Ist die Grippeimpfung besser als ihr Ruf?: Fast 50-prozentiger Schutz
Betrachtet man die Impfraten der von der STIKO (Ständige Impfkommission) empfohlenen Impfungen, so steht die Influenzaimpfung nicht gerade im Rampenlicht und rangiert viel eher auf den hintersten Plätzen. Die einzige Impfung, die noch schlechter abschneidet, ist die Impfung gegen HPV (Humane-Papillomavirus) mit Gardasil® oder Cervarix®. Das WHO-Ziel und die sich daraus ableitende EU-Richtlinie, bei Grippe eine Durchimpfungsrate in der älteren Bevölkerung mit 75 Prozent zu erreichen (eigentlich bis 2010), verfehlen die meisten EU-Länder. Auch Deutschland ist hier kein leuchtendes Beispiel. Aktuellste Daten aus der vergangenen Grippesaison 2016/17 zeigen, dass gerade einmal 34,8 Prozent der älteren Menschen sich gegen Influenza haben impfen lassen.
Gibt es Gründe gegen die Grippeimpfung?
Warum findet die Grippeimpfung so wenig Akzeptanz? Zum Teil scheint es, dass die Virusgrippe von ihrem früheren Schrecken eingebüßt hat und manche Menschen sie nicht als ernsthafte Bedrohung wahrnehmen - die Spanische Grippe in den Jahre 1918 bis 1920 mit geschätzten 50 Millionen Todesopfern ist lange her. Zu diesem Schluss kamen jüngst diesem das WHO-Regionalbüro für Europa und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Doch, laut den Wissenschaftlern, ist das nicht der einzige Grund: Die Menschen trauen der Grippeimpfung offenbar nicht. Der Ruf der Vakzination ist schlecht, Impfverweigerer kommen immer wieder mit dem "Totschlag-Argument" um die Ecke, dass sie selbst eine Impfung nicht hundertprozentig vor Grippe schütze. Ihre daraus gezogene Konsequenz - die Impfung lieber komplett sein lassen.
Grippeimpfung 2017/18 schützt fast zu 50 Prozent vor Grippe
Die Grippeimpfung hat in der Tat keine vergleichbaren Schutz-Erfolge vorzuweisen wie beispielsweise eine Impfung gegen Masern. Das Influenzavirus ist hochvariabel - welche Subtypen in der jeweils kommenden Saison zirkulieren werden, können die Impfstoffentwickler prognostizieren - mit Sicherheit wissen jedoch nicht. Gerade in der aktuellen Grippesaison türmten sich die Meldungen, dass für den dominierend zirkulierenden Stamm, Influenza B Yamagata, die passende Impfkomponente nur die Vierfachimpfung enthalte. Das ist richtig. Die Dreifachimpfung folglich gar nicht wirken könne. Das ist nicht richtig, allerdings dennoch Futter für die Impfverweigerer. Was sie erstaunen dürfte und ihnen vielleicht etwas Wind aus den Segeln nehmen: Das Robert-Koch-Instituts (RKI) wertete erste Daten zur Impfeffektivität aus und förderte Erstaunliches zutage. Denn - sie schützt doch, die Grippeimpfung in diesem Jahr, und zwar besser als erwartet.
Die Impfeffektivität des saisonalen Grippeimpfstoffs liegt nach vorläufiger Auswertung des RKI bei 46 Prozent. Ein fast 50-prozentiger Schutz in einer Grippesaison, bei der der dominierende Yamagata-Virus - zur Erinnerung 75 Prozent aller zirkulierenden Viren! - im hauptsächlich geimpften Dreifach-Impfstoff noch nicht einmal enthalten ist? Wie funktioniert das? Das RKI hat zwei Erklärungsmöglichkeiten dafür: Zum einen könne eine gewisse Kreuzimmunität zu der auch im Dreifachimpfstoffe enthaltenen B-Komponente bestehen. Zum anderen werden wohl auch "Wiederholungstäter" bei der Grippeimpfung belohnt. Die Yamagata-Komponente war bereits vor Jahren Bestandteil der Dreifachimpfung. Eine lückenlose Impfhistorie bei Grippe, folglich ein immer wiederkehrender Kontakt mit Grippeviren, "boostert" den Grippeschutz. Das findet auch das RKI: "Die Impfwirkung ist besser, wenn man regelmäßig impft", heißt es seitens der Impfexperten. Folglich - entweder öfter impfen oder öfter krank werden.
Welche Alternativen gibt es bei Grippe zur Impfung? Tamiflu®? Relenza®?
Fraglos ist es wünschenswert, für jede Influenzasaison hervorragend passende Grippeimpfstoffe zu entwickeln, die die jeweils zirkulierenden Grippeviren optimal erwischen. Allerdings: Sollte der derzeitig nur begrenzte Impfschutz wirklich ein Argument sein, sich besser gar nicht impfen zu lassen? Die Frage ist an einer solchen Stelle immer - was bietet der pharmazeutische Markt besseres? Tamiflu®? Relenza®?
Beide Arzneimittel können sowohl in der Therapie als auch in der Prophylaxe der Grippe eingesetzt werden. Allerdings will gerade bei der Behandlung einer Influenzainfektion rasch gehandelt werden. Die Therapie muss innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der ersten Symptome geatartet werden. Und auch wenn die derzeitige Resistenzlage noch günstig ist, hat man die Wirksamkeit dieser Antiviralia nicht als "Dauerlos" gebucht. Zusätzlich wirken die Neuraminidasehemmer Oseltamivir in Tamiflu® beziehungsweise Zanamivir in Relenza®auch nur so lange der Patient sie einnimmt, was wohl als Schutz vor Grippe auch keine praktikable Lösung ist. Selbst die Fachinformationen weisen darauf hin, dass Tamiflu® und Relenza® kein Ersatz für eine Grippeschutzimpfung sind
Wie wirken Tamiflu® und Relenza®?
Oseltamivir und Zanamivir zählen zu den Neuraminidasehemmstoffen. Nachdem die Grippeviren sich in der menschlichen Wirtszelle vermehrt und sich zu neuen Viruspartikeln zusammengebaut (assembliert) haben, müssen sie die Wirtszelle auch wieder verlassen. Die Influenzaviren gelangen zunächst an die Oberfläche der Wirtszelle und sind dort zunächst noch fest mit dieser verbunden. Um sich zu lösen, benötigen sie die Neuraminidase. Hemmstoffe der Neuraminidase wie Oseltamivir und Zanamivir verhindern letztlich das Freisetzen neuer Viren in die Blutbahn. Die Viren bleiben an der Wirtszelle kleben.