU-Kommission warnte der Bundesgesundheitsminister: „Bei einem ungeregelten Brexit ist ohne die Verständigung auf praktikable Verfahrensweisen davon auszugehen, dass Zehntausende Medizinprodukte ihre formelle Verkehrsfähigkeit in der EU-27 verlieren und damit auf dem europäischen Markt nicht mehr zur Verfügung stehen.“ Hintergrund ist, dass viele Hersteller Produkte in Großbritannien zugelassen haben. Bei einem EU-Austritt des Landes ohne Abkommen würden von britischen Prüfinstituten ausgestellte Zertifikate in der EU vorerst ungültig. Spahn dringt auf eine gemeinsame Lösung der anderen 27 EU-Staaten und der EU-Kommission. Dazu gehören solle ein einfacheres Verfahren für schnelle Transfers von Zertifikaten britischer Stellen an Stellen in der EU-27. Bisher nur in Großbritannien registrierte Produkte sollten schnellstmöglich in einem anderen EU-Staat registriert werden. Spahn regt zudem eine Übergangszeit von zwölf Monaten an, in der Hersteller ihre Produkte unter Auflagen weiter vertreiben dürften.
Arbeiten im Ausland
In Großbritannien und Nordirland (= United Kingdom) gibt es zurzeit rund 21.700 registrierte PTA (Pharmacy Technicans). Der PTA-Beruf ist dort erst seit 2011 anerkannt und seitdem kann man sich als PTA registrieren lassen. Infos gibt es unter www.aptuk.org. In Irland gibt es diese Registrierung noch nicht; die irischen Kolleginnen setzen sich aber dafür ein. Sonst ist die Situation aber sehr ähnlich. Den höchsten Stellenwert in Großbritannien haben die Krankenhaus-PTA, die sich durch Weiterbildungen in verschiedenen Levels hocharbeiten können und einen angesehenen Platz in der Krankenhausapotheke haben. Sie werden gut bezahlt und haben umfassende Kompetenzen. Die in beiden Nationen weit verbreiteten Apothekenketten bilden ihre PTA selber aus. Das Berufsbild ist allerdings anders als hierzulande: Die PTA sitzen oft an der Kasse und dürfen in der Regel nur OTC verkaufen, die es in der Freiwahl gibt. Rezepturen werden nicht hergestellt. Nach einer Weiterbildung dürfen PTA Apothekerinnen und Apothekern helfen, die verschreibungspflichtigen Arzneimittel auszueinzeln und abzupacken. In den privaten Apotheken findet meist nur eine sehr minimale Ausbildung statt. Das Gehalt in englischen Apotheken ist meist niedrig und muss selber verhandelt werden. Am schlechtesten werden übrigens die PTA in den privaten Apotheken bezahlt. Deutsche PTA können bisher in England und Irland ohne größere Probleme arbeiten, allerdings ist die Arbeit meist eintönig und entspricht, mit Ausnahme der Krankenhäuser, nicht unserer deutschen PTA-Ausbildung. Größere Auswirkungen als auf die PTA aus Deutschland wird der Brexit wohl für die Apotheken in Großbritannien haben. Den rund 12.000 britischen Apotheken wird sich nach dem EU-Austritt die Frage stellen, ob Approbationen aus der EU noch so einfach in Großbritannien anerkannt werden können. Seit 2005 gilt die gegenseitige Berufsanerkennung innerhalb der EU. Deutsche Apotheker können hierzulande eine Bescheinigung beantragen, mit der sie sich in allen derzeit noch 28 Mitgliedsstaaten bewerben können.
Großbritannien bald Einfallstor für Fälschungen?
Aber auch in der alltäglichen Versorgung könnten Probleme auftreten. Insbesondere in den vergangenen Jahren wurden viele wichtige EU-Richtlinien im Arzneimittelbereich auf den Weg gebracht, die auch in Großbritannien inzwischen gelten. Ein Beispiel dafür ist die Richtlinie zur Arzneimittelsicherheit. Wie alle anderen Staaten hat sich auch das Vereinigte Königreich dazu verpflichtet, bis 2019 ein neues Sicherheitssystem an Arzneimittelpackungen einzuführen. Im Vereinigten Königreich heißt das Sicherheitssystem, das in Deutschland „securPharm“ heißt, „SecurMed“. Die dahinter stehende Organisation teilte im Februar 2019 gegenüber dem „Pharmaceutical Journal“ mit, dass noch nicht einmal die Hälfte aller Apotheken zum 9. Februar an das Verifikationssystem angebunden gewesen sei. Die Arzneimittelbehörde MHRA erklärt sich die Startprobleme im Apothekerlager mit dem Brexit. Der EU-Ausstieg bringe Unsicherheiten mit sich. Man arbeite jetzt eng mit allen Beteiligten zusammen, um die Probleme zu lösen. Auch die Apothekerkammer Royal Pharmaceutical Society erklärt in dem Bericht, dass die Apotheker aufgrund des Brexits derzeit „abwarten und erst einmal beobachten, was passiert“. Durch die lückenhafte Anbindung an das könnte der britische Markt Einfallstor für Fälschungen werden. Grundsätzlich besteht die Frage, wie das Land mit Importen und Exporten von Arzneimitteln umgehen wird. Insbesondere in England ist der Parallelimport von Arzneimitteln aus der EU ein beliebtes Sparinstrument. Eine EU-Richtlinie schützt den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten. Insbesondere wenn der Euro sich gegenüber dem Pfund vergünstigte, importierten Apotheker viele Medikamente aus EU-Staaten.
Importe und Auswirkungen für Pharmaunternehmen
Hinzu kommt, dass das Apothekenhonorar im Vereinigten Königreich oft schwankt, weil es ständig neu ausgehandelt wird. Die Regierung hatte aus Spargründen zudem starke Einschnitte an der Apothekervergütung angekündigt. In Zeiten eines sinkenden Apothekenhonorars verdienen sich viele britische Apotheker ein Zubrot mit Im- und Exporten. Sollte der freie Warenverkehr zwischen Großbritannien und der EU nicht mehr gelten, könnte die britische Regierung den Im- und Exporten einen Riegel vorschieben, wenn beispielsweise Lieferengpässe drohen. Natürlich sind auch viele Unternehmen sowohl im deutschen als auch im britischen Apotheken- und Großhandelsmarkt tätig. Der Stuttgarter Pharmahändler Celesio beispielsweise beschäftigt mehr als 21.000 Menschen im Vereinigten Königreich. Celesio besitzt mit Lloydspharmacy die zweitgrößte Apothekenkette des Landes. Die Celesio-Kette hält etwa 1.600 Apotheken in Großbritannien. Der Celesio-Großhändler AAA Pharmaceuticals beliefert etwa 6.000 Apotheken.
Quellen: dpa, DAZ.online, securPharm