Als PTA in der Zentralen Notaufnahme
Im Herzen von Schleswig-Holstein, direkt am Nord-Ostsee-Kanal und dem Fluss Eider, liegt die Stadt Rendsburg. In der örtlichen imland Klinik sind Marje Wischmeyer und Friederike Kuhlmann als pharmazeutisch-technische Assistentinnen (PTA) tätig. Doch wer sie in der dortigen Krankenhausapotheke oder den Herstellungsbereichen für Zytostatika und Rezeptur sucht, wird in der Regel nicht fündig. Im Interview mit PTAheute berichten die beiden Frauen von ihrem außergewöhnlichen Arbeitsplatz.
Zwischen Schockraum und Arztzimmer
In der Zentralen Notaufnahme (ZNA) der imland Klinik Rendsburg kümmert sich ein Team aus hochqualifiziertem Fachpersonal rund um die Uhr um Notfallpatienten aller Art. Neben Ärzten, Pflegekräften und medizinischen Fachangestellten, zählen seit 2020 zu diesem Team auch PTA.
Marje Wischmeyer (23) und Friederike Kuhlmann (31) sind hier als „ZNA PTA“ tätig und unterstützen mit pharmazeutischem Knowhow Tag für Tag Ärzte und Pflegekräfte bei ihrer Arbeit. Dabei erstreckt sich ihr Einsatzgebiet auf die gesamte Zentrale Notaufnahme: Zwischen Schockraum und Schreibtisch im Arztzimmer übernehmen die beiden Frauen zahlreiche Aufgaben.
Frau Kuhlmann, Frau Wischmeyer, Sie beide sind PTA in der Zentralen Notaufnahme. Das ist schon etwas Außergewöhnliches. Welche Aufgaben übernehmen Sie an diesem für PTA eher untypischen Arbeitsort?
„Zu unseren Aufgaben gehören:
- die Vorbereitung von Medikamenten, z. B. Antibiotika oder Perfusoren,
- die Erfassung von Medikation, Allergien, Unverträglichkeiten und weiteren Patienteninformationen,
- die Dokumentation von Maßnahmen in den Schockräumen,
- die Pflege und Bestellung der Medikamente, Medizinprodukte und Hilfsmittel,
- Arzneimittelschulungen für die Pflege
- sowie weitere Arzt und Pflege unterstützende Tätigkeiten, z. B. Vorbefunde bei Hausärzten erfragen oder einfach mal mit anpacken, wenn nötig.“
Zur Erinnerung: Was sind Perfusoren?
Spritzenpumpen (Produktname: Perfusor) ermöglichen es, Medikamente in Form von Infusionen über einen definierten Zeitraum zu verabreichen. Dabei wird eine Spritze mit der jeweiligen Lösung in das Gerät eingelegt und der Spritzenkolben durch die elektrische Pumpe nach und nach verschoben.
Das ist ein wirklich vielfältiges Aufgabenspektrum. Fallen diese Tätigkeiten täglich an oder wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag für Sie beide aus?
„Jeder Tag ist unterschiedlich. Man kann morgens nie sagen, was auf einen zukommt. Arzneimittel-, Medizinprodukte- und Hilfsmittelbestellungen sind ein fester Bestandteil unserer Arbeit und der Rest ergibt sich je nach Tag. Manchmal telefonieren wir viel mit Hausärzten und bearbeiten Medikationspläne und an anderen Tagen stehen wir fast nur im Schockraum und ziehen Medikamente auf.“
Gut zu wissen: Was ist ein Schockraum?
Der Schockraum stellt einen gesonderten Raum (meist) innerhalb der Notaufnahme dar, der der Erstversorgung schwerverletzter bzw. mehrfachverletzter Patienten dient. Die Betroffenen werden hier gleichzeitig durch medizinisches Personal verschiedener Fachrichtungen versorgt, bevor sie auf die entsprechende Station verlegt werden.
In einer öffentlichen Apotheke macht der Kundenkontakt ja bekanntermaßen den größten Anteil im Berufsalltag aus. Vielen PTA ist der direkte Kontakt zu Menschen in ihrem Beruf auch sehr wichtig. Haben Sie bei Ihrer Tätigkeit auch direkten Patientenkontakt?
„Ja, den haben wir. Wir haben z. B. Kontakt bei der Arzneimittelbefragung, wenn der Patient keinen Medikationsplan dabei hat. Und natürlich fassen wir auch mal mit an, wenn die Pflege unsere Unterstützung benötigt – z. B. beim Umlagern von Patienten.“
Neue Herausforderung als ZNA PTA
Seit zwei bzw. zehn Jahren sind Marje Wischmeyer und Friederike Kuhlmann bereits PTA. Im Jahr 2020 wurden beide auf eine Stellenanzeige der imland Klinik als „pharmazeutisch-technischer Assistent für das Zentrum für Notfall- und Akutmedizin“ aufmerksam. Während Kuhlmann innerhalb der Klinik von der Krankenhausapotheke in die Notaufnahme wechselte, startete Wischmeyer direkt nach der Ausbildung als „ZNA PTA“ durch.
In einer Notaufnahme geschehen viele Dinge, auf die man als PTA in der Ausbildung eher nicht vorbereitet wurde. Wie war das zu Beginn für Sie?
„Am Anfang war ich oft einfach baff. Es gibt so vieles, was ich vorher noch nie gesehen hatte und da ist natürlich einiges dabei, was man so schnell nicht vergisst. Meine erste Reanimation, bei der der Patient verstorben ist, ist mir z. B. immer noch gut im Gedächtnis.“
Nun sind Sie seit zwei Jahren in der Zentralen Notaufnahme tätig. Gibt es heute immer noch bestimmte Situationen, die Ihnen besonders nahe gehen?
„Nach wie vor finde ich es besonders emotional, wenn es um schwere Unfälle von jungen Menschen und Kindern geht. Wenn Menschen mitten aus dem Leben gerissen werden, geht das glaube ich an niemandem spurlos vorüber.“
Aufgabenbereiche zunächst unklar
Mit der Stellenausschreibung im Jahr 2020 führte die imland Klinik Rendsburg erstmalig PTA in der Zentralen Notaufnahme ein – auf expliziten Wunsch der ZNA-Leitung. Da die zahlreichen pharmazeutischen Aufgaben bis dato von medizinischem Personal übernommen wurden, war die Stellenbeschreibung der ZNA PTA zu Beginn noch nicht klar definiert.
Bis 2020 wurden Ihre Aufgaben noch von medizinischem Personal durchgeführt. Welche Vorteile bringen PTA Ihrer Ansicht nach für diese Tätigkeit mit?
„Unsere pharmazeutische Sicht macht vieles einfacher. So ist es ein enormer Vorteil von PTA, die Arzneimittelinformationen parat zu haben und den Umgang mit (Fertig-)Arzneimitteln zu beherrschen. Zudem wissen die Kollegen jetzt, an wen sie sich bei pharmazeutischen Fragestellungen wenden können. Das macht den Umgang mit Medikamenten im Allgemeinen sicherer.“
Sehen das Ihre Kollegen auch so oder gibt es hier Reibungspunkte?
„Von den Kollegen werden wir als große Hilfe wahrgenommen. Daher funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Dadurch, dass sich unsere Spezialgebiete so sehr unterscheiden, können wir voneinander lernen und profitieren. Beispielsweise haben wir bei der Erfassung der Vormedikation einen anderen Blick auf Kontraindikationen und Wechselwirkungen. Zudem ist durch die Zusammenarbeit das Vier-Augen-Prinzip gegeben.“
Da Sie gerade die Zusammenarbeit mit den anderen Berufsgruppen erwähnen: Wie sieht diese im Alltag denn praktisch aus?
„Die Ärzte geben uns Bescheid, welche Patienten aufgenommen werden und bei wem wir die Hausmedikation dokumentieren bzw. die Vorbefunde beim Hausarzt erfragen sollen. Außerdem geben sie uns Anweisungen dazu, welche Medikamente aufgezogen werden sollen.
Die Pflege bittet uns meistens um Unterstützung, wenn viel zu tun ist. So nehmen wir ihnen die Vorbereitung von Antibiotika oder anderen Medikamenten ab und beantworten ihre Fragen zu verschiedenen Medikamenten bzw. Hilfsmitteln.“
Gibt es bei all diesen Aufgaben Tätigkeiten, die Ihnen ganz besonders gefallen?
„Für mich ist es am spannendsten, mit den Ärzten zusammen Arzneimittelkonzepte zu entwickeln, umzusetzen und gemeinsam zu überlegen, was im Notfall wichtig ist. Stellt man dann im Nachgang fest, dass der Plan aufgeht und sich bewährt, ist das einfach toll.“
Friederike Kuhlmann: „Ich begleite unheimlich gerne die Schockräume, da diese sehr abwechslungsreich und spannend sind. Von Verkehrsunfällen über Reanimationen bis hin zu Beschwerden unklarer Ursache ist alles dabei. “
Nun unterscheidet sich die Notaufnahme ja nicht nur in den Aufgabengebieten von einer öffentlichen Apotheke. Auch in puncto „Öffnungszeiten“ gibt es Unterschiede. Haben Sie als PTA auch Schicht- bzw. Nachtdienste?
„Wir arbeiten in zwei Schichten: Von 7 bis 15 Uhr oder von 14 bis 22 Uhr. Nachtdienst haben wir keinen. An den Wochenenden arbeiten wir im Wechsel von 9 bis 19 Uhr und haben zum Ausgleich dafür dann zwei andere Tage in der Woche frei.“
Als PTA in der Notaufnahme zählen Sie zum sogenannten „öffentlichen Dienst“. Macht sich dieser Unterschied auch im Gehalt bemerkbar?
„Wir werden nach TVöD bezahlt. Das bedeutet, dass wir etwas mehr verdienen als PTA, die mit vergleichbarer Berufserfahrung in einer öffentlichen Apotheke arbeiten. Für die Arbeit nach 20 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen bekommen wir zudem entsprechende Zuschläge.“
Gut zu wissen: Was ist TVöD?
Die Abkürzung TVöD steht für „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst“. Er regelt die Rahmenbedingungen für das Arbeitsverhältnis (u. a. das Gehalt) von Angestellten im öffentlichen Dienst. Dazu zählen z. B. Beschäftigte in Schulen, städtischen Kliniken, Ämtern, Universitäten und Verkehrsbetrieben – Personen also die beim Bund, den Länder, den Gemeinden etc. angestellt sind.
Wie wird man ZNA PTA?
Nach Ihren spannenden Erzählungen gibt es jetzt sicherlich einige Interessenten für die Arbeit als ZNA PTA. Ist dafür eine besondere Fortbildung oder Ausbildung notwendig?
„Nein, bisher nicht. Man sollte jedoch bereit sein, sich im Selbststudium neues Wissen anzueignen, da hier doch viele Medikamente, Medizinprodukte und Hilfsmittel verwendet werden, die man aus dem normalen Apothekenalltag nicht kennt.“
Gibt es noch weitere Eigenschaften, die eine ZNA PTA Ihrer Meinung nach benötigt?
„Neben dem Offensichtlichen – dass man Blut sehen können sollte – braucht es den Willen, über den Tellerrand hinauszuschauen. Man sollte bereit sein engagiert mit anzupacken und sich die Finger schmutzig zu machen – auch bei Tätigkeiten, die nicht unbedingt pharmazeutisch sind. Und zu guter Letzt sollte eine ZNA PTA natürlich Interesse an Klinischer Pharmazie und Toxikologie mitbringen.“
Liebe Frau Kuhlmann, liebe Frau Wischmeyer, vielen Dank für das aufschlussreiche Interview und die spannenden Einblicke in Ihren Arbeitsalltag. Zum Abschluss noch eine Frage für alle PTA, die sich nun für Ihre Tätigkeit interessieren: Wie findet man Stellen als ZNA PTA?
„Am besten schaut man direkt auf der Internetseite der jeweiligen Klinik (z. B. https://www.imland.de/karriere/stellenangebote), ob eine entsprechende Stelle ausgeschrieben ist. Wir in der imland Klinik freuen uns auch immer über Initiativbewerbungen!“