Sprechstundenbedarf unwirtschaftlich beliefert?
Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:
Uns wurde ein SSB-Rezept über folgende Verordnung zulasten der AOK Bayern (dieser obliegt die Abrechnung für alle GKV-Sprechstundenbedarfsverordnungen in Bayern) vorgelegt: '50 x Priorix, Masern Mumps Roeteln, FER, 1 ST N1, CC-Pharma'.
Zum Zeitpunkt der Belieferung war nur das Importpräparat von kohlpharma verfügbar, was wir auch auf dem Rezept vermerkten. Daraufhin retaxierte uns die Krankenkasse das Rezept wegen unwirtschaftlicher Verordnung um 547,00 Euro. Der Betrag beinhaltet laut Kassenmitteilung sogar eine Erhöhung der Abgabevergütung um 368,90 Euro. Ist diese Retaxation rechtens?
Antwort
Diese Fälle ereignen sich häufig, da es sich bei SSB-Verordnungen in der Regel um höherpreisige Verordnungen handelt, die gerne in die Retaxprüfung einbezogen werden. Nicht selten sind SSB-Retaxationen für die Apotheken nachträglich kaum nachvollziehbar, da diese häufig besonderen Vertragspreisen unterliegen. Auch die Vorstellungen der Rezeptprüfstellen zur wirtschaftlichsten Versorgung in den Apothekenverträgen sind nicht immer näher ausgeführt.
Laut Krankenkasse hätte die Apotheke gemäß dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot laut § 12 SGB V, übernommen in § 1 Abs. 3 Arzneimittelvertrag Bayern, fünf 10er-Einheiten des Erstanbieters GSK abgeben müssen, obwohl der Abgabepreis dafür laut EDV am Abgabetag um 368,90 Euro höher lag:
Abgabe: 50 x 1 St., PZN 01603924, Priorix, kohlpharma, 1.526,00 Euro
Kassenkorrektur: 5 x 10 St., PZN 08627750, Priorix, GlaxoSmithKline, 1.894,90 Euro
Differenz: 368,90 Euro teurer als die Abgabe der Apotheke!
Dem höheren Abgabepreis rechnet die Rezeptprüfstelle jedoch einen Impfstoffrabatt in Höhe von 915,90 Euro gegen, woraus die Krankenkasse eine Differenz von 547,00 Euro errechnet und diese der Apotheke in Rechnung stellt:
Bleibt die Frage, weshalb die Krankenkasse der Apotheke den Herstellerrabatt in Rechnung stellt, zumal dieser in der Apotheken-EDV nicht bei der "normalen" Rezeptbedruckung, sondern erst durch aufwendige Recherchen erkennbar wird.
Zudem ist vereinbart:
5.2 Arzneiliefervertrag Bayern „Werden Impfstoffe im Sprechstundenbedarf verordnet, kann der Apothekeneinkaufspreis (AEK) zuzüglich eines Festzuschlages von 1,35 Euro je Impfdosis abgerechnet werden.“
5.4 Arzneiliefervertrag Bayern
„Den sich aus 5.2 ergebenden Beträgen ist die gesetzliche Mehrwertsteuer hinzuzufügen. Der Apothekenabschlag nach § 130 Abs. 1 SGB V ist nicht zu gewähren.“
Daher hat die Apotheke mit Unterstützung ihres Apothekerverbandes Einspruch eingelegt, der jedoch abgelehnt wurde:
Vielmehr ist der beliefernde Apotheker nach § 1 Abs. 3 AV-Bay zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung in der fachlich gebotenen Qualität verpflichtet (§§ 12, 70 SGB V). Dies beinhaltet auch bzw. gerade die Verpflichtung, bei der Belieferung einer Verordnung auf eine wirtschaftliche Stückelung zu achten. Die jeweiligen aktuell verfügbaren Packungsgrößen und Einkaufspreise sind bei jeder Abgabe in diese Bewertung mit einzubeziehen. Nachdem die vorgenommene Retaxation den vertraglichen Bestimmungen entspricht, kann eine Rücknahme leider nicht erfolgen."
Es gibt keine explizite vertragliche Verpflichtung, jede Abgabe auf die für die Krankenkasse günstigste Rabattstückelung bzw. Bündelung bis ins Detail zu recherchieren. Die allgemeine Verpflichtung gemäß SGB V zur wirtschaftlichen Abgabe muss jedoch als Rahmenrecht durch ausführende Vertragsregelungen näher definiert werden.
Fazit:
Sollte wider Erwarten künftig eine detaillierte Stückelungs-/Bündelungsregelung vertraglich vereinbart werden, so muss diese jeder Apotheke auch durch ihre EDV-Systeme angezeigt werden, alles andere wäre in der täglichen Versorgung nicht praktikabel.