Leseprobe PTAheute 24/2018: Einzeleinfuhr von Arzneimitteln
Ein Blick ins Arzneimittelgesetz ...
§ 21 AMG bestimmt, dass in Deutschland nur durch die zuständige Bundesoberbehörde (= BfArM, PEI, BVL) oder die EU-Kommission zugelassene Fertigarzneimittel in den Verkehr gebracht werden dürfen. Inverkehrbringen umfasst gemäß der Definition insbesondere das Vorrätighalten zum Verkauf und die Abgabe an andere (§ 4 Absatz 17 AMG). Wer hiergegen verstößt und nicht zugelassene Fertigarzneimittel vorrätig hält oder abgibt, begeht eine Straftat nach § 96 Nr. 5 AMG und riskiert eine Freiheitsstrafe oder eine hohe Geldstrafe. Da dem Gesetzgeber bewusst ist, dass es Fälle schwerkranker Patienten gibt, für deren Behandlung (noch) kein in Deutschland zugelassenes Medikament verfügbar ist, enthält § 73 Absatz 3 AMG eine spezielle Ausnahmeregelung: Bei Einhaltung verschiedener Voraussetzungen dürfen Apotheken – ohne eine Einfuhrerlaubnis nach § 72 AMG zu benötigen – aus dem Ausland gegen eine konkrete ärztliche Verschreibung für einen bestimmten Patienten in Deutschland nicht zugelassene Medikamente beschaffen und abgeben. Dieses Verfahren wird als Einzeleinfuhr oder Einzelimport bezeichnet. Die obere Tabelle auf Seite 44 enthält den entsprechenden gesetzlichen Wortlaut.
… und in die Apothekenbetriebsordnung
§ 18 Absatz 1 ApBetrO bestimmt, was im Fall von Einzeleinfuhren von Fertigarzneimitteln durch Apotheken alles schriftlich zu dokumentieren ist. Den gesetzlichen Wortlaut nennt die untere Tabelle auf Seite 44. Laut § 22 Absatz 1 ApBetrO sind diese Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren, um im Rahmen von Apothekenrevisionen überprüft werden zu können. Eine unzureichende oder gar nicht geführte Einfuhr-Dokumentation kostet Bußgeld.
Das Wichtigste in Kürze
- Unter Einhaltung verschiedener Voraussetzungen dürfen Apotheken in Deutschland – ohne eine Einfuhrerlaubnis nach § 72 AMG zu benötigen – aus dem Ausland gegen eine konkrete ärztliche Verschreibung für einen bestimmten Patienten in Deutschland nicht zugelassene Medikamente beschaffen und abgeben. Man spricht von Einzeleinfuhr oder Einzelimport.
- In der ApBetrO ist geregelt, was bei einer Einzeleinfuhr von Fertigarzneimitteln zu dokumentieren ist. Die Dokumentation muss fünf Jahre lang aufbewahrt werden.
Typische Praxisfragen
Kann die Apotheke, wenn sie davon ausgeht, dass das importierte Medikament häufiger benötigt wird, auf Vorrat bestellen?
Nein. Das AMG erlaubt nur die geringe bzw. die verordnete Menge. Die Bevorratung mit einem in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittel würde ein strafbares Inverkehrbringen darstellen.
Und was gilt für wichtige Antidote?
Hier hat der Gesetzgeber in § 73 Absatz 3 AMG eine spezielle Ausnahmeregelung aufgenommen: Stehen im Geltungsbereich des Gesetzes Arzneimittel, die nach den apothekenrechtlichen Vorschriften oder berufsgenossenschaftlichen Vorgaben für Notfälle vorrätig zu halten sind oder kurzfristig beschafft werden müssen, nicht zur Verfügung, ist eine Bevorratung möglich.
Ist bei erloschener deutscher Zulassung eine Einzeleinfuhr möglich?
Etwas versteckt findet sich in § 30 Absatz 4 Nr. 2 AMG folgende Aussage: „Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es (…) nicht in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.“ Dies gilt natürlich insbesondere, wenn aufgrund von Bedenken (Risiko > Nutzen) keine Zulassung mehr besteht. Eine andere Konstellation liegt vor, wenn das Unternehmen aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen auf die erteilte Zulassung verzichtet hat.
Kann auch ein Heilpraktiker ausländische Arzneimittel zur Einzeleinfuhr verschreiben?
Bei der Einfuhr von Arzneimitteln aus Staaten außerhalb der EU darf die Apotheke nur Rezepte beliefern, die von Ärzte oder Zahnärzten – Letztere nur für den Arzneimitteleinsatz im Rahmen ihrer Approbation – ausgestellt wurden. Die Möglichkeit, ausländische Arzneimittel zu verschreiben, ist nicht auf bestimmte Fachärzte (z. B. Neurologen oder Onkologen) beschränkt.
Muss bei den Einzeleinfuhren den Zollbehörden das Rezept vorgelegt werden?
Nein, denn hiergegen würde auch der Datenschutz sprechen. Gegebenenfalls können die Zollbehörden der für die Apothekenüberwachung zuständigen Landesbehörde (z. B. Regierungspräsidium) eine Kontrollmitteilung senden.
Was darf eine internationale Apotheke?
Manchmal sagen die verordnenden Ärzte zu ihren Patienten, sie sollten das Rezept mit dem in Deutschland nicht zugelassenen Medikament in einer „internationalen Apotheke“ einlösen. Sie gehen davon aus, dass es Apotheken mit einem Sonderstatus gibt, insbesondere mit der behördlichen Erlaubnis, ausländische Arzneimittel vorrätig zu halten. Das ist falsch.
Der Patient kann sein Rezept in jeder öffentlichen Apotheke einlösen. Apotheken, die sich das Etikett „international“ geben, können als Dienstleister bei der Beschaffung helfen. Sie verfügen über keine Sondererlaubnis und keine Vorräte, sondern in der Regel über ein besonderes fachliches Know-how (z. B. Nachschlagewerke, Bezugsquellen) und Sprachkenntnisse.
Ein ausländischer Patient wünscht Arznei aus seinem Heimatland (Nicht-EU-Staat)?
Zunächst ist zu prüfen, ob für das gewünschte Medikament eine in Deutschland zugelassene Alternative zur Verfügung steht. Ist dies nicht der Fall, muss das Arzneimittel durch einen deutschen oder EU-Arzt verordnet werden. Dies gilt für alle Einzeleinfuhren aus Nicht-EU-Staaten, auch wenn das Arzneimittel nach deutschem Recht rezeptfrei erhältlich wäre.
OTC für EU-Bürger?
Wünscht ein EU-Bürger von einer deutschen Apotheke die Besorgung eines nach deutschem Recht nicht rezeptpflichtigen Arzneimittels, so ist zunächst nach einer zugelassenen deutschen Alternative zu suchen. Gibt es eine solche nicht und akzeptiert der Kunde den mit der Auslandsbesorgung verbundenen höheren Preis, ist eine Einzeleinfuhr möglich. Die Dokumentation erfolgt wie von der ApBetrO gefordert, die Angaben zum verordnenden Arzt entfallen.
Muss die PTA bei der Abgabe das Rezept abzeichnen?
Der Gesetzgeber fordert das Namenszeichen eines Apothekers, der gegebenenfalls die Abgabe durch die PTA beaufsichtigt hat. Die PTA gehört zwar zum pharmazeutischen Personal und darf pharmazeutische Tätigkeiten wie die Abgabe von Arzneimitteln ausüben – allerdings nur unter Aufsicht eines Apothekers (§ 3 Absatz 5 ApBetrO).
Was ist vor der Abgabe eines Einzelimports zu dokumentieren?
Hier hilft der Blick in § 18 ApBetrO oder die Benutzung der Dokumentationshilfen aus den pharmazeutischen Fachverlagen. Insbesondere müssen neben dem verordneten Arzneimittel, seiner Chargenbezeichnung und der Darreichungsform auch der Patient, der verordnende Arzt, der pharmazeutische Unternehmer und der Lieferant schriftlich festgehalten werden. Und natürlich auch wichtige Hinweise für den Patienten, die z. B. die sichere Einnahme, die Aufbewahrung oder die Entsorgung betreffen können.
Wer haftet bei Problemen?
Bei in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimitteln greift die Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers gemäß § 84 AMG. Liegt keine deutsche Zulassung vor, haftet in erster Linie der verordnende Arzt. Die Apotheke ist gut beraten, wenn sie zumindest jeden Einzelimport einer optischen Prüfung nach § 12 ApBetrO unterzieht und dies dokumentiert. Wichtig sind auch die aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlichen Hinweise für den Patienten. Hier ist die Apotheke in der Verantwortung, dass derartige Hinweise gegeben und dokumentiert werden.
Zahlt die Kasse?
Die Bestimmungen des AMG beschreiben nur die Spielregeln, die einzuhalten sind, wenn ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel durch eine Apotheke für einen bestimmten Patienten besorgt und abgegeben werden soll. Das AMG enthält keine Aussage darüber, ob die Krankenkasse die Kosten für das in der Regel teure Arzneimittel übernimmt, für das kein Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach deutschen oder EU-Standards erbracht wurde. Patienten sollten daher im Vorfeld einer Bestellung durch die Apotheke das Rezept bei ihrer Krankenkasse zur Klärung der Kostenerstattung vorlegen.
Einzeleinfuhr von Tierarznei?
Die Apotheken-Sonderregelung des § 73 Absatz 3 AMG beschränkt sich ausdrücklich auf Fertigarzneimittel zur Anwendung am Menschen. Den Einzelimport von Tierarzneimitteln regelt § 73 Absatz 3b AMG. Für lebensmittelliefernde Tiere sind Spezialregelungen zu beachten: In § 56a Absatz 2 finden sich die Vorgaben für das ausnahmsweise Verbringen von in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassenen Tierarzneimitteln durch den Tierarzt.
§ 73 Absatz 3 AMG im Wortlaut
„Abweichend von Absatz 1 Satz 1 [Anmerkung: = allgemeines Verbringungsverbot] dürfen Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind und nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen, registriert oder von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, wenn
1. sie von Apotheken auf vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge bestellt und von diesen Apotheken im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis abgegeben werden,
2. sie in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden und
3. für sie hinsichtlich des Wirkstoffs identische und hinsichtlich der Wirkstärke vergleichbare Arzneimittel für das betreffende Anwendungsgebiet im Geltungsbereich des Gesetzes nicht zur Verfügung stehen.“
§ 18 Absatz 1 ApBetrO
Einfuhrdokumentation
„Werden Fertigarzneimittel nach § 73 Absatz 3 (…) des Arzneimittelgesetzes in den Geltungsbereich dieser Verordnung verbracht, sind folgende Angaben aufzuzeichnen:
- die Bezeichnung des eingeführten Arzneimittels,
- der Name oder die Firma und die Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers,
- die Chargenbezeichnung, Menge des Arzneimittels und die Darreichungsform,
- der Name oder die Firma und die Anschrift des Lieferanten,
- der Name und die Anschrift der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist,
- der Name und die Anschrift des verschreibenden Arztes (…),
- das Datum der Bestellung und der Abgabe,
- das Namenszeichen desjenigen, der das Arzneimittel abgegeben oder die Abgabe beaufsichtigt hat.
Soweit aus Gründen der Arzneimittelsicherheit besondere Hinweise geboten sind, sind diese bei der Abgabe mitzuteilen. Diese Mitteilung ist aufzuzeichnen.“
Fazit: komplexes Thema
Die genannten Beispiele können nur einen Teil der komplexen und komplizierten Materie rund um das Thema Einzeleinfuhr abdecken. Wer tiefer in die Thematik einsteigen und sich genauer informieren möchte, findet in gut sortierten Apotheken-Bücherschränken ausführliche und aktuelle Loseblatt-Kommentare aus dem Deutschen Apotheker Verlag Stuttgart zum Arzneimittelgesetz (zum Beispiel Kloesel/Cyran) sowie zur Apothekenbetriebsordnung (zum Beispiel Cyran/Rotta).