Entscheidung erst in der nächsten Legislaturperiode: Keine Einigung auf Rx-Versandhandelsverbot im Koalitionsausschuss
Rx-Versandhandelsverbot sollte Apothekensterben verhindern
Im Dezember vergangenen Jahres hatte das Bundesgesundheitsministerium einen ersten Referentenentwurf für ein Gesetz zum Verbot des Rx-Versandhandels vorgelegt. Das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bekannte sich darin klar für den Erhalt der Apotheke vor Ort. Der Versandhandel könne nur ergänzende Funktionen haben, der Negativtrend bei der Apothekenzahl müsse gestoppt werden. Gröhes Plan war von Anfang an umstritten, vor allem in der SPD gab es Bedenken. Letztlich landete der Gesetzentwurf im Koalitionsausschuss, der am gestrigen Mittwochabend im Berliner Kanzleramt tagte. Und hier konnten sich CDU, SPD und CSU nicht einigen. Die Chance auf die Umsetzung eines Verbots noch in dieser Legislaturperiode sind damit Richtung Null gesunken. Wie es nun weitergeht, ist völlig offen.
SPD sieht Apotheken nicht gefährdet und sieht Vorteile für den ländlichen Raum
Unter anderem argumentierte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), der Versandhandel sei gerade im ländlichen Raum und für chronisch kranke Menschen von großem Vorteil. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Online-Handel mit Arzneien zu einem Apotheken-Sterben führe. Selbst im CDU-geführten Finanzministerium gibt es Bedenken. Deutschland könnte sich einer „EU-rechtlichen Staatshaftung aussetzen“, sollte es das Verbot beschließen, heißt es in einer Stellungnahme.
Apothekengewerkschaft: „Affront gegenüber Apothekeninhabern und Mitarbeitern!“
Dass die Koalitionsspitzen den Bedenken aus SPD und CDU-geführtem Finanzministerium mehr Gewicht eingeräumt wurde, als den Stimmen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und den Betroffenen in den öffentlichen deutschen Apotheken, sei ein Affront gegenüber Apothekeninhabern wie Angestellten, so die ADEXA-Vorstände Andreas May und Tanja Kratt in einer aktuellen Stellungnahme. Es sei zu befürchten gewesen, dass die jetzt für das Scheitern des Rx-Versandverbotes verantwortlichen Politiker im Wahljahr besonders kurzsichtig agieren würden. Aus Angst vor möglichen Wählerstimmenverlusten bei den Versicherten – und vielleicht auch vor der Schelte der apothekerfeindlichen, überregionalen Medien („skandalöser Sieg des Lobbyismus!“) – werde nun die Axt an ein System gelegt, das bis dahin alle gut und wichtig fanden. Fakt sei: Wirksame andere Lösungen gegen die Inländerdiskriminierung sind nicht in Sicht. Die Vorschläge der SPD muteten hilflos und aktionistisch an. Es werde also weiter dilettiert und ein verstärktes Apothekensterben in Kauf genommen – sehenden Auges. ADEXA fragt sich, ob sich der Berufsstand, also alle(!) öffentlichen Apotheken jetzt zu einer konzertierten Aktion aufraffen können, die medial wirksam und bundesweit spürbar ist? Oder geht die Suche nach Plan C los in der üblichen, zersplitterten und intransparenten Art und Weise?
Hintergrund: Das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016
Nach einer Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf dem EuGH im März 2015 die Frage vorgelegt, ob es mit europäischem Recht vereinbar sei, wenn die in Deutschland geltende Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel auch auf Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten angewendet wird, die solche Medikamente nach Deutschland versenden. Bislang haben sowohl der Gesetzgeber als auch der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in Deutschland diese Frage ausdrücklich bejaht.
Doch nun hat der EuGH entschieden, dass diese Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland gegen EU-Recht verstößt – für deutsche Apotheken bleibt die Preisbindung bestehen. Die Regelung stelle eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs dar, urteilten die Richter in Luxemburg. Im aktuellen Fall ging es um eine Kooperation zwischen der Deutschen Parkinson Vereinigung mit Sitz in Neuss und der niederländischen Versandapotheke DocMorris. Danach konnten die Vereinsmitglieder bei DocMorris Boni für rezeptpflichtige Parkinson-Medikamente erhalten. Dagegen hatte die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (ZBW) vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geklagt. Die deutsche Regelung, die auch EU-ausländischen Versandapotheken zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtet, wenn sie Arzneimittel an Kunden in Deutschland versenden, stelle eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs dar, so der Richter. Denn die Festlegung einheitlicher Abgabepreise wirke sich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker aus, sodass der Zugang zum deutschen Markt für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse. Mit dieser Argumentation folgte der Gerichtshof ganz der Linie der DocMorris-Anwälte und des Generalanwalts. Quellen: DPA / ADEXA-Statement zum Koalitionsgipfel / DAZ.online