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MCT-Öl und Kokosöl

Während Kokosöl häufig bei Schwangerschaftsbeschwerden verwendet wird, findet MCT-Öl oft Anwendung in der parenteralen Ernährung. | Bild: LIGHTFIELD STUDIOS / AdobeStock

Mit dem Versprechen, schnell und problemlos schlank zu werden, lässt sich die „Gemeinde der Wundergläubigen“ offenbar am leichtesten ködern. Wie schön ist es doch, an ein „Abnehm-Fett“ zu glauben, das die Pfunde purzeln lässt, weil bei seiner Verbrennung so viel Energie verbraucht wird. MCT-Öle, aus Kokosöl gewonnen, oder gleich das gesamte Kokosöl erfreuen sich einer geradezu atemberaubenden Mund-zu-Mund-Propaganda, was ihren Gesundheitswert betrifft. Insbesondere Kokosöl scheint das ultimativ angesagte Fett bei jungen Müttern zu sein, die ihre Familien „alternativ“ und bewusst ernähren wollen.

MCT-Öle insbesondere in der parenteralen Ernährung

MCT steht für „medium-chain triglycerides“. Es handelt sich um dreifache Ester des Glycerins mit gesättigten Fettsäuren mittlerer Kettenlänge (6 bis 12 Kohlenstoffatome), und zwar Capron-, Capryl-, Caprin- und Laurinsäure. Im Körper werden sie schneller als langkettige Fettsäuren gespalten und über die Pfortader direkt zur Leber transportiert. Sie haben den Vorteil, unabhängig von Gallensäuren und fettspaltenden Enzymen absorbiert zu werden. 

Aufgrund dieser Eigenschaften haben sie ihren festen Platz in der parenteralen Ernährung sowie in der diätetischen Therapie verschiedener Darmerkrankungen, insbesondere bei Fettverdauungs- und Lymphabflussstörungen, bei Morbus Crohn, Mukoviszidose oder nach Dünndarmoperationen. 

Wo kommt MCT vor?

MCT kommen natürlicherweise in Butter, Kokosöl und Palmöl vor, auch in Milch und Muttermilch. Für die Diätetik werden spezielle Streichfette hergestellt, so sind zum Beispiel MCT-Margarinen im Handel.
MCT-Fette haben tatsächlich zehn Prozent weniger Kalorien als andere Nahrungsfette. Sie führen in der ersten Zeit ihrer Anwendung zu einem höheren Sättigungsgefühl und es wurden durchaus kurzfristige Gewichtsabnahmen beschrieben. 

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) räumt ein, dass auf diese Weise der Beginn einer Reduktionsdiät erleichtert werden kann, doch es komme sehr schnell zu einem Gewöhnungseffekt. Es gibt laut DGE keine wissenschaftlichen Beweise für Langzeiterfolge und erst recht nicht für eine Einstufung von MCT-Fetten als „Schlankmacher“ oder Kalorieneinsparer. Deshalb hält die DGE MCT-Fette für die Therapie der Adipositas nicht für empfehlenswert.

Unerwünschte Wirkungen

Werden normale Nahrungsfette durch MCT-Fette ersetzt, können Unverträglichkeitsreaktionen auftreten, zum Beispiel Sodbrennen, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Durchfall. Bei Dauergebrauch würden essenzielle Fettsäuren und fettlösliche Vitamine fehlen. Bei der Verwendung in der Küche entwickeln MCT-Fette einen scharfen und bitteren Geschmack, vor allem wenn Speisen warm gehalten oder aufgewärmt werden. MCT-Öle eignen sich nicht zum Erhitzen, Braten oder Frittieren.

Was über MCT im Netz kursiert

Im Internet werden MCT-Fette als potente Antibiotika dargestellt, die jedoch die guten Darmbakterien unangerührt lassen. Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Gicht – alles soll wirksam bekämpft und so Herzinfarkt und Schlaganfall vorgebeugt werden. Leber, Pankreas und Nieren sollen geschützt werden. Die Gedächtnisleistung soll steigen und der stressige Alltag besser bewältigt werden. Kaufen kann man das Öl in Online-Shops, die „Zufriedenheitsgarantie“ zusichern. Der Literpreis liegt zwischen 20 und 50 Euro.

Kokosöl – die Fakten

Kokosöl wird aus Kopra, dem Fruchtfleisch der Kokosnuss, gewonnen. Zu den wichtigsten Anbauländern von Kokospalmen zählen Indonesien, die Philippinen und Indien. Kokosöl besteht aus Triglyceriden, die zu 90 Prozent gesättigte Fettsäurereste enthalten. Überwiegend handelt es sich dabei um MCT-Fette, zu 50 Prozent ist Laurinsäure (12 Kohlenstoffatome) vertreten. Das wachsartige Kokosöl riecht mild und frisch, leicht nach Kokos. Man spricht auch von Kokosfett, weil es bei Raumtemperatur fest wird. Bei Kokosfett denkt man sofort an das altbekannte Fett in Plattenform (Palmin). Dieses wird unter Wärmeanwendung aus Kopra gepresst und weiter stark bearbeitet, bis es völlig geschmacksneutral ist. 

Im Gegensatz dazu wird natives Kokosöl ohne Wärmeanwendung gepresst und nicht weiter behandelt. Deshalb gilt es ernährungsphysiologisch als hochwertiger. Der hohe Anteil an Laurinsäure soll es leichter verdaulich machen. Trotz allem besteht Kokosöl mehrheitlich aus gesättigten Fettsäuren.
 

In der Küche kann man Kokosöl bzw. -fett zum Backen, Braten und Frittieren verwenden. Palmin gilt seit langem als preisgünstiges Brat- und Frittierfett. Ältere kennen aus ihrer Kinderzeit den „Kalten Hund“, eine Kekstorte mit mächtiger Kokosfett-Schokoladenfüllung und nicht gerade der Inbegriff gesunder Kost.

DGE rät: Kokosöl nur gelegentlich verwenden

Grundsätzlich sollte eine gesunde Ernährung möglichst viele ungesättigte Fettsäuren enthalten. Diesen Anspruch kann Kokosöl auch in seiner nativen Variante nicht erfüllen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt daher, Kokosöl in der Küche nur gelegentlich zu verwenden, beispielsweise bei der Zubereitung exotischer Speisen. 

Für die regelmäßige und tägliche Verwendung sind Oliven-, Raps- und Walnussöl laut DGE die bessere Alternative. Diese anerkannt hochwertigen pflanzlichen Öle zeichnen sich durch einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren aus, die nachweislich das Herzinfarktrisiko senken und den Körper mit essenziellen Fettsäuren versorgen.

Kokosöl bei Schwangerschaftbeschwerden?

Wie kommt es zu der Einschätzung, Kokosöl sei – trotz 90 Prozent an gesättigten Fettsäuren – so gesund? Und warum glauben insbesondere junge Mütter fest an diese Botschaft? Im Internet ist zu lesen, dass Kokosöl ein „Wundermittel für Schwangere“ sei. Kokosöl von außen auf der Haut und von innen mit den antimikrobiellen Eigenschaften mache jede Schwangere zur „Schönheitskönigin“ und wirke gegen Übelkeit, Sodbrennen und Verstopfung sowie alle weiteren Schwangerschaftsbeschwerden. 

Die im Kokosöl enthaltene Laurinsäure soll auch die Milchproduktion während des Stillens anregen. Möglicherweise ist Kokosöl ein „Geheimtipp“ von Hebammen, die einen großen Einfluss auf junge Frauen haben?

Kampagne mit Wirkung

Die ursprünglich erzählte Geschichte vom „gesunden Kokosöl“ ging so: Die Einheimischen in all den exotischen Ländern, wo Kokospalmen gedeihen, leiden selten unter unseren üblichen Zivilisationskrankheiten, schon gar nicht unter Herz-Kreislauf-Krankheiten. Das führten selbst ernannte Ernährungsexperten auf den Konsum von Kokos-Produkten zurück. Dass die Einheimischen einen völlig anderen Lebensstil pflegen, ihre gesamte Ernährung anders ist und auch nicht das pure Kokosöl konsumiert wird, sondern eher das Kokosnussfleisch, das alles blieb im Marketing-Märchen unberücksichtigt. 

Man begann also, Kokosöl in den westlichen Ländern als besonders „herzschützend“, „gesund“ und „natürlich“ zu vermarkten. Menschen, die an Wunder glauben wollen, stellen eher keine kritischen Fragen. Das Superfood Kokosöl erwarb sich weithin den Ruf, außer herzschützend auch Cholesterol-senkend, antientzündlich sowie antibakteriell zu wirken und der Adipositas vorzubeugen. Eine Umfrage zeigt, dass 72 Prozent der Allgemeinbevölkerung glauben, Kokosöl sei besonders gesundheitsförderlich. Der Kokosöl-Boom ist ein echter Marketing-Erfolg!

Was sagt die Wissenschaft?

Mit dem Ziel, unsere Ernährung zu optimieren und Krankheiten vorzubeugen, wurden in den letzten Jahren viele große Studien und Metaanalysen durchgeführt. Auch Kokosöl weckte das Interesse vieler Forscher und Wissenschaftler. Denn man wollte durchaus wissen, wie sich pflanzliche gesättigte Fettsäuren auf die menschliche Gesundheit auswirken und ob die im Raum stehenden Versprechen wissenschaftlichen Kriterien standhalten.

Die Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Martin Smollich und Tessa Müller vom Institut für Ernährungsmedizin der Universität Lübeck diskutierten die Studienlage zum Kokosöl. Sie kamen zu dem Schluss: Eine Ernährung mit Kokosöl hat keinerlei günstige Wirkung auf die Gesundheit. Antientzündliche oder herzschützende Effekte sind nicht vorhanden. Auch wenn nichts gegen einen gelegentlichen Verzehr von Kokosöl spricht, so sollte man die bei uns üblichen Speiseöle keinesfalls zugunsten von Kokosöl austauschen.

An die Umwelt denken

Umweltverbände sind der Ansicht, dass wir in Europa keine Pflanzenöle aus den Tropen brauchen. Die heimischen Öle aus Oliven, Raps, Sonnenblumenkernen oder Walnüssen sind nicht nur von ihrer Fettsäuren-Zusammensetzung her gesünder für uns. Sie haben auch keine so langen Transportwege hinter sich wie Produkte aus Übersee, für die in vielen Ländern der Regenwald abgeholzt wurde, um riesige Anbauflächen für Monokulturen zu schaffen.

Zwar ist der Anbau von Kokospalmen in Ländern der Dritten Welt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch sind es nicht die Bauern, die von dem Verkauf profitieren, sondern die industriellen Vermarkter, die die einheimische Bevölkerung oft ausbeuten und unter fragwürdigen Bedingungen arbeiten lassen.

Wer Kokosprodukte kaufen will, sollte unbedingt auf Fairtrade-Label achten. Im Internet angebotenes Kokosöl kostet zwischen circa 10 und 40 Euro pro Liter. Die Qualität der einzelnen Produkte zu beurteilen, dürfte für den Verbraucher allerdings schwierig sein.

Auf einen Blick:

  • MCT-Fette bestehen aus Triglyceriden mit gesättigten Fettsäureresten mittlerer Kettenlänge, die aus Kokosöl oder Palmöl gewonnen werden.
  • MCT-Fette haben ihren Stellenwert in der parenteralen Ernährung bzw. in der diätetischen Behandlung spezieller Erkrankungen. Es handelt sich keinesfalls um ein „Abnehmfett“.
  • Kokosöl besteht aus Triglyceriden, die zu 90 Prozent gesättigte Fettsäurereste enthalten. Überwiegend handelt es sich dabei um MCT-Fette.
  • Der Verzehr von Kokosöl bietet keinen gesundheitlichen Vorteil. Im Gegenteil, der Austausch von Speiseölen mit ungesättigten Fettsäuren zugunsten von Kokosöl wird von Ernährungswissenschaftlern mit Sorge gesehen.
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